Ein lauter Knall, ein Unfall, der Duft einer läufigen Hündin, Jagdinstinkt oder eine kleine Sekunde der Unachtsamkeit – die Gründe, weshalb Hunde entlaufen, sind vielfältig. Jedes Jahr gibt es in der Region Dutzende Fälle. Viele dieser Tiere sind orientierungslos, verängstigt und in Gefahr, zu Schaden zu kommen. In diesen Situationen kommen ehrenamtliche Hundesicherungen ins Spiel. Eine dieser Interessengemeinschaften, die sich mit viel Herzblut diesem wichtigen Thema widmet, ist die Hundesicherung Rhein-Wied-Westerwald. Martina Moog aus Neuwied, sie lebt heute mit ihren vier Herdenschutzhunden in Luckenbach, hat die Hundesicherung 2018 ins Leben gerufen – aus persönlicher Betroffenheit heraus.
Ihre Herdenschutzhündin Else war 2017 durch einen Böller so verschreckt worden, dass sie Reißaus nahm. „Ich fand sie erst nach zwei angsterfüllten Tagen wieder. Das hat mich dazu gebracht, mich intensiv mit dem Thema Hundesicherung zu beschäftigen und anderen in der Situation helfen zu wollen.“ Außerdem hat sie eine Ausbildung zur Hundetrainerin absolviert. Martina Moog, Mika Wagner, Jacqueline Hüsch und Melanie Loose – der harte Kern der Hundesicherung – haben es sich zur Herzensaufgabe gemacht, entlaufene Hunde wieder nach Hause zu bringen.
„Wir wollen, dass alle Hundebesitzer die Chance haben, ihr Tier wiederzubekommen.“
Das sagt das Team der Hundesicherung Rhein-Wied-Westerwald.
Dabei setzt das Team auf moderne Technik, Erfahrung und ein großes Netzwerk an freiwilligen Helfern. Alle Mitglieder sind ehrenamtlich in der Hundesicherung tätig und gehen dieser Leidenschaft in ihrer Freizeit, neben Beruf und Familie, nach. „Wir haben alle das Helfersyndrom und eine große Naturverbundenheit“, lachen die drei beim Gespräch mit unserer Zeitung. Mit dabei sind Anton und Teddy, zwei Schützlinge, die entlaufen waren und von ihnen gefunden wurden. Ihre Besitzer wollten oder durften sie nicht wieder halten. Anton lebt nun bei Martina Moog, und der wunderschöne Teddy hat bei Jacqueline Hüsch ein Zuhause gefunden.
Die Erstberatung der Hundesicherung ist immer kostenfrei. Bei weiterer Beratung, Begleitung und Erstellung des individuellen Suchplakates wird eine Schutzgebühr von 50 Euro fällig. Ansonsten fallen bei den manchmal wochenlangen Aktionen lediglich die Sach- und Fahrtkosten und eine Pauschale für die händische Sicherung an. „Wir möchten uns nicht bereichern. Wir wollen, dass alle Hundebesitzer die Chance haben, ihr Tier wiederzubekommen“, sagt Jacqueline Hüsch. Der Tagessatz eines professionellen Hundesicherers kann schon einmal mehrere Hundert Euro betragen. „Das kann sich ja kaum ein Halter leisten“, so Mika Wagner. Das Team besucht regelmäßig Fortbildungen.
Wildschweine sind die größte Gefahr für einen entlaufenen Hund
Alle Fälle haben eines gemeinsam, sie sind für Hund wie Halter gleichermaßen eine absolute Ausnahmesituation. „Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe. Die Kunst ist, den Halter da abzuholen, wo er steht in dieser Notlage. Ihn plagen Ängste um den Hund und Selbstvorwürfe und Hilflosigkeit.“ Ebenso wie der Grund und die Umstände verschieden sind, ist auch jede Hundesicherung anders, und es gibt nicht den einen richtigen Weg, der zum Ziel führt. „Es ist eher ein Prozess, der immer wieder neu an die individuelle Situation angepasst werden muss“, erklärt Martina Moog.
Die Arbeit der Ehrenamtlichen ist oft langwierig. Manche Hunde sind tagelang oder sogar wochenlang unterwegs, und in vielen Fällen erfordert die Sicherung Geduld, Feingefühl und Fachwissen. Doch die Erfolge sprechen für sich: Schon rund 400 Hunde konnten in den vergangenen sieben Jahren dank der unermüdlichen Helfer aus dem Oberwesterwald in ihre Familien zurückgebracht werden. Nur in 13 Fällen wurden die gesuchten Tiere gar nicht oder tot aufgefunden.
In der ersten Zeit nur mit Sicherheitsgeschirr, doppelter Sicherungsleine und einem Tracker Gassi gehen
Der Klassiker ist, dass die Haustür versehentlich aufstand, und der neue Hund entwischt. Mit etwas Glück kommt der Vierbeiner von selbst zurück. „Die Besitzer müssen dann den Zugang zum Haus jederzeit ermöglichen und draußen Futter auslegen“, raten die drei Experten. Sie warnen: „Die größte Gefahr für einen entlaufenen Hund sind Wildschweine. Gerät er in eine Rotte, ist es sehr wahrscheinlich, dass er durch die führende Bache getötet wird.“ Mit Wölfen haben die Hundesicherer übrigens keine negativen Erfahrungen gemacht. „Obwohl wir oft in den Gebieten des Leuscheider und des Hachenburger Rudels arbeiten, ist uns noch nie ein Wolf begegnet. Auch auf keiner unserer Funkfernkameras ist je einer aufgetaucht.“
Weitere große Risiken für die entlaufenen Hunde sind der Bahn- und Straßenverkehr. Dass ein Hund verhungert, verdurstet oder erfriert, komme hingegen eigentlich nicht vor, kann Martina Moog besorgte Halter beruhigen. Selbst kleine Hunde mit wenig Fell schaffen es, sich irgendwo einen warmen Unterschlupf zu suchen. Auch an Wasser kämen die Hunde ran. „Fürs Fressen gehen sie an Mülleimer von Gaststätten oder Schulen oder finden Katzenfutter, das für Streuner ausgelegt wurde. Notfalls fressen sie Pferdeäpfel.“ Da es sich bei den Ausreißern oft um ehemalige Straßenhunde handelt, hätten diese Erfahrung im Überleben. „Die werden sehr kreativ.“
Entlaufene Hunde haben Stress und sind stark verunsichert
Gerade bei Neuzugängen aus dem Auslandtierschutz, aus deutschen Tierheimen, von Pflegehunden oder bei der Übernahme eines Vorbesitzers ist in der ersten Zeit ganz besondere Achtsamkeit und Vorsicht geboten. Diese Tiere sind oft ängstlicher und haben noch keine so enge Bindung zu ihrer neuen Familie aufgebaut. Familienhunde, die seit dem Welpenalter bei ihrer Familie sind, oder Jagdhunde beschäftigen die Tiersicherer auch – aber deutlich seltener. Martina Moog plädiert deshalb eindringlich dafür: „Wer einen Hund neu aufgenommen hat, sollte in den ersten Monaten nur mit Sicherheitsgeschirr, doppelter Sicherungsleine und einem Tracker Gassi gehen.“ Und: Jeder Hund sollte einen Mikrochip haben und in einem Haustierregister angemeldet sein, einen Heimtierausweis besitzen und geimpft sein.
Entlaufene Hunde haben Stress und sind stark verunsichert. Nach etwa 24 bis 48 Stunden werde das konditionierte Verhalten vom Instinkt überlagert. Dann gehe es den Tieren nur noch um Fressen, Saufen und Schutz suchen. „Alles Erlernte wird da schnell vergessen“, betont Hüsch. Vertraute Menschen werden dann auch vom treuesten Familienhund als Verfolger und Jäger wahrgenommen. „Bitte nicht rufen, locken oder gar mit Suchtrupps hinterherjagen“, ergänzt Moog. „Die Hunde werden dann nur weiter weggetrieben.“ Was funktionieren könne, sei leise sein, sich wegdrehen und sich kleinmachen und so den Hund einladen, von sich aus zu seinem Besitzer zu kommen. Klappt das nicht, kommt die Lebendfalle zum Einsatz. „Wir wenden immer das mildeste Mittel an bei der Sicherung.“
„Alles Erlernte wird schnell vergessen.“
Martina Moog erklärt, dass nach etwa 24 bis 48 Stunden das konditionierte Verhalten des Hundes vom Instinkt überlagert wird.
Forcierte Suchmaßnahmen gibt es nur in Fällen, in denen Hunde mit (Schlepp-)Leine entlaufen sind. „Das Risiko ist dann groß, dass das Tier irgendwo festhängt und weder an Wasser noch an Futter kommt“, erläutert Mika Wagner. Dann arbeitet die Hundesicherung auch mit externen Suchhundeteams, sogenannten Pettrailern, zusammen. Das geschieht auch, wenn ein Welpe, ein alter, ein kranker oder ein bei einem Unfall verletzter Hund entlaufen ist. Martina Moog erklärt: „Das sind wirkliche Notsituationen, in denen das Leben des Tiers bedroht ist. Da müssen wir zu drastischen Maßnahmen greifen.“ Zum Einsatz kommen dann auch Wärmebilddrohnen. „Wir arbeiten seit Jahren sehr gut mit dem Verein Rettungsdrohne Rhein-Hunsrück zusammen. Die haben die nötige Erfahrung“, so Moog. Es sei tatsächlich nicht so einfach, aus der Luft einen Hund von einem Reh oder einem Hasen zu unterscheiden.
In den sozialen Medien ist die Hundesicherung nur selten aktiv. Martina Moog sagt: „Das ist oft eher hinderlich statt hilfreich.“ Mit Flyern aber haben die Helfer gute Erfahrungen gemacht. „90 Prozent der Sichtungen erhalten wir über strategisch platzierte Suchplakate an Bushaltestellen, Supermärkten oder Gassistrecken. Die besten Beobachter sind ihrer Erfahrung nach Schulkinder. „Von denen bekommen wir oft wertvolle Hinweise.“ Das Trio bedauert, dass ihnen für das Erstellen einer Internetseite die Manpower fehlt. „Wenn uns das jemand ehrenamtlich einrichten möchte, wären wir sehr dankbar“, sagt Moog hoffnungsvoll. Und: Ganz wichtig für ihre Arbeit sind Spenden. So müssen sie dringend eine neue Lebendfalle anschaffen, die mit rund 2500 Euro zu Buche schlägt. Moog: „Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung, denn das können wir privat nicht stemmen.“
Kontakt zur Hundesicherung Rhein-Wied-Westerwald: E-Mail an hundesicherung-rww@web.de und per Whatsapp: 0170/7557923 sowie unter https://www.facebook.com/hundesicherung.rww.3.

Ruhe zu bewahren, ist für den Halter das A und O
Der Hund ist entlaufen – ein Albtraum für jeden Tierbesitzer. Doch es gibt Vereine wie die Hundesicherung Rhein-Wied-Westerwald, die Halter in dieser Situation unterstützen. So sieht der Leitfaden aus.