Hannover/Sayn

Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein: Wie echt ist die AfD-Landesfürstin?

Von Ursula Samary
Eine echte Fürstin ist Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein nicht, die kurzzeitig beim AfD-Bundesparteitag in Hannover triumphierte, sagt der echte Fürst, Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, unserer Zeitung.
Eine echte Fürstin ist Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein nicht, die kurzzeitig beim AfD-Bundesparteitag in Hannover triumphierte, sagt der echte Fürst, Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, unserer Zeitung. Foto: dpa

Wer ist eigentlich die Frau, die sich als Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein (63) vorstellt, der bei der Vorstandswahl nur eine einzige Stimme zum großen Coup bei der AfD fehlte und die zum Lager um den Rechtsaußen Björn Höcke gezählt wird? Jedenfalls „ist sie keine Fürstin. Sie trägt nur den Namen“, sagt der echte Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn in Bendorf-Sayn gegenüber unserer Zeitung. Die Frau, die seit Juli 2017 Landessprecherin der AfD Schleswig-Holstein ist, ist seines Wissens nach früher als Rechtsanwältin Doris Ulrich im Raum Heidelberg tätig gewesen.

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Als sie 2016 im Norden AfD-Beisitzerin wurde, meinte Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe in einem vom „Focus“ zitierten Facebook-Eintrag ironisch: „Ich bin hoch erfreut, feststellen zu dürfen, dass eine der 64 (glaube ich) Adoptivstapler(innen) des in der echten Linie ausgestorbenen, nur noch durch im Erwachsenenalter adoptierten beziehungsweise daraufhin geehelichten oder geborenen Personen repräsentierten ‚Zweigs‘ der Familie Sayn-Wittgenstein (der am ‚von‘ erkennbar ist; alle anderen ‚zu‘) es bis in den Schleswig-Holsteinischen Landesvorstand der AfD gebracht hat.“ Für den Liberalen zeigte sich beim falschen Anschein: „So wächst zusammen, was zusammengehört: Die Partei, die uns sinngemäß täglich etwas von kulturfremden Sozialparasiten erzählt, hebt eine Person in verantwortliche Stellung, die parasitär an einer Kultur und Tradition andockt, mit der sie nichts zu tun hat.“

In Sayn muss Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn zudem auch leidvoll erfahren, wie häufig er Briefe von Menschen beantworten muss, die Opfer von Betrügereien wurden und dabei Täter bezichtigen, die allesamt seinen Namen tragen, „aber allesamt nicht mit uns verwandt sind und nicht zum fürstlichen Haus gehören“.

Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn
Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn
Foto: picture alliance
Aus Annoncen in Zeitungen und im Internet weiß er seit Jahren, dass der Name von Sayn-Wittgenstein mit bis zu 300.000 Euro angeboten wird. Inzwischen würden ihn mehr als 60 Personen tragen. Die Anwältin Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein hat der „Bild“ erklärt: „Der Adel ist abgeschafft. Aber ich trage meinen Namen zu Recht. Es ist mein Geburtsname, das wurde von Gerichten bestätigt.“

Das Adelsarchiv gibt Auskunft zu echten Fürstinnen und Prinzen

Den Hintergrund dieser Aussage erklärt der echte Fürst in Sayn mit dem deutschen Adoptionsrecht: „Wird ein Erwachsener adoptiert, erlischt der alte Namen in allen Papieren bis zur Geburtsurkunde.“ Deshalb tauche die frühere Doris Ulrich seit Jahren nur noch als Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein auf, weil sie den Namen erworben habe – aber eben nicht den Titel eines Adelshauses. Dagegen kann er sich nicht schützen – wie auch Verbraucher kaum vor Verwechslungsgefahr oder gar Täuschung sicher sein können.

Auf seiner Internetseite warnt Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn schon seit Jahren, „dass mit Ausnahme der Fürstin Elisabeth Gertrud von Sayn-Wittgenstein aus Passau sämtliche heute in der Öffentlichkeit auftretenden Fürsten und Fürstinnen von Sayn-Wittgenstein diesen Namen nicht seit ihrer Geburt tragen. Ausnahme: deren nach der Namensänderung geborenen Kinder.“ Er nennt auch etliche gerichtsfeste Entscheidungen zu Betrügereien und gibt den Rat: Wer wissen will, ob er es mit echten Prinzen oder Fürstinnen zu tun hat, kann sich ans Deutsche Adelsarchiv in Marburg wenden.

Die Juristin mit der aggressiven Diktion ist vielen zu radikal

Jener verarmten echten Fürstin Elisabeth Gertrude soll übrigens der gute Namen für dubiose Geschäfte abgeschwatzt worden sein, ohne dass sie sich selbst damit sanieren konnte. Zum Schutz der eigenen Familie verfolgt das Oberhaupt der Adelsfamilie in Sayn, was andere in seinem Namen treiben – das ist sein gutes Recht, wie ein Gericht feststellte, als sich der eine oder andere darüber ärgerte und klagte.

Jene Doris von Sayn-Wittgenstein hat es jedenfalls geschafft, sich schlagartig bundesweit bekannt zu machen. Ihr eigener Landesverband reagierte auf ihre Kandidatur als Co-Vorsitzende beim Bundesparteitag der AfD mit Überraschung bis Entsetzen, weil die Juristin mit der aggressiven Diktion vielen als zu radikal gilt, wie Spiegel online schreibt. Dabei wird Hasso Füsslein, Kreisvorsitzender aus Herzogtum Lauenburg, zitiert, der zur Kandidatur meinte: „Damit senden wir ein verheerendes Signal an bürgerliche Wähler.“ Aber in Hannover traf die AfD-Landesfürstin am Wochenende zumindest zeitweise den Nerv und den Ton, den mindestens die Hälfte der Delegierten in einer Partei mit ihrer Zerreißprobe hören wollte – sie beschwor Patriotismus und Nationalstaat. Nach dem knapp verpassten Coup an der Spitze kam die AfD-Frau allerdings in keine anderen Vorstandsämter. Da hatte sie für Höcke wohl schon ihre Dienste getan: An der Spitze sind mit Jörg Meuthen und Alexander Gauland ohnehin nun zwei Männer, die sich schützend vor den Rechtsaußen Höcke stellen und gegen seinen Parteiausschuss sind.

Von unserer Chefreporterin Ursula Samary