Riesige Vorhaltekosten, aber nur 1500 Euro pro Kind Erlös - Hebammen nicht im Pflegebudget
Zu hohe Kosten: Sorge um die zwei Geburtskliniken im Westerwald
Im Westerwaldkreis gibt es noch an den Krankenhäusern in Dernbach und Hachenburg Geburtsstationen. Dort – hier ein Blick in den Kreißsaal in Hachenburg – werden jährlich insgesamt 1400 Kinder geboren. Doch die Häuser können in dem Bereich nicht kostendeckend arbeiten.
Röder-Moldenhauer

Die aktuelle Situation der Geburtshilfe im Westerwald sowie die Perspektiven für die beiden Geburtsstationen in Dernbach und Hachenburg waren aktuell das Thema in der Reihe „Impulse digital“ der CDU-Kreistagsfraktion. Denn riesige Vorhaltekosten bereiten den Kliniken finanzielle Probleme.

Im Westerwaldkreis gibt es noch an den Krankenhäusern in Dernbach und Hachenburg Geburtsstationen. Dort – hier ein Blick in den Kreißsaal in Hachenburg – werden jährlich insgesamt 1400 Kinder geboren. Doch die Häuser können in dem Bereich nicht kostendeckend arbeiten.
Röder-Moldenhauer

In der Online-Runde wurde deutlich, dass die beiden Stationen mit im Vergleich zu großen Kliniken relativ kleinen Geburtenzahlen (etwa 600 pro Jahr im Herz-Jesu-Krankenhaus in Dernbach und rund 800 im DRK-Krankenhaus in Hachenburg) nur mit viel gutem Willen von den Trägern erhalten werden können, aber für die wohnortnahe Versorgung der Schwangeren immens wichtig sind.

Von den Kliniken auskömmlich betrieben werden können die Westerwälder Geburtsstationen nicht, machte der Dernbacher Ärztliche Direktor Christoph Lerchen deutlich: „Siebenstelligen Vorhaltekosten steht pro Geburt ein Erlös von 1500 Euro entgegen.“ So sei eine Forderung, die Hebammen ins Pflegebudget zu übernehmen, immer noch nicht erfüllt.

40-Minuten-Regelung ist „illusorisch“

Lerchen sowie die Hachenburger Gynäkologen und Geburtshelfer Chefarzt Fadi Mohammad und Leitender Arzt Dr. Veli Saz wiesen in der Runde darauf hin, dass beide Kliniken keinen Sicherstellungsbonus des Staates bekommen. Diesen gäbe es erst, wenn andere Geburtskliniken mehr als 40 Minuten Fahrzeit vom Wohnort der Schwangeren entfernt sind.

Diese 40 Minuten seien aber gerade im Winter im Westerwald oft illusorisch, kritisierte auch die Hebamme Tanja Pertinac. „Die 40-Minuten-Regelung bis zum nächsten Krankenhaus mit Geburtshilfe sei vom Bundesausschuss in Berlin als vertretbar festgelegt worden“, erläuterte Groß: „Aber diese Regel entbehrt wissenschaftlichen Grundlagen.“

Wie ihre Kolleginnen Christine Rebmann und Lisa Helmis, die auch Kreisvorsitzende des Hebammenverbandes ist, betonte Pertinac, dass bei 600 oder auch 800 Geburten jährlich eine ortsnahe, liebevolle und freundliche Betreuung für Mütter und Säuglinge gewährleistet ist. In großen Kliniken mit 2000 und mehr Geburten gerade eine persönliche Betreuung schnell ins Hintertreffen und Stress und Anonymität nähmen zu. Pertinac sagte, dass man sich nur mal die Situation in Limburg anschauen muss, wo die Geburtshilfe zusätzlich für mittlerweile fünf geschlossene frühere Geburtsstationen zuständig ist.

Die Zahl der Geburtsstationen in Rheinland-Pfalz haben sich im letzten Jahrzehnt mehr als halbiert

Die gute Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen Hebammen, Ärzteschaft und Pflegepersonal gerade in kleineren Häusern hob Martina Denter, Abteilungsleiterin der Hachenburger Geburtshilfe, hervor. Wichtig sei auch die verlässliche Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen innerhalb der Krankenhäuser, wie mit der OP-Abteilung und der Anästhesie hervor.

Landtagsabgeordnete Jenny Groß, die vor Kurzem selbst Mutter geworden ist, berichtete, dass sich die Zahl der Geburtsstationen in Rheinland-Pfalz im letzten Jahrzehnt mehr als halbiert habe: von 52 auf 23. Für Erstaunen sorgte ihre Mitteilung, dass 98 Prozent der Entbindungen in Krankenhäusern stattfinden. Dr. Lerchen betonte auch die hohe ethische Verpflichtung, die Geburtsstationen trotz aller Kosten zu erhalten: „Wir haben bei der Geburtshilfe nicht nur eine lange Tradition, sondern auch von unserem Auftrag her die Verpflichtung, uns vom Anfang bis zum Ende um die Menschen zu kümmern. “Das sei mittlerweile sehr schwierig geworden.

Die an der Videokonferenz Teilnehmenden waren sich einig in der Forderung, dass die Geburtsstationen im ländlichen Raum eine deutlich höhere finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes und des Bundes erhalten müssen. Jenny Groß versprach, dass sich die heimischen Christdemokraten auch weiterhin für die Westerwälder Geburtsstationen in Hachenburg und Dernbach einsetzen werden. „Wir sind froh und dankbar, dass dort engagierte und hilfsbereite Personen tätig sind. Wir müssen auch Hebammen, Gynäkologie und Kinderheilkunde mit der Geburtshilfe gemeinsam Denken. Als CDU-Kreistagsfraktion sind wir auch zukünftig gerne ihr Gesprächspartner und setzen uns ein.“

„Eine Lage wie im Moment habe ich bis vor anderthalb Jahren noch nie erlebt“, erklärte die erfahrene Hebamme Pertinac. „Die ist hochdramatisch, es muss ganz schnell gehandelt werden.“ Sie habe schon Schwangere am Telefon erlebt, die weinend fragten, ob sie überhaupt zur Entbindung kommen dürften.

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