Kim-Anne Jannes nimmt Kontakt zu Verstorbenen auf

Im Interview spricht Kim-Anne Jannes über die RTL-Sendung „Das Medium“ und ihre Fähigkeiten.

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Autorin, Sterbe- und Trauerbegleiterin Kim-Anne Jannes tritt am Sonntag in der RTL-Sendung „Das Medium“ auf. Gleich zu drei Verstorbenen wird sie dann sprechen. Im Interview spricht sie über ihre Fähigkeiten als Medium.

Was erwartet den Zuschauer in der Emotainment-Doku „Das Medium“?

Kim-Anne Jannes: Menschen, die eine geliebte Person durch Tod verloren haben, werden vorgestellt und absolvieren später eine Sitzung mit mir. Ich nehme dann Kontakt auf zu dem Verstorbenen und bin quasi so etwas wie ein Dolmetscher.

Was genau ist, bzw. macht ein Medium?

Ein Medium nimmt Bilder oder Gefühle eines Verstorbenen auf und bringt sie dann durch die Sprache einfach verständlich zum Ausdruck. Es ist wie eine Art dolmetschen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, nur in Form von Bildern und Gefühlen und manchmal auch in Form von Gedanken. Ich setze dazu alle meine Sinne ein und nehme über sie die Verstorbenen wahr. Das ist auch der Grund, warum theoretisch jeder Mensch diese Kontakte herstellen könnte, denn jeder kann fühlen und hat Sinneswahrnehmungen. Es ist so gesehen also gar nichts Besonderes, sich mit Verstorbenen auszutauschen. Ich unterscheide mich lediglich in der Intensität oder der Schnelligkeit der Wahrnehmung von anderen Menschen. Der Rest kommt durchs Üben und eine Portion Talent. Am besten kann man es an einem Sportler erklären. Jeder kann laufen, aber einer läuft schneller, weil er eben Talent hat und viel übt und genauso ist das mit der Verbindung zum Jenseits.

Was hat Sie dazu bewegt, für „Das Medium“ vor die Kamera zu treten?

Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschen die Angst vor dem Tod verlieren, denn genau genommen gibt es keinen Grund, sich davor zu fürchten. Der Mensch stirbt leichter, wenn er keine Angst mehr hat und weiß, dass die Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits eine Illusion ist. Und außerdem lebt es sich besser, wenn man den Tod als Teil des Lebens akzeptiert hat.

Können Sie mit jedem Verstorbenen Kontakt aufnehmen, egal, wer das ist?

Grundsätzlich ja, aber mir persönlich ist es wichtig, dass die Angehörigen damit einverstanden sind.

Und auch zu jeder Zeit?

Ja. Es gibt manchmal Verstorbene, die keine Lust haben, aber sie erklären mir dann auch, warum das so ist. Und es sind immer gute Gründe. Einmal kam eine Frau zu einer Sitzung. Sie kam rein, setzte sich hin und sagte ohne Begrüßung in einem ziemlich barschen Ton: ‚So, da soll mein Mann uns mal erklären, wie das jetzt laufen soll, jetzt, wo er tot ist. Wie hat er sich vorgestellt, wie wir nun klar kommen sollen?’ Der verstorbene Mann stand neben mir und sagte: ‚Ich geh wieder. Das ist ja wie zu Lebzeiten'. Ich sagte ihm, dass ich das verstehen könne, aber es schön wäre, wenn er mir noch sagen würde, was ich nun seiner Frau mitteilen solle.’ Aber er sagte: ‚Nee, ich hab keine Lust mehr.’ Ich entschloss mich, es genauso zu sagen, wie es war: ‚Entschuldigung, Ihr Mann war da, aber er ist gerade wieder gegangen. Ihm hat die Begrüßung nicht gefallen.’ Da war sie natürlich noch beleidigter. Irgendwie muss man in solchen Situationen auch noch sensibel und diplomatisch sein, denn die Tochter saß daneben und der war das Ganze total peinlich. Am Schluss kam der Mann doch noch mal zu mir, um seiner Tochter etwas mitzuteilen. Das meinte ich vorher mit guten Gründen, wenn ein Verstorbener keinen Kontakt möchte. Ansonsten sind sie eigentlich recht auskunftsfreudig. Ich habe auch schon erlebt, dass die Angehörigen lediglich wissen wollten, wie die Nummer des Schweizer Bankkontos lautet. Es ist schon erschreckend, wenn dies das Einzige ist, was bleibt. Auf der anderen Seite hat der Verstorbene wahrscheinlich auch dazu beigetragen, dass es so ist. Es gehören schließlich immer zwei dazu.

Ist es nicht manchmal sehr anstrengend, immerzu Verstorbene zu hören?

Wenn man sie immer wahrnehmen würde, dann schon. Aber genau darum habe ich mich ausbilden lassen, um verschiedene Techniken diesbezüglich zu erlernen. Ich habe quasi einen Schalter, mit dem ich diese Gedanken und Gefühle an- und ausstellen kann.

Das hört sich so einfach an...

Ja, ist es auch. Man baut sich in seiner Vorstellung einfach eine Schaltervorrichtung, die man ein- und ausschalten kann. Es ist letztendlich einfach nur eine Entscheidung, das zu tun. Es ist wie bei einem Arzt, der abends aus seiner Praxis geht und sagt: ‚So, ich schließe ab, die Sprechstunde ist vorbei.’ Und morgens kommt er wieder in seine Praxis und ist wieder ansprechbar. So ist es auch bei mir. Es gibt Sprechzeiten und daran müssen sich auch die Verstorbenen halten.

Inwieweit berühren Sie die Schicksale auch persönlich?

Diese Schicksale berühren mich alle. Ich fühle mit und nehme Anteil, aber ich leide nicht mit, weil ich eine gesunde Grenze habe. Die braucht man auch, sonst könnte ich diese Arbeit nicht professionell machen. Es ist wichtig, bei sich zu bleiben, denn sonst ist man den Trauernden keine Hilfe. Aber es beeindruckt mich immer wieder zutiefst, was Menschen für Geschichten haben.

Passiert es Ihnen, dass Sie einer wildfremden Person begegnen und plötzlich Emotionen und Bilder empfangen?

Inzwischen nicht mehr, weil ich mich abgrenzen kann. Ich mache den Schalter aus und dann bin ich privat und sozusagen offline. Dann können die Verstorbenen überall herumstehen, das blende ich aus und dann nehme ich sie auch nicht mehr wahr. Früher ist mir das hin und wieder passiert, aber genau diese Erfahrungen waren notwendig, um zu lernen, wie wichtig es ist, eine gesunde Grenze zu haben.

Wurden Sie aufgrund Ihrer Gabe schon einmal angefeindet?

Nein, noch nie. Ich bin selber erstaunt darüber. Ich hatte das eigentlich erwartet, doch es ist nie passiert, eher im Gegenteil. Auch die Skeptiker sind immer sehr nett. Nach Gesprächen sagen sie häufig zu mir ‚Naja, Frau Jannes, bei Ihnen ist das ja irgendwie anders, aber der Großteil der Leute, die angeblich Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen, sind sehr sonderbar’. Dann antworte ich, dass ich das auch so wahrnehme.

Ist es schon vorgekommen, dass z. B. eine Witwe Sie noch ein zweites Mal gebeten hat, Kontakt zu ihrem Mann aufzunehmen?

Ja, es gibt Leute, die kommen zwei oder drei Mal. Dann werden meist noch andere Dinge besprochen, die beim ersten Mal keinen Raum hatten. Ich versuche, mich möglichst schnell überflüssig zu machen. Das heißt, ich versuche meine Arbeit so gut zu machen, dass die wichtigsten Dinge in einer Sitzung besprochen werden und die Menschen wieder zur Ruhe kommen. Denn wenn Menschen solche Sitzungen zu oft in Anspruch nehmen, dann besteht die Gefahr der Abhängigkeit und das ist nicht Sinn solcher Hilfestellung. Nun gibt es natürlich sehr komplexe Geschichten, sehr verwickelte Geschichten, bei denen der Verstorbene mithelfen kann. Wenn sich zum Beispiel eine Witwe nie um den ganzen Schreibkram gekümmert hat und jetzt nicht weiß, wo die Dokumente sind, dann kommt es vor, dass mir der Verstorbene erklärt, wo sich die wichtigen Papiere zu Hause befinden und was zu tun ist. Es ist quasi Hilfe zur Selbsthilfe.

War Ihr Talent, mit Verstorbenen in Kontakt zu treten, schon einmal ein Fluch für Sie?

Ich habe immer mit dieser Gabe gelebt, aber es nie als etwas Besonderes empfunden, weil ich als Kind davon ausgegangen bin, dass das jeder kann. Als ich 16 Jahre alt war, begann eine sehr prägende Zeit für mich, denn es gab in den folgenden zwei Jahren in meinem Familien- und Freundeskreis sehr viele Todesfälle. Mein Vater starb, mein bester Freund brachte sich um, meine Oma verabschiedete sich, usw. Obwohl es eine schwierige Zeit für mich war, war ich nicht unter Schock. Ich wollte einfach nur verstehen, warum die Todesfälle so geballt auftraten und mit dieser Frage brachte ich meine spirituelle Entwicklung ins Rollen. Ich merkte plötzlich ganz bewusst, dass meine Wahrnehmung anders ist als die der anderen. Und das war für mich am schwierigsten. Ich konnte mich nun gar nicht mehr mit anderen Teenies vergleichen und sie befassten sich mit Dingen, die mich irgendwie nicht wirklich interessierten. Ich hatte plötzlich verschiedenste Wahrnehmungen, Vorahnungen und sah dunkle Energiewolken, wenn sich Menschen stritten. Ich beschloss, diese Dinge lieber für mich zu behalten, weil ich niemanden verunsichern wollte. Ich probierte alleine verschiedene Sachen aus und merkte, dass ich tatsächlich anders war. Ziemlich anders sogar. Es war für mich ganz schwer, das als heranwachsender Mensch zu akzeptieren. Die anderen haben von diesem Prozess nicht viel mitbekommen und so war ich für die meisten ein ganz normaler Jugendlicher.

Sie wurden auch nie gehänselt?

Nein, nie. Ich war immer beliebt, habe aber nie zu einer bestimmten Clique gehört und das wollte ich auch gar nicht. Ich habe Leistungssport gemacht und dadurch hatte ich meine eigene Welt. Ich war meistens in der Sporthalle und habe trainiert. Dort lernte ich auch die nötige Disziplin, die mir heute bei meinem Beruf sehr hilft.

Sie haben diese Gabe aber eine zeitlang unterdrückt?

Ja, so ungefähr mit 18 Jahren bis ich 25 war. Ich dachte ‚Das versteht ja sowieso kein Mensch’. Ich wollte so sein, wie jeder andere junge Mensch und habe es schließlich weggeschoben und versucht zu ignorieren. Aber von diesem Zeitpunkt an begannen lauter chronische Krankheiten. Ich war ständig krank oder verletzt.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, dass Sie mit 25 gesagt haben: ‚So, jetzt stelle ich mich dem Ganzen´?

Ja. Dazu muss ich erwähnen, dass ich inzwischen mit einem Bestatter verheiratet war. Wir führten Gespräche, die ich mit anderen nicht führte. Wir trauten uns beide, uns zu öffnen und über unsere Wahrnehmungen bezüglich des Sterbens und des Todes zu sprechen. Er verstand mich und meine Art wahrzunehmen. Ich konnte mich weiter entwickeln, ohne dass ich für verrückt erklärt wurde. Diesen Mann hat mir wirklich der Himmel geschickt. Es war so eine Wohltat, endlich frei darüber sprechen zu können. Und dadurch war alles schlagartig wieder da. Meine Gabe zeigte sich, als wäre sie nie weg gewesen. Als wir beide auf unserem vorgezeichneten Weg waren, spürten wir, dass unser gemeinsamer Weg als Paar langsam zu Ende ging. Und so trennten wir uns sehr friedlich und respektvoll. Wir haben heute noch Kontakt und es ist immer schön, vom anderen zu hören.

Sie haben inzwischen zwei Töchter. Ist dieses Talent erblich?

Es ist sicherlich erblich, aber ich stehe auf dem Standpunkt, dass meine Kinder selbst entscheiden müssen, ob sie solch eine Arbeit tun wollen oder nicht. Diese Arbeit ist mit einer Menge Hingabe verbunden und es ist eine schöne Arbeit, aber man muss auch etwas dafür tun. Man braucht unglaublich viel Disziplin und man muss sehr viel an sich arbeiten. Ich habe keine Ahnung, ob meine Kinder das wollen.

Haben Sie diese Gabe von Ihrer Mutter oder Ihrem Vater geerbt?

Ich habe es von meiner Ur-Oma mütterlicherseits. Ich habe allerdings erst von ihrer Gabe erfahren, als ich diesen Beruf schon ausübte. Ich dachte die ganze Zeit, ich wäre die einzige in der Familie, mit solch einem Talent. Allerdings habe ich Talente von meinen Eltern geerbt, die mir die Arbeit, so wie ich sie mache, erst ermöglichen.