Von unserer Redakteurin Nadja Hoffmann-Heidrich
Schon früh hat er im heimischen Büro in seinem Haus in Nisterau mit der Arbeit begonnen. Wirtschaftspläne müssen erstellt, öffentliche Bekanntgaben verfasst, Verträge geschlossen, Mitarbeiter einge- und Aufträge erteilt werden. Esper ist seit 33 Jahren staatlicher Förster im Revier Kirburg, das acht Ortsgemeinden und einen Kirchenwald in der VG Bad Marienberg umfasst. Viel zu tun also für den Familienvater.
Espers Eigenheim ist auch Anlaufstelle
Am Hause Esper hängt gut sichtbar ein Schild mit dem Hinweis „Försterei“. Und tatsächlich verschwimmen an diesem Punkt Privat- und Berufsleben miteinander, denn das gemütliche Eigenheim ist gleichzeitig auch Anlaufstelle für Angelegenheiten rund um den Dienst des 57-Jährigen. Am großen Küchentisch aus heimischem Holz wurde schon so manches „Forstgespräch“ geführt. Auch mein eintägiger „Einsatz“ im Revier beginnt an dieser Stelle – und ich erfahre dabei, dass sich inzwischen ein Großteil der försterlichen Tätigkeit im Büro abspielt. „Die Intensität der Arbeit in der Fläche hat nachgelassen“, sagt Esper. Auch über das Wetter reden wir gleich zu Beginn unseres Treffens. Schon am Vorabend hat sich der Förster genau über die Witterung informiert, denn die ist für die Art der geplanten Arbeiten wichtig.
Nachdem Otmar Esper allerdings seine buchhalterischen und administrativen Aufgaben für diesen Tag (vorerst) abgeschlossen hat, geht es für die nächsten Stunden im geländegängigen Pkw hinaus in den Wald. Mit dabei haben wir, neben den notwendigen Unterlagen, unter anderem eine Kluppe. Mit diesem Messgerät muss Esper heute noch die Durchmesser etlicher Bäume ermitteln, die gefällt und verkauft werden sollen. Der Durchmesser ist dabei ein wichtiges Indiz für den Wert des Gehölzes.
Stämme werden markiert
Doch zunächst treffen wir auf Forstwirt Stefan Weber, der sich gerade um die Holzaufnahme kümmert und dem wir nun ein wenig zur Hand gehen. Eine Spezialfirma hat gefällte Stämme am Waldweg zu Stapeln getürmt. Diese werden jetzt mehrfach gekennzeichnet und gegen Diebstahl gesichert. So wird mit pinker Sprühfarbe zunächst der Eigentümer aufgetragen – in dem Falle die Ortsgemeinde Lautzenbrücken. Zudem wird mit einem speziellen Hammer ein Kunststoffplättchen mit einer ID-Nummer aufgeschlagen – diesen Part darf ich heute übernehmen. Darüber hinaus werden die Stapel mit dem Zollstock gemessen und die Werte in eine Tabelle übertragen. Später wird der Bestand per GPS erfasst, sodass der Kunde genau weiß, wo er sein Holz abholen kann.
Bei der Holzernte oder anderen Tätigkeiten kann es im Wald auch schon mal richtig stressig werden, am heutigen Tag jedoch bietet der Forst eine ruhige und wohltuende, beinahe idyllische Umgebung, die für ein entspanntes Arbeitsklima sorgt. „Gute Kommunikation unter den Kollegen ist ganz wichtig. Man muss sich aufeinander verlassen können, denn bei der Forstarbeit gibt es auch gefährliche Situationen“, betont Esper. „Arbeitsschutz ist daher ein wichtiges Thema, denn ich möchte, dass abends alle gesund nach Hause gehen.“
Nasse Waldböden bereiten Probleme
Probleme bereitet dem Revierförster aktuell, bedingt durch den regnerischen Frühling und Sommer, der nasse Waldboden. An manchen Stellen ist zurzeit keine Holzentnahme möglich, da die dafür nötigen schweren Fahrzeuge und Geräte den matschigen Untergrund zu sehr beschädigen würden. Und so geht unsere Fahrt an diesem Vormittag weiter zu einer trockeneren Stelle am Rande von Lautzenbrücken – zum Auszeichnen von Bäumen, die geschlagen werden sollen. Wir lassen das Auto stehen und begeben uns zu Fuß ins Dickicht, in das kein Weg mehr führt. Mit seiner ganzen Erfahrung, Kompetenz und Routine erkennt Esper jetzt sofort, welche Stämme als „zu fällend“ gekennzeichnet werden. „Bei der Auswahl will ich Gutes fördern und Schlechtes aussortieren“, erklärt er. Das Messen mit der Kluppe und das Auszeichnen der Bäume gehören zu Espers Kernaufgaben, die er mehrmals die Woche erledigen muss.
„Vor meinem inneren Auge habe ich einen Gesamtplan, wie jeder Waldbereich in ein paar Jahren aussehen soll, welche Baumarten dort stehen sollen, was angepflanzt wird. Diese Aufgabe gehört zu den etwa zehn Prozent an Kreativität, die ich in meinem Beruf aufbringen kann. Hier kann ich mitgestalten. Der Rest ist Abarbeiten von Standards“, erklärt der Förster, der, wie er selbst sagt, an der Mosel als echtes Wald- und Wiesenkind aufgewachsen ist. Die zehn Prozent Gestaltungsspielraum genügen, um ihn täglich für den Beruf zu motivieren – auch noch nach 33 Jahren. „Es ist der Beruf, der am besten zu mir passt und zu dem ich passe“, sagt Esper augenzwinkernd.
Mit großer Souveränität durchs Revier
Nach den vielen Dienstjahren weiß er, wovon er redet. Die Standortkenntnisse über sein Revier hat er längst verinnerlicht. Die Souveränität, mit der er sich durch das riesige Gelände bewegt, imponiert mir. Ich selbst bin mir zwischendurch nicht mal mehr sicher, in der Gemarkung welcher Ortsgemeinde wir uns gerade überhaupt bewegen. Förster, so erfahre ich von Otmar Esper, ist tatsächlich ein Beruf, der viel mit Kontinuität, Erfahrung, Geduld, gut trainierten Sinnen, Ausdauer und langem Atem zu tun hat. Alle diese Eigenschaften lassen sich durch kein Handbuch ersetzen und erst recht nicht binnen eines einzigen Tages erlernen.
Der berufstätige Mensch, so scheint es mir, passt sich hier dem Rhythmus der Natur an. Denn auch der Wald braucht Zeit. Hier wird nicht in Tagen, sondern in Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten gedacht. Ein Baum ist kein Produkt, das binnen einer Woche fertiggestellt ist. Manchmal werden Ergebnisse des eigenen Tuns erst nach fünf oder zehn Jahren sichtbar – oder auch nie, wenn beispielsweise eine Sturmkatastrophe an einem einzigen Tag die Leistung von Jahrzehnten vernichtet. Wer im Wald auf den schnellen (wirtschaftlichen) Erfolg setzt, verliert. Auch ich versuche, mich von diesem Rhythmus anstecken zu lassen und ein wenig davon mit nach Hause zu nehmen, als ich nach einigen lehrreichen Stunden das Revier und dessen Förster wieder verlasse, der seinen Arbeitstag danach noch mit Büroarbeit beschließt.
Als Förster ist Esper Verwalter von Gemeingut, kein Eigentümer, so betont er. Sein persönlicher Berufsethos, ja seine Lebensphilosophie gilt aber auch hier: „Ich möchte unseren Nachfahren einen gesunden und vielfältigen Wald hinterlassen“, sagt er. Während meines Tages an seiner Seite habe ich gemerkt, dass er diesen Grundsatz voller Leidenschaft verfolgt. Denn auch die gehört zum Förster-Sein dazu.
Förster Otmar Esper aus Nisterau ist 57 Jahre alt (was in etwa dem durchschnittlichen Alter eines rheinland-pfälzischen Revierförsters entspricht). Seit 33 Jahren leitet er das Revier Kirburg, das zwischenzeitlich zweimal umgestaltet und vergrößert wurde. Das Revier umfasst acht Gemeinden und einen Kirchenwald in der VG Bad Marienberg. Esper ist verheiratet und hat fünf Kinder (vier davon erwachsen und eines noch in Schulausbildung). Otmar Esper wurde an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg/Neckar ausgebildet – seinerzeit noch im Rahmen einer verwaltungsinternen Ausbildung zum Forstingenieur (FH). Er gehörte zum ersten Jahrgang in Rheinland-Pfalz, der nicht an einer Fachschule, sondern an einer Fachhochschule ausgebildet worden ist. Seine Hobbys sind die Imkerei und der Radsport.