Erfurt

Gericht schränkt Kirchenrechte ein: Katholisches Klinikum durfte Chefarzt nicht kündigen

Gericht schränkt Kirchenrechte ein Foto: dpa

Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechte der Kirchen als Arbeitgeber weiter eingeschränkt. Die Richter erklärten die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf wegen dessen Scheidung und Wiederheirat für nicht rechtmäßig. Dem Chefarzt war 2009 fristlos gekündigt worden, weil die Kirche in seiner zweiten standesamtlichen Hochzeit einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß sah. Laut Urteil wurde der Mediziner damit gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt, bei denen eine Wiederheirat kein Kündigungsgrund wäre.

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Mit seinem Urteil rüttelt das Gericht unter Verweis auf europäisches Recht am Sonderstatus von Kirchen als Arbeitgeber. Für sie ist im Grundgesetz ein Selbstbestimmungsrecht verankert. Das wirkt sich auch auf ihre Position als Arbeitgeber aus. So darf die Kirche von ihren Mitarbeitern ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen. Dem Urteil zufolge können Kirchen aber an Angestellte keine unterschiedlichen Anforderungen aufgrund von Religionszugehörigkeiten stellen. Ausnahmen sind möglich, wenn sich diese Erwartungen als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderungen darstellen (2 AZR 746/14).

Das katholische Krankenhaus hatte dem katholischen Chefarzt fristlos gekündigt, nachdem sich der Mann hatte scheiden lassen und zum zweiten Mal standesamtlich geheiratet hatte. In der standesamtlichen Hochzeit sah der Arbeitgeber einen Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre – und damit gegen Loyalitätspflichten des Dienstvertrags. Der Chefarzt sah in der Kündigung hingegen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn nach der 1993 vom Kölner Erzbischof erlassenen Grundordnung seines Dienstvertrags wäre eine solche zweite Heirat kein Kündigungsgrund für nicht katholische Chefärzte der Klinik. Das Kölner Bistum kündigte bereits an, das Urteil und mögliche Konsequenzen intensiv prüfen zu wollen.

Tatsächlich geht der Streit seit gut zehn Jahren durch die Instanzen: darunter Arbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen, das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt musste sich nun zum dritten Mal mit dem Fall beschäftigen. Zuvor hatte im September vergangenen Jahres bereits der EuGH auf die Ungleichbehandlung verwiesen. Er machte Zweifel deutlich, inwiefern die Einhaltung des katholischen Eheverständnisses in dem Fall tatsächlich eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Die Kirchenseite machte in der Verhandlung am Mittwoch einen Konflikt zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Recht der Europäischen Union geltend. Dieser Auffassung widersprachen die Erfurter Richter: „Das Unionsrecht darf die Voraussetzung, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten.“ Die Erfurter Richter sahen auch mit Blick auf extra für Kirchen eingeräumte Ausnahmen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz keinen Grund, der die Benachteiligung des Chefarztes aufgrund seiner Religionszugehörigkeit im konkreten Fall rechtfertigte. Zudem sei die Anwendung des katholischen Eheverständnisses im Hinblick auf die Art der Tätigkeit des Mediziners und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Das Urteil sei überfällig und wegweisend, sagte Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand. „Es schafft mehr Gerechtigkeit für Arbeitnehmer in kirchlichen Betrieben.“

Die katholische Kirche hat indessen das Arbeitsrecht überarbeitet – auch unter dem Druck, dass sie qualifizierte Arbeitskräfte eigentlich dringend benötigt. Seit 2015 gilt die liberalere Regelung, dass Scheidung und Wiederheirat nicht mehr zwingend zur Kündigung eines kirchlichen Arbeitsverhältnisses führt. Das strengere Recht findet in der Regel nur noch bei pastoralen Berufen Anwendung, die in der direkten Verkündigung stehen – also zum Beispiel bei Pastoralreferenten. Dort verweist die Kirche auf die Vorbildfunktion. Jeder Bischof kann allerdings selbst entscheiden, ob er das liberalere Arbeitsrecht in seinem Bistum umsetzt oder nicht. In unserem Verbreitungsgebiet haben alle Bischöfe die liberaleren Regelungen umgesetzt. dpa/md