San Francisco: Ausverkauf einer Stadt

Von Marta Fröhlich
Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt.
Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt. Foto: Marta Fröhlich

„Hola!“, grüßt die Taxifahrerin auf Spanisch und bugsiert das Gepäck in den engen Kofferraum. Und ab geht es in den Abendverkehr von San Francisco. Was von oben aussah wie eine friedliche Flusslandschaft aus funkelnden Lichtern, ist von innen eine Hölle aus Hupkonzert und Blechlawine. Wer den einstündigen Ritt vom Flughafen bis in die Stadt ohne Panikattacke hinter sich gebracht hat, ist ein Held.

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Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt.
Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt.
Foto: Marta Fröhlich
Zumindest fühlt er sich wie einer. Denn das Taxi, in dem man eben noch in radebrechendem Spanisch mit der netten Latina geplaudert hat, während sie das Gefährt lässig durchs Chaos schaukelte, spuckt einen in einer wahren Filmkulisse aus. Die Stadt an der Pazifikküste der USA hat man schon tausendmal gesehen – nur eben nicht in echt, nicht in ihrer wahren Größe.

Der Kopf fällt in den Nacken, um die tatsächlichen Ausmaße der Wolkenkratzer aus vergangenen Jahrhunderten zu erfassen, während hinter einem der unzähligen schweißtreibenden Hügel der Metropole die Golden Gate Bridge ihre roten Pfeiler in den klaren Himmel streckt. In der Bay hängt noch der letzte Nebel der Nacht, doch die Stadt nimmt im Morgengrauen bereits Fahrt auf. Die Rush Hour beginnt. Ding, ding – das Cable Car lässt nicht lang auf sich warten. Die Handbremse zieht laut knatternd an, in den engen, offenen Waggon quetschen sich noch mal so viele Menschen, wie bereits vorher schon drin waren. Touristen warten nicht, auch nicht um 8 Uhr morgens. Da heißt es Nachrücken und Kuscheln. Die Mutigen hängen sich an eine der Haltestangen am Rand und lassen sich die kühle Stadtluft um die Nase wehen: „Welcome to San Francisco!“, hallt der Ruf des Waggonfahrers bis auf den Bürgersteig – ding ding – weiter geht's den steilen Hügel rauf. San Francisco ist ein wahres Abenteuer – selbst wenn man sich nur an die Touristenattraktionen hält.

Und doch ist etwas eigenartig, etwas passt nicht ins Bild dieser bunten, wuseligen Stadt: graue Busse mit verdunkelten Scheiben, hinter denen Dutzende Apple-Logos aufflackern, drücken sich durch das allmorgendliche Chaos. Diese düsteren Kolosse nehmen Kurs aufs Silicon Valley circa eineinhalb Stunden entfernt. „Das sind die Techies, die hier in der Stadt wohnen, aber draußen im Valley arbeiten“, erklärt Elisabeth. Die Österreicherin ist vor vielen Jahren nach San Francisco gezogen und arbeitet heute in der Tourismusbranche. San Francisco erlebt seit vielen Jahren einen wahren Boom. Die Stadt, in den 1960er- und 1970er- Jahren ein Pilgerzentrum für Hippies und Aussteiger, ist heute eine Hochburg der Toleranz und des modernen Lifestyle, zieht vor allem junge Menschen zum Leben und Arbeiten an. Doch eines müssen sie mitbringen: Kleingeld. Denn San Francisco ist ein Paradebeispiel für Gentrifizierung. Was sich in deutschen Städten wie München oder Berlin abzeichnet, ist in San Francisco seit vielen Jahren bereits im Gange. Die Reichen ziehen in die Stadt, leisten sich immer teurere Mieten oder Kaufpreise, die Armen ziehen raus in die Vorstädte – wenn sie es sich überhaupt leisten können.

Ein Stadtteil, in dem dieser Wandel greifbar ist, ist der Mission District. In direkter Nachbarschaft zum legendären Hippieviertel Haight-Ashbury und nahe dem belebten Party- und Schwulenviertel Castro liegt der Mission District im flacheren Teil der Stadt. Im 18. Jahrhundert siedelte sich hier eine spanische Mission an. Noch heute ist das Viertel zum großen Teil von Latinos bewohnt. Pastellfarbene Häuser in viktorianischem Stil säumen die schmalen Straßen, der Trubel von Downtown oder dem Finanzviertel scheint hinter den Hügeln verhallt. Kinderlachen erfüllt die Straße, auf dem Bürgersteig spielen zwei Mädchen mit dicken, dunklen Haaren und schwarzen Kulleraugen Hüpfkästchen, während der Duft von Gegrilltem und Fritten durch die Gasse zieht. In der „Mission“ hüpft das Herz von Foodies höher, denn hier findet jeder eine Leckerei aus der vielseitigen Latinoküche.

„Vom 2-Dollar-Taco bis zum 200-Dollar-Menü gibt es hier alles“, weiß Emunah. Sie führt Touristen auf Foodtouren durch das Viertel, lässt hausgemachtes Pastrami, die unanständig leckeren Pupusas aus El Salvador oder einen mexikanischen Taco – nur echt ohne Käse – servieren. „Authentic latino food“, sagt sie schelmisch schmunzelnd und schiebt einen Plastikkorb mit saftigen Tacos über den Emailletisch. Das Feuer im Rachen, das die höllenscharfe Salsa aus grünen Tomaten entfacht, löscht ein kräftiger Schluck eiskalter Horchata, ein süßer Reisdrink, der an Milchreis aus Kindertagen erinnert. Zum Fingerfood gibt es launige Diskussionen auf Spanisch am Nebentisch und Football. Mehr Authentizität geht nicht, meint man. Bis draußen wieder einer der grauen Kolosse vorbeifährt.

Es ist nach sieben, die Techies kehren aus dem Silicon Valley zurück. Denn viele von ihnen wohnen hier – in der „Mission“. Sie lieben das Urbane und Ehrliche eines klassischen Arbeiterviertels, genießen abends ein kaltes Bier in der peruanischen Kneipe nebenan, gehen gern noch einen Happen essen, sitzen auf rustikalen Holzbänken mitten unter Latinos.

„Das ist Fluch und Segen zugleich“, stellt Emunah fest. Sie lebt von klein auf in dem Viertel und beobachtet, wie es von den Reichen, die hierher ziehen, profitiert, wie alte Häuser saniert und Straßen geflickt werden. Aber auch, wie Latinofamilien für 50.000 Dollar ihre Häuser aufgeben, die anschließend für 10 Millionen Dollar weiterverkauft werden. „Das ist heute ganz normal“, zuckt Emunah mit den Schultern.

Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt.
Eine Fahrt mit der Straßenbahn von San Francisco, dem Cable Car, gehört zum Besuch der kalifornischen Metropole dazu. Jedoch lohnt sich auch ein Ausflug in den Mission District, wo Künstlerin Patricia Rose die Besucher zu den jahrzehntealten Wandgemälden, den sogenannten Murals, führt.
Foto: Marta Fröhlich

Patricia Rose tut das leid. Die Künstlerin kennt die Stadt noch aus jenen legendären Hippiezeiten, wegen derer es immer noch so viele Touristen hierhin zieht. Auch sie zog einst auf der Suche nach Liebe und Frieden nach San Francisco, stromerte durch die Straßen, gestaltete die ersten Murals im Mission District. Wände und ganze Straßenzüge erstrahlten in floralen Mustern und knalligen Farben, aber auch Szenen von politischer Brisanz, in denen das Leben der Latinos thematisiert wurde, zierten bald die Fassaden. Heute schützt die Stadt die Kunstwerke mit viel Geld und Einsatz, wie zum Beispiel jene in der Balmy Alley, wo auch Patricia sich verewigt hat.

Und trotzdem: An diesem historischen Ort, einer engen Nebenstraße, in der Werke aus den vergangenen vier Jahrzehnten von einer bewegenden Zeit zeugen, schieben Obdachlose ihr beschränktes Hab und Gut in Einkaufswagen umher, suchen einen Platz zum Schlafen, den sie sich leisten können. „Auch an diesem Teil der Stadt geht die Gentrifizierung nicht vorbei. Übrig bleiben die Armen“, fasst Patricia resigniert zusammen. Auch bei ihr ist allein Schulterzucken geblieben. Obdachlose gehören heute genauso zum Stadtbild von San Francisco wie die Cable Cars. Die Jahrzehnte sind an der Stadt nicht spurlos vorübergegangen. Aber es scheint, als habe sie sich damit abgefunden. San Francisco war und ist stets im Wandel, und so manch einer muss wohl weichen.

Von unserer Reporterin Marta Fröhlich

Wissenswertes für Reisende

Anreise: Wow Air fliegt von Frankfurt über Reykjavik nach San Francisco, andere Airlines fliegen die Route über Washington oder über Amsterdam (von Düsseldorf aus).

Beste Reisezeit: Von Frühling bis Herbst. In der Bucht von San Francisco kann es kühl und neblig werden.

Unsere Ausflugstipps:

  • Eine geführte Food-Tour durch Chinatown, eines der größten chinesischen Viertel der Welt
  • Zeitgenössische Kunst von schwarzen Künstlern findet sich im Museum of African Diaspora.
  • Eine Auszeit gönnt man sich bei den Seelöwen am Pier 39.
  • Alles Essbare aus dem Meer gibt es am Fisherman's Wharf.
  • Ein Brunch in der Wiege des Sauerteigs – im Bistro Boudin – lässt den Tag perfekt beginnen.

Weitere Infos gibt es unter www.sanfrancisco.travel/de

Unsere Autorin ist mit Wow Air gereist und hat im Pier 2620 Hotel übernachtet.

Diese Reise wurde unterstützt von San Francisco Travel und Wow Air.

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