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Koblenz

Die AfD in Koblenz: Partei ist im Stadtrat weitgehend isoliert

Von Stephanie Mersmann
Der Koblenzer Stadtrat tagt im historischen Rathaussaal. Die beiden AfD-Leute sitzen hinten rechts. 
Der Koblenzer Stadtrat tagt im historischen Rathaussaal. Die beiden AfD-Leute sitzen hinten rechts.  Foto: Sascha Ditscher

Bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 wurde die AfD in den Koblenzer Stadtrat gewählt – damals als die Partei der Eurokritiker. Bernd Lucke an der Spitze, polterte die Alternative vor allem gegen die Eurorettungspolitik, in Koblenz standen Wirtschaft und Basisdemokratie ganz weit oben im Wahlprogramm. Flüchtlinge, Migration oder Islam hingegen? Fehlanzeige. Doch das sollte sich ändern.

Lesezeit: 5 Minuten
Bis vor ein paar Wochen stand ganz oben auf der Internetseite der Koblenzer AfD ein Video zum Fall der ermordeten Mainzerin Susanna F. „Wieder ein brutales Sexualverbrechen, wieder verübt von einem Asylbewerber“, hieß es da. Der Feind ist also klar. Willkommen in der Welt der Alternative für Deutschland. Die kleine AfD-Fraktion ...
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Rolf Pontius: Mitbegründer der Partei

Wer Rolf Pontius treffen will, muss sich auf die Suche durchs verwinkelte Koblenzer Rathaus machen. In einem der Gebäude, die vom Willi-Hörter-Platz kaum einzusehen sind, hat er sein Büro, winzig, nicht mal 15 Quadratmeter groß. Raum 105. Hier ist der AfD-Kreisvorsitzende untergebracht, der auch die Partei als einer von zwei Mandatsträgern im Stadtrat vertritt.

Rolf Pontius, ein Mann mit kleinen, listigen Äuglein und Glatze, empfängt den Gast freundlich. Der Mittfünfziger ist von Akten eingekreist, ein kleiner Schreibtisch füllt den Raum aus. Der Mann, der heute Anlagen aus Edelmetall verkauft, hat bei der Bundeswehr gedient, ging als Offizier der Reserve ab, später setzte er auf die Vertriebsschiene, arbeitete sich Stufe um Stufe bei einem Versicherungsunternehmen nach oben. Der Mann kann verkaufen, das spürt man sofort, er brennt für seine Sache. „Die Arbeit hier ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt er.

Pontius zählt wie sein Kollege Horst Knopp (AfD-Fraktionschef im Kreistag MYK) zu den Gründungsvätern der Partei im Land vor ziemlich genau fünf Jahren. „Die Zeit für eine echt konservativ-freiheitliche Partei, die sich auch den sozialen Fragen, der deutschen Gesellschaft widmet, war gekommen“, erinnert sich Pontius. Er vergleicht die Zeit mit dem Ende der 70er-Jahre, als die Grünen hochkamen. „Auch damals gab es Politikbereiche, die von den vorhandenen Parteien nicht mehr im Sinne der Bürger abgedeckt wurden“, sagt Pontius im ruhigen Ton.

In Koblenz hätten sich CDU, SPD, FDP und Grüne untereinander so weit politisch angenähert, dass man Unterschiede mit der Lupe suchen müsse. Sie fühlten sich, so Pontius, alle „der naiven Integrationsromantik der Grünen verpflichtet“. Die AfD habe dafür gesorgt, dass das Thema Einwanderung – Asyl und Islam – im Stadtrat „stetig kritisch diskutiert“ werde, behauptet Pontius. Die Partei vertrete „konsequent konservative Positionen“, praktiziere eine „unangepasste Politik“, verbunden mit „einem Schuss rheinischer Gelassenheit“. Wie sich diese eigentümliche Melange im politischen Alltagsgeschäft niederschlägt, sagt Pontius nicht. Nur so viel: Er lamentiert, dass die kleine AfD-Fraktion nicht einen einzigen Antrag im Stadtrat durchbekommen hat – selbst dann nicht, als es um eine vergleichsweise harmlose Entflechtung zwischen Fußgängern mit oder ohne Hund auf einem Weg gegangen sei. Ein Phänomen, das andere politische Newcomer teilten und teilen.

Als fremdenfeindliche, rechtsextreme Partei, die das christliche Abendland zerstören will, stuft der FDP-Landesvorsitzende Volker Wissing die AfD ein. Insbesondere die Aussagen der AfD-Politiker Andre Poggenburg (der die hier lebenden Türken pauschal als Kümmelhändler und Kameltreiber verunglimpfte, die in Deutschland nichts zu suchen und nichts zu melden hätten) und Björn Höcke (der das Berliner Holocaust-Mahnmal als ein Denkmal der Schande bezeichnete) sind extrem nationalistisch. Wie steht Rolf Pontius dazu? Er wendet sich von dieser Rhetorik ab, sagt, dass er die politische Bühne verlassen würde, wenn ein weiterer Rechtsruck durch die Partei gehe. Aus und vorbei, basta! Hat der Mann Kreide gefressen? Pontius wirkt dabei genauso entschieden wie bei der Aussage, dass die AfD politisch heimatlose Konservative und Patrioten gewinnen kann – bei der Kommunalwahl im nächsten Mai.

Von unserem Chefreporter Thomas Brost

Wahlen: Durchwachsene Ergebnisse in Koblenz

Vor gut fünf Jahren als euroskeptische Partei gegründet, konnte die Alternative für Deutschland (AfD) ihren Wähleranteil auch in Koblenz kontinuierlich ausbauen. Der Kreisverband Koblenz wird im Oktober 2013 gegründet. Erstmals ist die AfD einen Monat zuvor zur Bundestagswahl 2013 in Erscheinung getreten. In der Stadt Koblenz erreicht sie dabei mit 4,6 Prozent der Stimmen fast ihr Bundesergebnis (4,7). 1697 Koblenzer haben für die AfD votiert.

Im Mai 2014 nimmt man auch an der Kommunalwahl teil und erzielt 4,2 Prozent, was zwei Vertreter im Stadtrat und den Fraktionsstatus bedeutet. Bei der Europawahl erreicht die AfD ebenfalls 2014 in Rheinland-Pfalz rund 114.170 gültige Stimmen und kommt damit aus dem Stand auf einen Stimmenanteil von 6,7 Prozent, bleibt aber hinter ihrem Bundesergebnis von 7,1 Prozent zurück. In der Stadt Koblenz machen 2741 Wähler (6,6 Prozent) ihr Kreuz bei der AfD.

Aus dem Stand heraus wird die AfD bei der Landtagswahl im Jahr 2016 mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft im rheinland-pfälzischen Landtag. 268.628 Wählerstimmen bescheren ihr 14 Mandate. Im Wahlkreis 8 Koblenz/Lahnstein erzielt sie 9,9, im Wahlkreis 9 Koblenz 9,4 Prozent. Im Landesschnitt kommt die AfD in den kreisfreien Städten auf 13,1 Prozent (in Ludwigshafen etwa erreicht sie 19,9 Prozent), liegt in der Stadt Koblenz in der Summe mit 9,4 Prozent also ein gutes Stück darunter. Ein AfD-Kenner sagt: „Koblenz ist keine typische AfD-Stadt; es gibt viele Studenten, ein höheres Bildungsniveau und ein besseres Auskommen.“

Dies zeigt sich erneut bei der Bundestagswahl 2017. Die AfD erreicht bundesweit 12,6 Prozent der Stimmen. In Rheinland-Pfalz entfallen auf sie 11,2 Prozent der gültigen Zweitstimmen. 265.688 Wähler haben für die Partei gestimmt, womit die AfD ihren Stimmenanteil gegenüber der vorhergehenden Bundestagswahl im Jahr 2013 mehr als verdoppelt und sich um 6,4 Prozentpunkte verbessert hat. Im Landesschnitt kommt die Partei in den kreisfreien Städten auf 11,5 Prozent, bleibt in der Stadt Koblenz mit einem Ergebnis von 8,4 Prozent also weit darunter und verliert gegenüber der letzten Landtagswahl im Jahr 2016 1 Prozentpunkt. ms

Unter der Lupe: Die AfD in der Region
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