Ob Montabaurer Bioladen oder Discounterfiliale: Viele Händler setzen auf umweltfreundliches Papier beim Kassenbeleg
Westerwälder Händler nutzen Ökovariante: Kohlebons ersetzen giftiges Thermopapier
Inhaberin Birgitt Hinske verwendet in ihrem Bioladen seit etwa sieben Jahren Papier auf Kohlebasis für die Kassenbons.
Maja Wagener

Wer im Bioladen in Montabaur einkauft, bekommt einen Kassenbon aus bläulich-gräulichem Papier. Das sei auf Kohlebasis hergestellt, sagt Inhaberin Birgitt Hinske, und kompostierbar. Große Supermarktketten, aber auch immer mehr Geschäfte in der Schusterstadt und im gesamten Westerwald haben auf Kohlebelege umgerüstet. Doch längst nicht alle verwenden das Ökomaterial.

Inhaberin Birgitt Hinske verwendet in ihrem Bioladen seit etwa sieben Jahren Papier auf Kohlebasis für die Kassenbons.
Maja Wagener

Das kohlebasierte Papier enthalte keine Giftstoffe und könne zusammen mit dem Altpapier entsorgt werden, weiß Birgitt Hinske. Seit etwa sieben Jahren nutze sie das umweltfreundliche Papier für die inzwischen gesetzlich vorgeschriebenen Kassenbelege, erzählt die Geschäftsfrau weiter. Einige große Supermarktketten wie Netto, Lidl oder Edeka, deren Filialen im gesamten Westerwald zu finden sind, geben ebenfalls Belege auf Kohlebasis aus. Zur Wirkungsweise des umweltfreundlichen Papiers aus nachhaltiger Waldwirtschaft mit seiner charakteristischen blau-grauen Farbe erklärt die Pressestelle von Netto Marken-Discount: „Dem liegt jedoch eine rein physikalische und keine chemische Reaktion zugrunde. Daher werden keinerlei Chemikalien für die Farbentwicklung verwendet.“

Anders bei den weißen Kassenbons: Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt aus Vorsorgegründen, alle diese im Restmüll zu entsorgen. Thermopapier sei häufig mit Chemikalien zur Farbentwicklung beschichtet, darunter Bisphenol A (BPA). EU-weit sei das als besonders besorgniserregender Stoff identifiziert, für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Auch der Ausweichstoff Bisphenol S sei noch nicht abschließend bewertet, erklärt das UBA auf seiner Internetseite dazu.

Kritische Chemikalien später im Toilettenpapier

Im Altpapier entsorgt, könnten sich die kritischen Inhaltsstoffe der enthaltenen Farbentwickler verteilen und über Recyclingprodukte wie Toilettenpapier zurück zum Verbraucher und in die Umwelt gelangen. „BPA hat eine endokrine Wirkung auf Mensch und Umwelt. Das bedeutet, dass der Stoff durch einen Eingriff in das Hormonsystem die Gesundheit schädigen kann. Außerdem wird BPA als reproduktionstoxisch eingestuft – das bedeutet, dass die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Mann und Frau beeinträchtigt werden kann“, so das Umweltbundesamt weiter.

Unter bestimmten Bedingungen könne sich die Chemikalie aus dem Thermopapier lösen und über die Haut in den menschlichen Körper gelangen. Allein das Kassenpersonal in den Supermärkten kommt also auch im Westerwald zuhauf mit den Chemikalien in Kontakt, wenn das Papier mit den Farbentwicklern behandelt ist. Immer dann nämlich, wenn es einen Beleg ausgibt und wenn Kunden das Papier ablehnen zusammenknüllt und in den Papierkorb wirft.

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Kohlebon ist recylebar: Warum nutzen Läden immer noch Thermopapier?
Maja Wagener

Unternehmen wie Rewe oder der Drogeriemarkt dm nutzen weiterhin weißes Thermopapier. Rewe setze seit 2012 nur noch phenolfreies Bonpapier ein, das hinsichtlich der erlaubten Inhaltsstoffe die gesetzlichen Bestimmungen deutlich unterschreite, erklärt dessen Pressesprecher auf Anfrage unserer Zeitung. „Bisher auf dem Markt erhältliche, besser recyclingfähige Alternativen haben im Praxistest bisher Probleme mit Druckern und der Lesbarkeit nach längerer Zeit gezeigt“, schreibt er weiter.

Dabei unterschlägt der Pressesprecher, dass gerade Thermopapier extrem empfindlich auf Feuchtigkeit, Hitze oder den Kontakt mit Plastik wie Klarsichthüllen reagiert. Deshalb gibt es im Internet viele Tipps, wie Kassenbelege auf Thermopapier steuersicher haltbar gemacht werden können. Der grundlegende: den Beleg scannen oder kopieren. Auch das Kohlepapier sei ein wenig empfindlich, sagt Birgitt Hinske und zieht mit dem Fingernagel einen schwarzen Strich über den Kaufbeleg.

„Sobald ich Wiegeware habe, Gemüse zum Beispiel, muss ich den Bon ausdrucken.Bei reiner Trockenware können die Kunden ihren Beleg scannen“

Einzelhändlerin Birgitt Hinske

„Es ist für uns aber eine Selbstverständlichkeit, umweltfreundlichere Alternativen zu nutzen, sobald diese für unser Geschäft praxistauglich sind“, erklärt der Rewe-Sprecher abschließend und weist auf die Möglichkeit eines digitalen Kassenbelegs hin, der über die App zu bekommen sei. In der zugehörigen Presseinformation rechnet das Unternehmen vor: „Würden nur 10 Prozent aller Rewe-Kunden und Kundinnen eBons statt Papierbons erhalten, könnten jährlich 47.000 Kilometer Bonpapier eingespart werden.“ Zum Vergleich: Der Umfang der Erde beträgt 40.075 Kilometer.

Damit spricht der Pressesprecher ein weiteres Problem der Papierbons an. Seit 2020 müssen die Zahlenpapiere von der Schlange zwingend ausgedruckt werden. Eingeführt worden war die sogenannte Belegausgabepflicht in Deutschland, um Steuerbetrug zu verhindern. Damals gab es einen bundesweiten Aufschrei: Nun müssten auch Einkäufe mit Centbeträgen per Bon ausgewiesen werden, wurde beklagt, dadurch Kosten und Abfall produziert.

Unnötiger Müll

Unnötig nennt auch Hinske die Papierbelege. „Sobald ich Wiegeware habe, Gemüse zum Beispiel, muss ich den Bon ausdrucken. Bei reiner Trockenware können die Kunden ihren Beleg scannen“, erklärt sie. 90 Prozent ihrer Kunden wollten jedoch gar keinen Beleg, berichtet Birgitt Hinske weiter. „So entsteht ein Haufen unnötiger Müll“, klagt die Montabaurerin. Das merkt auch das Umweltbundesamt (UBA) zur Bonpflicht an.

Die Bundesbehörde beklagt zudem, dass Verbraucher nicht erkennen könnten, um welches Thermopapier es sich handele. Das haben einige Unternehmen mit Ökobon inzwischen gelöst: Viele Kassenbelege haben auf der Rückseite einen Aufdruck, der auf das umweltfreundliche Papier hinweist. So kann es gezielt im Altpapier landen und recycelt werden.

47.000 Kilometer Bonpapier könnten jährlich gespart werden, wenn nur 10 Prozent der Rewe-Kunden auf digitale Kassenbelege umsteigen würden, rechnet das Unternehmen vor.

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