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Koblenz

Ein Kaiser zum Anfassen: Vor 25 Jahren wurde Reiterstandbild am Deutschen Eck rekonstruiert [mit Video]

Es ist eins der Wahrzeichen von Koblenz – und das nicht nur wegen seiner Höhe von 37 Metern: das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck. Vor allem für Touristen, die Koblenz zum ersten Mal besuchen, ist es als Fotomotiv ein Muss.

Lesezeit: 3 Minuten
Doch die finden Kaiser Wilhelm nicht nur am Zusammenfluss von Rhein und Mosel. Pünktlich zum 25. Jahrestag der rekonstruierten Statue hat sich die RZ umgeschaut, wo der Kaiser in Koblenz noch alles so auftaucht. Das Denkmal in Kürze:1896 Im Frühjahr beginnen die Bauarbeiten. Zuvor hatte sich Denkmalarchitekt Bruno Schmitz in einem ...
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Meisterwerk „neuer“ Kaiser: Technische und logistische Spitzenleistung

Ausgerechnet am symbolträchtigen 2. September, also dem Tag, der im Kaiserreich als Sedantag gefeiert wurde, schwebte Wilhelm I. zurück auf seinen Sockel. Dabei hatte die Terminwahl vor 25 Jahren rein logistische Gründe.

Der Blick von der Festung Ehrenbreitstein auf das Deutsche Eck – 1953 noch ohne Kaiser.

Heinrich Wolf

Und auch 1958 war vom Moselufer aus nur der Sockel zu sehen.

Heinrich Wolf

Ende der 50er-Jahre wurde mit Hilfe eines Bundeswehr-Heer-Hubschraubers der Flaggenmast aufgestellt.

Heinrich Wolf

Im Juli 1930 fanden in Koblenz und am Deutschen Eck die nationalen Feierlichkeiten zum Ende der alliierten Rheinlandbesetzung statt. Auch Reichspräsident Paul von Hindenburg nahm an den Feierlichkeiten teil.

Repro Heinrich Wolf

Damals war noch das erste Reiterstandbild auf dem Deutschen Eck.

Repro Heinrich Wolf

Das Schiff von Reichspräsident Hindenburg legte zusammen mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun gegen 11.30 Uhr am Deutschen Eck an, wo er von Oberbürgermeister Karl Russell begrüßt wurde. Die Menge jubelt.

Repro Heinrich Wolf

Was damals noch niemand ahnte war der schreckliche Ausgang des Tages: Der Höhepunkt des Tages war ein Feuerwerk von der Festung Ehrenbreitstein gegen 22.30 Uhr. Rhein- und Moselanlagen waren gesäumt von hunderttausenden Menschen, die teils mit Sonderzügen angereist waren. Nach Ende des Feuerwerks gegen 23 Uhr drängten viele Menschen, die sich am Neuendorfer Eck in Lützel direkt gegenüber dem Deutschen Eck befunden hatten, über eine schmale Pontonbrücke, die sich an der Einfahrt zum Sicherungshafen befand, um eine Abkürzung zu nehmen. Gegen 23.15 Uhr brach die Brücke unter der Last der Menschen zusammen. Bei dieser Katastrophe kamen 38 Menschen ums Leben.

Repro Heinrich Wolf

An den kriegsentscheidenden Sieg der deutschen Truppen in der heutigen französischen Region Grand Est von 1871 dachten damals wohl die wenigsten. Dennoch sollten die Unkenrufe noch lange nicht verstummen. Denn die komplette Wiederherstellung des Monuments war weit über die Grenzen von Koblenz hinaus umstritten und hatte eine entsprechend lange Vorgeschichte. 1993 krönten alle aktiv Beteiligten eine technische Meisterleistung, die gleich von mehreren Rekorden flankiert war. Das ist auch heute noch nicht überall angekommen.

Natürlich hat auch Hans-Jörg Jechel die damaligen Vorgänge aufmerksam verfolgt. Dass er jedoch eines Tages über das Monument und andere Reiterstandbildern des 19. Jahrhunderts promovieren sollte, konnte er damals noch nicht ahnen. Doch sein Interesse nahm ständig zu, er lenkte seinen Blick zunehmend auf die komplexen technischen Hintergründe, die aus seiner Sicht viel zu wenig gewürdigt wurden. Denn die waren ihm zu kurz gekommen – obwohl das Monument bis zum September 2008 das größte Reiterstandbild der Erde war. Seitdem wird es von dem doppelt so großen, aber weniger detailreichen Denkmal für Dschinghis Khan nahe der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar übertroffen.

Heute erinnert Kunsthistoriker Dr. Hans-Jörg Jechel immer wieder an die historischen und technischen Meisterleistungen der Erbauungszeit und der späteren Wiederherstellungsphase.
Heute erinnert Kunsthistoriker Dr. Hans-Jörg Jechel immer wieder an die historischen und technischen Meisterleistungen der Erbauungszeit und der späteren Wiederherstellungsphase.
Foto: Reinhard Kallenbach

Hans-Jörg Jechel ist ein Spätberufener. Der studierte Vermessungsingenieur stand lange im Dienst des Landesamtes für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz. Sein Interesse galt aber immer schon kunsthistorischen Fragen. Und so hängte er, im fortgeschrittenen Berufsleben angekommen, ein Studium der Kunstgeschichte und der christlichen Archäologie in Bonn dran. Auf der Suche nach einem Thema für die Magisterarbeit stieß er ausgerechnet auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Bei den Literaturrecherchen stellte sich heraus, dass es vor allem um historische und politische Diskussionen ging. Eine umfassende Würdigung fehlte jedoch. Jahre des Quellenstudiums begannen – und relativ schnell stellte sich heraus, dass man das Ganze zu einer vergleichend angelegten kunsthistorischen Dissertation ausbauen konnte. Denn insgesamt wurden 59 Wilhelm-Reiterstandbilder errichtet, von denen nur 13 erhalten sind.

„Ich habe die ganze damalige Diskussion nicht verstanden“, sagt Hans-Jörg Jechel, wenn er auf die Diskussion der späten 80er- und frühen 90er-Jahre angesprochen wird. Aus seiner Sicht hätte man sich über die Initiative der späteren Stifter Werner und Anneliese Theisen freuen sollen. Auch heute noch bewundert der Kunsthistoriker, mit welch großer Energie das Verlegerehepaar damals seine Idee vorantrieb und gegen alle Widerstände realisierte. Bedenkenträger gab es damals reichlich, und es flogen sogar Farbbeutel. Offenbar hatten die Übeltäter Schwierigkeiten, Wilhelm I. von Wilhelm II. zu unterscheiden, was auch heute immer noch häufig der Fall ist.

Eine Historikerkommission tagte, und in Mainz wäre man die ganze sanierungsbedürftige, im Eigentum des Landes befindliche Anlage am liebsten losgeworden. Denn anders als die schwarz-gelbe Landesregierung wollte die neue rot-gelbe Koalition das Denkmal nicht. Die Übergabe an die Stadt, verbunden mit einem Sanierungszuschuss, machte den Weg frei. Und dann ging doch noch alles ganz schnell, zumal die Theisens und eine ebenfalls spendenfreudige Bürgerinitiative bereits Ende Februar 1989 den Auftrag an den Düsseldorfer Metallbildhauer Raimund Kittl vergeben hatten – gestärkt von einer Meinungsumfrage, in der sich 80 Prozent der befragten Koblenzer für eine Wiederherstellung ausgesprochen hatten.
Auch der Stadtrat stand unter Druck. Die wenigsten hätten es verstanden, wenn ein Geschenk im Wert von rund 2,36 Millionen Euro abgelehnt worden wäre – und damit ein wichtiger Impuls für die Tourismuswirtschaft der Region. Werbewirksam ist nicht nur aus Jechels Sicht die technische Meisterleistung. Denn es galt lange als unmöglich, ein 14 Meter hohes und 63,5 Tonnen Bronzestandbild zu realisieren. Raimund Kittl und sein Team schafften es, indem sie Bronzelegierungen kombinierten. So wurde für die Hinterbeine widerstandsfähige und hoch belastbare Schiffschraubenbronze erklärt. Die unterschiedliche Zusammensetzung der Bronzeteile erklärt auch die verschiedenfarbige Patina, die im Laufe der Jahre entstehen sollte.

Reinhard Kallenbach

Michael Hörter an einer der beiden Bronzetafeln, di an die wechselvolle Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Denkmals erinnern.
Michael Hörter an einer der beiden Bronzetafeln, di an die wechselvolle Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Denkmals erinnern.
Foto: Reinhard Kallenbach

Gästeführer Michael Hörter serviert Sekt und Anekdoten
Wenn es um die richtige Bezeichnung des Monuments geht, kommen sogar historisch bewanderte Koblenzer ins Straucheln. „Der offizielle Name lautet Kaiser-Wilhelm-Denkmal vor dem Deutschen Eck“, sagt Michael Hörter. Und genau dorthin führt der Gästeführer Genießer im Rahmen seiner beliebten „Schlenderweinproben.“

Ursprünglich hatte der Koblenzer wie viele seiner Mitbürger kein besonders inniges Verhältnis zum Denkmal. „Ein stadtbildprägendes Wahrzeichen“, sagte er immer anerkennend. Aber echte Liebe hörte sich anders an. Das hat sich geändert, seitdem er im Rahmen seiner Führungen in einen Bereich vorstößt, der für Besucher verschlossen ist: die letzte Etage des Denkmalsockels, in der er seinen Gästen oft heimischen, handgemachten Winzersekt kredenzen lässt. Das passt irgendwie, findet Michael Hörter und grinst breit. Denn nicht nur das Denkmal, sondern auch die Schaumweinsteuer ist ein Erbe der wilhelminischen Ära. Sie gilt seit dem 1. Juli 1902 bis auf den heutigen Tag. Grundlage war ein entsprechender Beschluss des Reichstags. Die Sektsteuer sollte übrigens dazu beitragen, die Flotte zu finanzieren. Und wenn der Staat einmal eine Abgabe einführt, dann bleibt sie auch ...

Wer die Stufen zum Denkmalsockel erklimmt, ist eigentlich schon am Deutschen Eck vorbeigelaufen. „Es ist nämlich viel älter als das Denkmal und hat seinen Namen vom Deutschen Orden“, erklärt der Gästeführer. Und wirklich: Der Ritterorden pflegte bereits ab 1216 in Koblenz Kranke und Verletzte. „Und eines seiner Gebäude steht noch: das Deutschherrenhaus, das heutige Ludwig Museum. Das Gelände umschließt rhein- und moselseitig eine dicke Mauer, und dort können Sie ein riesiges Deutsch-Ordens-Kreuz in der Bruchsteinwand entdecken – voilà: Das Deutsche Eck!“, so der frühere Landtagsabgeordnete, der auch an die Kontroversen rund um den Bau des Denkmals erinnert, das auf einem neu aufgeschütteten Gelände errichtet wurde. Der Standort war nämlich nicht unumstritten, viele Koblenzer hätten das Monument gerne vor dem Schloss gesehen. Außerdem gab es noch Mitbewerber, die das Reiterstandbild gerne gehabt hätten. Es war Emil Schüller höchstpersönlich, der den Sinneswandel in Koblenz einleitete. Der damalige Oberbürgermeister ignorierte einfach den entsprechenden Ratsbeschluss, indem er unter dem Pseudonym des griechischen Kirchenvaters „Irenäus“ eine Broschüre veröffentlichte, um dort den Standort am „Deutschen Eck“ ins Spiel zu bringen. Im preußischen Provinziallandtag sah das eine knappe Mehrheit anders und entschied sich für einen Standort im Siebengebirge. Dann sprach Kaiser Wilhelm II. jedoch ein Machtwort und entschied sich für die Stadt, die seine Großmutter Augusta so gerne gemocht hatte. Im Sommer 1897 wurde das Werk 
vollendet, Wilhelm I. ritt bis März 1945 mit Blick auf Berlin, um dann unsanft von seinem Sockel geholt zu werden. So die offizielle Version. Oder war alles ganz anders? Michael Hörter kennt da eine andere Geschichte: „Als die Nazis an diesem schönen Platz mal wieder ihre Wacht-am-Rhein-Nummer abzogen, soll es Wilhelm zu bunt geworden sein. Majestät wurde lebendig und ritt samt Genius einfach davon. Es sollte bis 1993 dauern, bis er wieder zurückkehrte“, erzählt der Altstädter und räumt ein: „Zurzeit glaubt das noch keiner, aber lassen wir dieser Geschichte noch etwas Zeit.“

Eines ist jedoch sicher: Das Denkmal bleibt ein Symbol für historische Wendepunkte und erbitterte Auseinandersetzungen über Sinn und Unsinn eines Monuments für den Reichsgründer, der sich wegen der blutigen Niederschlagung der Revolution 1848 den wenig schmeichelhaften Namen „Kartätschenprinz“ eingehandelt hatte.

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