Polizeiruf 110: Der letzte Akt des melancholischen Hanns von Meuffels
Redakteur Christian Kunst hat sich den letzten „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt angeschaut. Sein Urteil: ein sehenswerter Abschied des Hanns von Meuffels.
Dieser letzte „Polizeiruf“ mit dem großartigen Matthias Brandt ist düster, verregnet, aber auch komisch, wortwitzig, cool, knallhart. Eine Frau wird auf dem Gelände eines Autokinos vor den Augen ihrer siebenjährigen Tochter erschossen. Kaltblütig. Das Mädchen kann fliehen. Doch der starke Regen verwischt alle Spuren. Der Täter bleibt unerkannt. Die Ermordete war sozialpädagogische Gutachterin, streitsüchtig, tablettenabhängig, angstgestört und bei Kollegen verhasst. Neben der Leiche werden Gruppensexbilder aus einem Swingerklub gefunden. Deren Betreiber erkennen den geschiedenen Ehemann der Toten, Jochen Fahrenholz, auf den Bildern wieder. Auch die Ermordete kennen sie. Beide haben offenbar um das Sorgerecht der Tochter gekämpft – mit harten Bandagen. Als dann auch noch die gemeinsame Tochter und einzige Zeugin des Mordes ihren Vater als Täter identifiziert, scheint der Fall für von Meuffels neue Kollegin Micoud gelöst.
Doch von Meuffels zweifelt – bittet Constanze Hermann um Hilfe, die ihn schon zweimal bei der Lösung von Fällen unterstützt hat. Warum sollte der Täter ohne Not ihn entlarvende Bilder am Tatort zurücklassen? Warum schießt er auf die Tochter, für die er das Sorgerecht erstreiten will? „Die Welt ist nicht immer so wie um 20.15 Uhr“, sagt der Kommissar zu seiner neuen Kollegin. „Ich schaue kein Fernsehen“, entgegnet Micoud. Das Drehbuch von Christian Petzold ist gespickt mit solch selbstironischen Dialogen, die Matthias Brandts Ausstieg aus dem „Polizeiruf“ kommentierend anbahnen.
Petzold, mit dem Brandt schon im Meisterwerk „Wölfe“ in der „Polizeiruf“-Reihe zusammengearbeitet hat, versteht es, die Figur des Hanns von Meuffels in all seiner tragisch-schönen Form auszumalen. Mal zeichnet er den Kommissar minimalistisch, mal komisch, dann aufbrausend-cholerisch. Es ist ein Vergnügen, den beiden, Charakterschauspieler Brandt und dem schon als Kultregisseur zu bezeichnenden Petzold, bei der Arbeit zuzuschauen – wie sie aus dem einst eher bräsigen „Polizeiruf“ eine feine Fernsehfilmreihe gemacht haben, in der Darsteller, Musik und Dialoge sorgsam austariert sind. Schade, dass dies nun zu Ende geht.
Und doch zeigt dieser „Polizeiruf“ auch Schwächen: Die melancholische Musik – unter anderem Samuel Barbers Streichquartett Molto adagio – erklingt dann doch etwas häufig, fast trieft es. Auch manch missmutigen Moment des Hanns von Meuffels hätte sich Petzold schenken können. Doch vielleicht ist dieser Charakter, den Brandt so perfekt verkörpert, – wie sagt man – retardierend. Von Meuffels verzögert das Drama des Lebens, der Geschichte, der Zeit. Er bäumt sich gegen all das Neue da draußen auf. Und vielleicht ist es jetzt Zeit loszulassen. Oder wie es Matthias Brandt so schön sagt: „Es war eine erlebnisreiche Zeit und ich bin glücklicherweise auch traurig, dass sie nun zu Ende ist.“