Anordnung der Kabinen
Wie im Westerwald das Wahlgeheimnis gewahrt wird
Stehen die Tische mit den Wahlkabinen dicht an dicht, sodass man zur Stimmabgabe hinter den bereits Wählenden entlang gehen muss? Dieses Archivfoto aus einem Wahllokal in Selters gibt keinen eindeutigen Aufschluss. Die lokalen Wahlvorstände sind in jedem Fall dafür verantwortlich, dass eine geheime Wahl möglich ist.
Archiv Camilla Härtewig

Das Recht auf freie und geheime Wahl macht Demokratie aus. Das wirkt sich auch darauf aus, wie Wahllokale möbliert werden. So ist es ein Unding, wenn Wahlkabinen nur zu erreichen sind, indem man hinter Menschen mitten in der Stimmabgabe herläuft.

„Bei der letzten Wahl konnte ich aufgrund des hohen Andrangs im Wahllokal nicht unbeobachtet wählen.“ Das schrieb uns eine Leserin aus der Verbandsgemeinde Wirges und begründete ihren Eindruck so: „Die Wahlkabinen sind hinten offen, jeder weitere Wähler muss hinter den sitzenden Wählern vorbeigehen und kann bequem diesen über die Schulter beim Ankreuzen zusehen.“ Daran knüpft sie die Frage: „Ist in Westerwälder Wahllokalen keine geheime Wahl möglich?“

Diese Bedenken teilt Dirk Urmersbach, Mitarbeiter im Büro des Landeswahlleiters, nicht. Insbesondere seien die Verwaltungen gehalten, eine geheime Wahl durch die Anordnung der Wahlkabinen zu gewährleisten. Sollte allerdings ein Wähler Vorbehalte haben, empfiehlt er, sich direkt an den Wahlvorstand im jeweiligen Wahllokal zu wenden und die Kritik zu äußern. „Der Wahlvorstand ist dafür verantwortlich, die freie und geheime Wahl zu gewährleisten“, betont er. Er darf und muss die Ordnung im Wahlraum sicherstellen. „Wenn Wähler sich melden, wird reagiert.“ Bedenken müssen als „besondere Vorkommnisse“ in der Niederschrift protokolliert werden – und schätzt der Wahlvorstand die Situation ebenfalls als ungeeignet ein, muss er umgehend reagieren.

„Jede/r darf sich auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses verlassen.“
Das sichert die Wirgeser Verbandsgemeindeverwaltung zu.

Da die Gemeindeverwaltung und die Kreiswahlleitung am Wahltag immer erreichbar sind, kann der Wahlvorstand für seine Entscheidung Unterstützung und Rat anfordern. „Einen Anspruch auf Änderung hat der Wähler aber nicht“, hebt Urmersbach hervor: Sollte der Wahlvorstand die Situation nicht als bedenklich einschätzen, muss er sie nicht ändern. Anhand der Dokumentation muss der Kreis- oder Landeswahlausschuss aber nachvollziehen können, was kritisiert wurde und wie sich die Situation dargestellt hat. Sollten Wähler bei ihrer Kritik bleiben, können sie sich in nächster Instanz an den Kreiswahlleiter wenden, erklärt Urmersbach. Dieser kann sich mit dem örtlichen Wahlvorstand oder der betreffenden Verwaltung in Verbindung setzen, um sich die Situation schildern zu lassen, und gegebenenfalls eine Anordnung treffen.

Für die Verbandsgemeinde Wirges war der Hinweis, der dort auch persönlich vorgebracht wurde, der erste dieser Art, antwortet die Pressestelle auf Anfrage unserer Zeitung. „Jede/r darf sich auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses verlassen“, versichert die Verwaltung. Deshalb würden solche Hinweise sehr ernst genommen. „Bereits vor der Wahl wird die Herrichtung des Raumes besprochen. Zur Vorbereitung der Bundestags- und Landratswahl sind alle Verantwortlichen auf die entsprechende Einrichtung des Wahlraumes und das Steuern des Zustroms hingewiesen worden“, heißt es in der Antwort weiter. Davon werde sich auch die Verbandsgemeindeverwaltung vor Beginn der Wahlhandlung überzeugen.

„Der Wahlprüfungsausschuss geht allen Einsprüchen nach.“
Im Westerwald musste laut Dirk Urmersbach aus dem Büro des Landeswahlleiters nie eine Wahl wiederholt werden.

Ein Einspruch sei bis zwei Monate nach dem Wahltermin rechtlich möglich, erklärt Dirk Urmersbach: Es werde geprüft, ob aufgrund des nachgewiesenen Sachverhalts ein Wahlfehler entstanden ist. „Liegt ein solcher vor, wird dies beanstandet.“ Ob der Wahlfehler Auswirkungen auf das Wahlergebnis hat und deshalb in diesem Wahlbezirk eine Wiederholungswahl stattfindet, muss gesondert geprüft werden.

Dabei gehe es auch darum, ob und in welchem Umfang der Wahlfehler sich tatsächlich auf die Zusammensetzung des Bundestages auswirkt. „Entscheidend wird hier sein, in welchem Umfang tatsächlich das Wahlgeheimnis beeinträchtigt wurde.“ Auswirkungen habe dies nur, wenn vor allem bei Wahlkreiskandidaturen ein knappes Ergebnis vorliege. „Der Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags geht allen Einsprüchen nach“, erläutert Urmersbach und ergänzt: „Einsprüche gibt es nach jeder Wahl.“ Bislang habe seines Wissens im Westerwald jedoch nie eine Wahl wiederholt werden müssen.

„Wir haben die Wahlvorstände noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben muss.“
Michael Eisel ist bei der VG Selters für Wahlen zuständig.

An die Verbandsgemeinde Selters wurden gemäß Auskunft aus dem dortigen Wahlamt noch nie Beschwerden herangetragen. Ein Archivfoto aus einem Selterser Wahllokal hatte die Leserin aus der VG Wirges an die Situation in ihrem heimischen Wahllokal erinnert und zu der Anfrage bei unserer Redaktion geführt. „Das Foto hat den Anschein erweckt, dass der Zugang zu den Wahlkabinen nur von hinten möglich war – und auch wenn das nur eine Mutmaßung ist, haben wir die Wahlvorstände noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben muss“, heißt es dazu aus Selters.

Dabei gehe es auch um den Aspekt der Barrierefreiheit, wird betont: „Auch mit einem Rollator oder Rollstuhl muss der Wähler zwischen den Wahlkabinen hindurchkommen können, dafür ist Sorge zu tragen.“

„Meist lässt sich alles mit gesundem Menschenverstand regeln.“
Dirk Urmersbach, Büro des Landeswahlleiters

Die Materialien für das Wahllokal – Sichtschutzwände genauso wie Wahlurnen, Wählerverzeichnisse, Kugelschreiber und so weiter – werden von der jeweiligen Verbandsgemeindeverwaltung bereitgestellt und vom Wahlvorstand im jeweiligen Wahllokal aufgebaut. „Man hat gemeinsam einen Blick darauf“, schildert der Mitarbeiter des Landeswahlleiters. „Es werden vor jeder Wahl Schulungen angeboten, online oder in Präsenz. Allerdings sind die meisten Wahlvorstände sehr erfahren, weil sie dieses Ehrenamt schon seit Jahren innehaben.“ Auch Merkblätter dienten der Information der Wahlhelfer. „Meist lässt sich alles mit gesundem Menschenverstand regeln“, schließt Urmersbach.

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