Sich eine eigene Meinung über politische Themen bilden, demokratische und freiheitliche Werte kennenlernen, sich persönlich mit Menschen aus anderen Ländern austauschen – im Europahaus Bad Marienberg (EHM) bekommen Jugendliche seit fast 75 Jahren die Möglichkeit genau das zu geboten. Als erste und damit älteste Einrichtung dieser Art in Europa stellt das EHM einen wichtigen Pfeiler in Sachen politischer Bildung dar, und zwar landes-, bundes- und europaweit.
Doch auch eine Institution, die seit Jahrzehnten eine so wichtige Rolle spielt, bleibt vor den Krisen dieser Tage nicht verschont, von Corona über die Inflation bis hin zu Kriegen und politischen Unruhen. Mit den Folgen dieser Ereignisse hatte das Europahaus stark zu kämpfen. Bis jetzt. „Wir starten jetzt wieder durch“, ist sich der Vorstandsvorsitzende und Landtagspräsident Hendrik Hering sicher. Nicole Stecker aus dem Leitungsteam des Europahauses ergänzt, dass man sich in den vergangenen Jahren „aus der Notwendigkeit heraus zu einer umfassenden Transformation entschieden“ habe. Zu den Herausforderungen, die es vor diesem Hintergrund zu bewältigen gab, gehörte eine komplette personelle Neustrukturierung, eine Anpassung an die steigenden Kosten in so gut wie allen Bereichen sowie die grundsätzliche Finanzierung der Institution.
„Die Zukunft muss Europa heißen, sonst haben wir keine Zukunft.“
Hendrik Hering, Vorstandsvorsitzender der EHM-Stiftung und rheinland-pfälzischer Landtagspräsident
Letzteres konnte kürzlich durch die Zusage einer zusätzlichen Fördersumme durch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration gewährleistet werden, erklärt Hering. Der rheinland-pfälzische Staatssekretär für Kultur, Jürgen Hardeck, der auch als Stiftungsvorsitzender des Europahauses aktiv ist, führt aus: „Wir haben nun 270.000 Euro mehr zur Verfügung als letztes Jahr.“ Damit wird die Institution nun mit insgesamt mehr als 500.000 Euro bezuschusst. Für diese Fördersummer mussten die Vertreter jedoch lange kämpfen, denn wie Hering klarstellt: „Nicht alles, was schön ist, kann auch finanziert werden.“ Das rheinland-pfälzische Finanzministerium musste vom Stellenwert des EHM für ganz Europa regelrecht überzeugt werden, denn eine finanzielle Unterstützung in diesem Ausmaß erhält nicht jede Institution einfach so.
Laut Hering verleihe besonders die Jugendarbeit dem Europahaus so viel Bedeutung. „Gerade die jungen Menschen – nicht zuletzt wegen der sozialen Medien – bewegen sich weg von der europäischen Idee und hin zum nationalistischen und völkischen denken“, erklärt der Landtagspräsident. Da müsse man mit Bildungsarbeit gegenwirken, und das sei im Europahaus möglich. „Durch Begegnung und dem Sammeln eigener Erfahrungen werden Vorurteile gegenüber anderen Nationen abgebaut“, führt Hering aus. Die Bad Marienberger Einrichtung biete Programme an, durch die der Gedanke einer demokratischen, offenen und freien Gesellschaft auf einer emotionalen Ebene vermittelt werde. „Die Zukunft muss Europa heißen, sonst haben wir keine Zukunft“, sagt der Vorstandsvorsitzende überzeugt. Und genau mit dieser Überzeugung gelang es, die Zustimmung des Finanzministeriums für die Erhöhung der Fördersumme zu bekommen.
„Wir vermitteln ein ganz klares Bild und klare Ziele.“
Nicole Stecker vom Leitungsteam des Europahauses über die neue Corporate-Identity
Hering erklärt, die Finanzierung des Europahauses sei dadurch nun für mehrere Jahre stabil gesichert. Somit sei auch die größte Hürde überwunden. Auch personell sei die Einrichtung mittlerweile wieder auf einem guten Weg. „Ich glaube, so gut aufgestellt wie gerade war das Europahaus noch nie“, verrät Hering. Es sei gelungen, Bewerber dafür zu begeistern, in Bad Marienberg zu arbeiten und sich der Vision, die das Europahaus verfolgt, anzuschließen. Laut Stecker habe im Zuge der Transformation nämlich auch ein kompletter Neuaufbau der Corporate-Identity stattgefunden. „Wir vermitteln ein ganz klares Bild und klare Ziele“, erklärt sie. „Wir haben uns geöffnet, sind flexibler geworden. Auch was zum Beispiel Homeoffice angeht“, das habe sicherlich auch einige Interessenten überzeugt. Neben den zahlreichen hinzugekommen Festangestellten verfüge das Europahaus auch über jede Menge freier Mitarbeiter, für Seminare und Schulungen. Durch diese bunte Mischung an Referenten fließe nun viel neuer Input in die Angebote der Einrichtung, und die vielfältige Nachfrage kann bedient werden.
Und die Nachfrage ist hoch, wie Nicole Stecker mitteilt. Derzeit lasse sich das Programmangebot in zwei Bereiche unterteilen, die beide gut ausgelastet sind. Zum einen gibt es Seminare, in denen spielerisch Inhalte vermittelt werden und anschließend in der Gruppe darüber diskutiert wird. Der zweite Bereich hat die europäische Bildung im Fokus. Bei den internationalen Seminaren kommen Jugendliche aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen, um ein übergeordnetes Thema mit Kreativität und Teamarbeit zu bearbeiten. Dadurch werde der kulturelle Austausch sowie die Persönlichkeitsbildung gefördert. „Aktuelle Schwerpunkte sind etwa künstliche Intelligenz, Medienbildung, Rechtsextremismus-Prävention und Streitschlichtung“, zählt Stecker auf.

Und wie wird es nun weitergehen? Laut der Vertreter des Europahauses soll sich die Einrichtung auch künftig noch weiter entwickeln. Ein Ziel sei es beispielsweise, das Angebot auch für die Region zu erweitern. „Hier in der Umgebung ist das Europahaus für jeden ein Begriff, aber kaum jemand weiß so recht, was wir genau machen. Das soll sich ändern“, so Stecker. Auch Themen wie Nachhaltigkeit, Inklusion oder mehr Angebote für Grundschüler und Erwachsene würde das Leitungsteam künftig gerne angehen. Das Europahaus sei ohnehin schon ein Leuchtturmprojekt, und das wolle man nun wieder zum Strahlen bringen, fasst der Landtagspräsident das Ziel dieser anhaltenden Transformation zusammen.