Beispiel Forstamt Hachenburg: Lebensraum und Futter geschützter Tierart brechen weg
Westerwald im Klimawandel: Fichtensterben bedroht auch die Waldameise
Angesichts der großflächig absterbenden Fichtenwälder ist diese zarte Naturverjüngung nur ein schwacher Trost. Foto: Katrin Maue-Klaeser
Katrin Maue-Klaeser

Westerwaldkreis. Der Klimawandel und die Borkenkäferkatastrophe in den heimischen Wäldern fordern neben den Fichtenbeständen immer mehr Opfer. So zum Beispiel die Rote Waldameise, deren Nahrungsgrundlage unter anderem der Honigtau von Rindenläusen an Fichten ist.

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Gefahr droht den vielen Ameisenvölkern aber nicht nur durch das Wegbrechen der Nahrung durch das Absterben der Bäume, sondern auch durch Rodungsarbeiten, die das Baumsterben zur Folge hat. „Die Ameisen sind sowohl von Noterntemaßnahmen als auch von abgestorbenen Fichtenwäldern betroffen, die wir stehen lassen. Auf jeden Fall ist ihr Lebensraum verloren oder geht demnächst verloren“, bestätigt Monika Runkel, Leiterin des Forstamtes Hachenburg und des Forstlichen Bildungszentrums Rheinland-Pfalz auf Anfrage unserer Zeitung.

Anlass dafür war ein Hinweis unseres Lesers Dieter Huthmacher, der kritisiert hatte, dass nach Notfällungen und Rückearbeiten oberhalb von Astert in Richtung Limbach/Heimborn rund 20 Ameisenhaufen zerstört worden seien. „Diese Ameisen stehen unter strengem Schutz und müssen vor solch gravierenden Maßnahmen mit schwerem Gerät umgesiedelt werden“, hatte er in einem Schreiben an die Forstverwaltung gefordert. Er vermutet, dass bei diesen Forstarbeiten „Gesetze und Verordnungen zum Schutz von Fauna und Flora völlig außer Acht gelassen“ wurden.

Monika Runkel und ihr Stellvertreter Johannes Wagner danken Huthmacher für sein Engagement, betonen aber, dass die Ameisen hier in der Region nicht umgesiedelt werden könnten, da „neue Behausungen“ für die geschützten Tiere fehlen. „Die Wälder sterben schneller ab, als wir umsiedeln könnten. Die Obere und Untere Naturschutzverwaltung folgen dem fachlich“, sagt Runkel. Und weiter führt sie aus: „Wir haben in Hachenburg mit vereinten Kräften und mit einer konsequent umgesetzten Strategie versucht, Fichtenwälder zu retten und vor den Borkenkäferangriffen zu schützen. Wir müssen leider feststellen, dass wir dieser nie da gewesenen Invasion […] nicht mehr gewachsen sind. In den noch stehenden Fichtenwäldern leben auch Ameisenvölker, die den Lebensraum brauchen. Allein damit ist keine Umsiedlung möglich. Wir sprechen im Übrigen von vielen Tausend Ameisenhaufen. Die Umsiedlung einer Handvoll Ameisenvölker wäre wünschenswert, aber dennoch nicht einmal ein Tropfen in einem riesigen Fass.“

Dieter Huthmacher führt aus, dass man die abgestorbenen Fichten lieber stehen lassen statt roden sollte, da der Kampf gegen Käfer und Trockenheit bereits verloren sei. „Statt den Wald mit Harvester und Co. umzupflügen, sollte darüber nachgedacht werden, ob man die Bäume außerhalb eines Sicherheitsstreifens zu den Wegen nicht einfach stehen lassen und ferner die Natur sich selbst überlassen sollte. Es wäre vielleicht sogar eine Chance, bei einer Naturverjüngung ohne wirtschaftlichen Druck langfristig einen überlebensfähigen Wald in Verbindung mit ökologischen Freiflächen zu erreichen“, so Huthmacher.

Darauf entgegnet der stellvertretende Hachenburger Forstamtsleiter Johannes Wagner, dass die Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen durch den Waldbesitzer hergestellt werden müsse. „Um diese Verkehrssicherheit zu erlangen, war eine Noternte der abgestorbenen Bäume unumgänglich“, so Wagner zu dem konkreten Fall in der Kroppacher Schweiz. Bei der Noternte weise das Forstamt die eingesetzten Unternehmer auf das Vorhandensein der Waldameisen hin und bitte sie, diese so gut es technisch gehe, zu schützen. Da das genannte Problem weit über die Grenzen des Forstamtes hinausreiche, habe er zudem mit der Oberen Forstbehörde in Neustadt abgesprochen, „dass die Thematik des Schutzes bedrohter Tierarten (auch der Roten Waldameise) in unserer gesamten geschädigten Region an die Oberste Forstbehörde sowie die Oberste Naturschutzbehörde herangetragen wird“, erklärt Wagner. Die Behörden seien beide im Landesumweltministerium angesiedelt.

Wie Monika Runkel betont, „setzen wir uns im Forstamt Hachenburg damit auseinander, was wir dem Ökosystem Gutes tun können, um die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, Böden zu schonen, Holz und Reisig auf Flächen zu belassen, Sukzessionen zuzulassen, gefahrenfreies Totholz zu belassen als neuen Lebensraum für viele andere Arten, Beratung der Waldbesitzenden etc.“. Denn nicht nur die Ameisen, sondern die ganzen Wälder, alle Lebewesen seien im Klimastress. Trotz erheblicher Bemühungen, die negativen Auswirkungen der klimabedingten Waldschäden für die Besitzer, die Lebensgemeinschaft Wald und die Erholungsuchenden zu minimieren, gelinge dies nur zum Teil. „Wie so oft wird das fokussiert, was nicht perfekt ist, und das Bemühen und die Erfolge werden nicht immer gewürdigt“, bedauert die Forstamtsleiterin.

Von unserer Redakteurin Nadja Hoffmann-Heidrich

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