Vor acht Jahren entschloss sich die 47-Jährige dazu, die Reittherapie, neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Schulkrankenschwester, ins Leben zu rufen und absolvierte eine Ausbildung zur Reittherapeutin. Ihre beiden Pferde Bella und Charly bildete sie zu Therapiepferden aus. „Bella ist schon ein alter Hase. Sie ist sehr geduldig. Mit ihr kann man wirklich alles machen, was besonders gut für die Therapiestunden mit Kindern ist. Charly ist noch etwas jünger. Er muss noch einiges lernen, macht sich aber auch schon super“, sagt Schmidt-Röth über ihre beiden Therapiepferde.
Klienten sind Kinder und Erwachsene
Neben erwachsenen Klienten, die zum Beispiel mit Depressionen oder Krankheiten wie Burnout und Multiple Sklerose (MS) zu kämpfen haben, kommen vermehrt auch Kinder zur Reittherapie der 47-Jährigen.
Darunter auch der 13-jährige Jason. Der Junge hat das Down-Syndrom und kommt zwei bis dreimal im Monat auf das Gestüt. Er macht die Therapie schon seit drei Jahren. Sein Vater ist begeistert von der Methode und merkt, dass sie seinem Sohn gut tut. „Wenn er reitet, muss er die Bewegung des Pferdes ausgleichen und das bringt ihm viel für seine eigene Körperwahrnehmung.“ Doch es ist nicht nur eine Therapiestunde, die Jason hat, sondern er lernt gleichzeitig auch etwas, da Yvonne Schmidt-Röth zum Beispiel auch das Zählen mit ihm übt. „Durch die Tiere ist die Atmosphäre zum Lernen hier natürlich auch viel angenehmer als in der Schule“, freut sich Jasons Vater.
Patienten bauen Bindung zum Tier auf
Eine Therapiestunde läuft meistens so ab, dass die Klienten das Pferd zusammen mit der Reittherapeutin fertig machen und schließlich, geführt von Schmidt-Röth, reiten. Sie drehen ihre Runden auf dem Platz oder absolvieren einen Parcours. Oft folgen für die Kinder sogar ein paar Lernspiele, oder, sofern körperlich möglich, Übungen, auf dem Pferderücken. Am Ende der Stunde dürfen die Klienten Bella und Charly noch füttern, um die Tiere für ihre Mitarbeit zu belohnen.
Auch die siebenjährige Emely gehört zu den Klienten der Reittherapeutin. Das Mädchen wurde gehörlos geboren, bekam aber vor vier Jahren das Cochlea-Implantat eingesetzt, wodurch die Siebenjährige nun wieder hören kann. Doch gerade am Anfang war es für Emely schwierig, sich an das Implantat zu gewöhnen, da sie mit Gleichgewichtsstörungen zu kämpfen hatte. Hier hat ihr die Reittherapie, die sie seit vier Jahren alle zwei Wochen besucht, sehr geholfen, wie ihr Großvater berichtet. “Durch das Reiten sind die Probleme viel besser geworden. Die Therapie ist wirklich erfolgreich. Und auch der Bezug zum Pferd ist toll. Die Kleine entwickelt so erst gar keine Angst vor den Tieren.„
Die zweijährige Leona ist erst zum zweiten Mal bei der Reittherapie. Sie bekam vor acht Wochen die Diagnose Rett-Syndrom. Die Krankheit wird durch eine Mutation eines oder mehrerer Gene verursacht, die für die Entwicklung des Gehirns erforderlich sind und führt zu einer Verschlechterung der sozialen Fähigkeiten, Verlust der sprachlichen Fertigkeiten und zu repetitiven Handbewegungen.
Schon der erste Kontakt zum Pferd bewirkt etwas
“Die Diagnose war natürlich ein Schock, aber als wir uns ein bisschen schlau gemacht haben, haben wir von der Reittherapie erfahren und gelesen, dass sie eine super Wirkung haben soll. Durch soziale Medien und dortige Bekannte haben wir dann den Kontakt nach Wengenroth bekommen. Schon nach der ersten Therapieeinheit hat die Kleine gestrahlt und man hat richtig gemerkt, wie das Reiten ihr seelisch gut tut„, berichtet Leonas Mutter, die bei den Therapiestunden zusammen mit ihrer Tochter auf dem Pferd sitzt.
Die Familie erhofft sich, dass die äußere Wahrnehmungsfunktion und die motorische Entwicklung von Leona ausgebaut oder zumindest gehalten werden können. “Wir wollen mit der Reittherapie einfach versuchen, gegen die Verschlechterung ihrer Fähigkeiten anzugehen. Außerdem glauben wir, dass die Verbindung zu den Tieren auch super wichtig und hilfreich ist„, sagt Leonas Vater hoffnungsvoll.
Krankenkasse kommt nicht für Kosten auf
Obwohl die Reittherapie eine wichtige Rolle im Leben der Klienten von Schmidt-Röth spielt, wird die Leistung nicht von der Krankenkasse übernommen und muss aus eigener Tasche bezahlt werden. “Oft gibt es aber auch Klienten, die von gemeinnützigen Vereinen unterstützt werden oder die Kosten werden durch die Pflegeversicherung im Rahmen der Verhinderungspflege übernommen„, verrät die Reittherapeutin. Die Bezahlung sei für die 47-Jährige aber zweitrangig. “Ich will den Kindern einfach nur helfen. Und dann nach und nach die Fortschritte meiner Klienten zu erleben, ist einfach toll", freut sich die Pferdeexpertin.
Was die Reittherapie bewirken kann
Die Reittherapie ist eine ganzheitliche Behandlung sowie eine dreidimensionale Therapie – sie spricht Körper, Geist und Seele gleichermaßen an. Pro Minute erhält der Reiter ungefähr 110 Bewegungsimpulse durch die Bewegung des Pferdes. Der dreidimensionale Bewegungsrhythmus des Tieres hat eine lockernde, ausgleichende und angstlösende Wirkung. Sie bietet dabei wie keine andere Behandlungsmethode, eine harmonische Fortbewegung im Raum in einem komplexen, gangphysiologisch ablaufenden Bewegungsmuster. Gleichzeitig spricht der Bewegungsrhythmus auf vielfältige Art und Weise die Wahrnehmung vom Menschen an. Außerdem soll die heilpädagogische Arbeit mit dem Pferd Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen den Umgang mit Ängsten und Frustrationen erleichtern.