Kesselheim

In Kesselheim geht Metzger-Ära zu Ende: Alfred und Andrea Hürter schließen ihr Geschäft

Von Reinhard Kallenbach
Alfred und Andrea Hürter schließen zum Jahresende ihre Metzgerei. Ihren Partyservice wollen sie jedoch in kleiner Form weiterhin anbieten. Foto: Kallenbach
Alfred und Andrea Hürter schließen zum Jahresende ihre Metzgerei. Ihren Partyservice wollen sie jedoch in kleiner Form weiterhin anbieten. Foto: Kallenbach

Die Metzgerei Hürter ist nicht nur für Kesselheimer eine beliebte Anlaufstelle. Doch die Familie Hürter wird ihr Geschäft in der Kurfürst-Schönborn-Straße an Silvester schließen.

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Generationen von Arbeitern und Handwerkern haben hier morgens ihre Brötchen gekauft, so mancher Betrieb setzte auf den schnellen und unkomplizierten Service der seit sieben Jahrzehnten bestehenden Fleischerei. Auch wenn der Partyservice im kommenden Jahr weiterlaufen soll, ist der Freitag, 31. Dezember, nicht nur für die Familie Hürter ein bedeutender Einschnitt. Ihr Geschäft in der Kurfürst-Schönborn-Straße wird an diesem Tag schließen.

„Es hat uns immer Spaß gemacht“, sagt Alfred Hürter. Die Entscheidung für die Schließung fiel daher mit zwei weinenden Augen. Der Fleischermeister sagt aber auch: „Mit 71 Jahren ist es Zeit, kürzer zu treten“. Aktuell wartet er auf den Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer (HwK) Koblenz – eine schöne und wichtige Anerkennung für langjährigen beruflichen Einsatz.

Alfred Hürter hatte bereits mit 21 Jahren den Meisterbrief erworben. Das war in der damaligen Zeit eher ungewöhnlich. „Mein Vater hat immer gesagt: ,Erwerbe den Meisterbrief so früh wie möglich – für den Fall, dass mir einmal etwas passieren sollte‘.“ Der große Tag, an dem der Jungmeister endlich den Großen Befähigungsnachweis in den Händen hielt, wurde von einem schrecklichen Ereignis überschattet. An jenem 10. November 1971 stürzte nämlich die Südbrücke ein, auch Alfred Hürter kann sich noch an den Alarm und die vielen Einsatzfahrzeuge erinnern, die durch die Stadt rasten. „So etwas vergisst man nie“, sagt er.

Die Wurzeln der Fleischerei Hürter liegen übrigens nicht in Kesselheim, sondern in Rübenach. Dort gründete der Vater, Bartholomäus Hürter, seinen ersten Betrieb, bevor die Familie nach Metternich umzog und dort eine neue Metzgerei eröffnete. Dort verbrachten sie eine lange und schöne Zeit, bevor sich Anfang der 60er-Jahre in Kesselheim die Gelegenheit bot, dort neu zu bauen. Die Familie, die ihre Wurzeln ohnehin in der einst selbstständigen Gemeinde hat, nutzte die Chance und eröffnete 1963 in der Kurfürst-Schönborn-Straße ihr Geschäft und zog[S:en:S] in die darüber gelegenen Wohnräume ein.

Wohnen und arbeiten unter einem Dach: Die Familie lebte das heute wieder zeitgemäße Modell schon damals vor, sie bewies aber vor allem eines – Weitsicht. Sie verzichtete auf den Bau einer eigenen Schlachterei. „Das wäre eigentlich noch möglich gewesen, weil Kesselheim damals ja noch nicht eingemeindet war“, erklärt der Meister. Stattdessen entschieden sich Vater und Sohn, das Schlachten im damaligen Koblenzer Schlachthof zu erledigen. Im Gegensatz zur heutigen Fleischergeneration waren beide[S:n:S] noch in allen Bereichen ihres Berufs aktiv. Das ist heute anders. Wer sich heute für das Fleischerhandwerk entscheidet, kann sich spezialisieren. Das Schlachten gehört nicht mehr zwingend zur Lehre.

„Auch sonst hat sich viel verändert. Es gab damals am Ort drei Metzgereien und mindestens vier Lebensmittelgeschäfte“, erinnert sich Alfred Hürter. Geblieben ist nur die Fleischerei der Familie Hürter, und die schließt jetzt auch. Der Meister räumt ein, dass er nicht intensiv nach einen Nachfolger gesucht hat. Der Nachwuchs bevorzugt, falls er sich überhaupt noch für den Fleischerberuf entscheidet, die Fachabteilungen in den großen Supermärkten. Alfred Hürter versteht das ebenso wie die Entscheidung seines Sohnes, sich beruflich anders zu orientieren. Denn eine Selbstständigkeit im Nahrungsmittelhandwerk hat es schon wegen der Arbeitszeiten in sich. „Morgens ging es für mich und meine Frau oft schon vor 3 Uhr los, und Schluss war, wenn es nichts mehr zu tun gab“, bringt es der Meister auf den Punkt.

Ebenfalls hat sich auch das Ladengeschäft im Laufe der Zeit stark verändert, berichtet Andrea Hürter. „Anfangs gab es noch keine Waagen und wir mussten alles im Kopf ausrechnen. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch nur das klassische Ladengeschäft. Die Kunden haben im Laden lediglich die Ware gekauft und dann zu Hause noch selbst zubereitet/verarbeitet. Als dann die Mikrowelle kam, war das schon für alle eine große Veränderung. Innerhalb von einer Minute war auf einmal die Fleischwurst warm.“ Mit der Zeit kam dann auch die Einführung des Partyservices. „Auch hier fing es anfänglich mit einfachen Lieferungen an. Inzwischen hat sich der Partyservice ebenfalls stetig weiter verändert, sodass viele unserer Kunden inzwischen die Waren auch als Fingerfood bestellen.“

Man sieht: Mit Blick auf die Arbeitszeiten und die wenigen Urlaubstage im Jahr ist die Perspektive, immer sein eigener Herr zu sein, im Nahrungsmittelhandwerk kein ausreichendes Argument mehr. Dazu kommen ökonomische Gründe. Die eigene kleine Fleischerei ist angesichts der laufenden Kosten für Geschäft und Personal nur noch für wenige zu „stemmen“, zumal der klassische Familienbetrieb ein Auslaufmodell ist. Bei Alfred Hürter war das immer anders. Seine Frau Andrea war über viele Jahre die Stütze des kleinen Unternehmens. Die 60-Jährige ist selbst vom Fach. Sie wurde in der heute nicht mehr bestehenden Fleischerei Linkenbach in Bad Ems zur Fachverkäuferin ausgebildet.

Dass jetzt auch die Ära der Metzgerei Hürter enden muss, hat Andrea Hürter nach eigener Aussage mitgenommen – vor allem mit Blick auf die vielen Stammkunden. „Sie sind mit uns gealtert“, sagt sie. Andrea Hürter weiß: Am 31. Dezember geht auch ein wichtiger Kommunikationspunkt verloren. Für sie ist das auch ein Argument, sich im neuen Jahr nicht ganz zur Ruhe zu setzen. „Kochen war ja auch immer ein Hobby“, sagt sie. Und genau das ist für sie der Grund, den Partyservice im kleinen Stil weiterzuführen. Und was macht Meister Hürter? „Mein Beruf war ja auch immer mein Hobby. Deswegen habe ich noch nichts Konkretes geplant“, sagt er und schiebt nach: „Vielleicht etwas mehr Fußball anschauen.“ Reinhard Kallenbach