Eitelborn. Die ersten Sonnenstrahlen fallen über die Baumwipfel im Eitelborner Forst, Vögel zwitschern und nach und nach treffen die Kinder mit ihren Eltern ein. Die Kleinen hängen ihre Rucksäcke an den Haken mit ihrem Waldtierbildchen und nehmen auf Baumstämmen im Morgenkreis Platz. Alle sind gut gelaunt, die Erwachsenen und die Kinder. Der Tag der „Wäller Waldwichtel“ beginnt – im Westerwälder Wald- und Naturkindergarten, der nun seinen ersten Geburtstag gefeiert hat.
Nach dem Morgenkreis geht es ins Freispiel, das heißt, es gibt Spielangebote, aber kein festes Programm. Dieser offene Ansatz orientiert sich an der sogenannten Montessori-Pädagogik. Sie soll die Kinder zur selbstständigen Beschäftigung mit ihrer Umgebung anregen.
Drei pädagogische Säulen
Die Montessori-Pädagogik ist eine von drei Säulen, auf denen das Konzept des Wald- und Naturkindergartens „Wäller Waldwichtel“ beruht. Die anderen beiden sind die wald- und die bedürfnisorientierte Pädagogik. Die waldpädagogische Arbeit will den Kindern einen Zugang zur Natur ermöglichen und Umweltbewusstsein fördern, indem die Kinder ihrem natürlichen Entdecker- und Forscherdrang nachgehen können. Die jungen Menschen beobachten und bestimmen Tiere und Pflanzen, unternehmen mit ihren Erzieherinnen und Erziehern kleine Expeditionen in den umliegenden Wald und lernen so die Natur und die Jahreszeiten kennen und wertschätzen.
Die dritte Säule bildet schließlich die bedürfnisorientierte Pädagogik. Sie orientiert sich an den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation. Auf klassische Belohnungen oder Strafen und Täter-Opfer-Denkweisen wird hier verzichtet. Stattdessen steht die Auseinandersetzung mit den Gefühlen und Bedürfnissen im Vordergrund. „Ziel ist es, die Perspektiven aller Beteiligten wahrzunehmen und gemeinschaftlich Lösungen zu finden“, hebt Larissa Wimmert hervor, die Gründerin des Wald- und Naturkindergartens. Die Erziehung ist hierbei nicht regellos, viele Regeln entstehen aber im Austausch mit den Kindern und Erwachsenen zusammen. Auch Konflikte sind normaler Bestandteil des Alltages und werden als Lernmöglichkeiten für alle Beteiligten wohlwollend begleitet.
„Wir wollten einen Ort schaffen, wo Kinder so angenommen werden, wie sie sind.“
Janina Bittner, Mitbegründerin des Vereins „Wäller Waldwichtel“
Die Erzieherinnen sind ein eingespieltes Team, das von Nina Filsinger geleitet wird. Sie bilden sich oft selbst fort, um das pädagogische Konzept zu optimieren. Dabei hilft beispielsweise Bärbel Simon, die selbst jahrelang eine andere Kita leitete. Sie brachte dem Team das Gordon-Kommunikationstraining nah. In der Kommunikation nach Gordon geht es unter anderem darum, aktiv zuzuhören oder Ich-Botschaften zu formulieren, anstatt angreifend zu kommunizieren.
Neben Larissa Wimmert haben Janina Bittner und Marion Wasser den Verein „Wäller Waldwichtel“ gegründet. Die Kolleginnen teilten die gleiche Leidenschaft für Waldpädagogik und bedürfnisorientierte Erziehung sowie für die Montessoripädagogik. „Wir wollten einen Ort schaffen, wo Kinder so angenommen werden, wie sie sind“, meint Janina Bittner. „Im Frankfurter Raum, wo ich studiert habe, ist das Konzept des Wald- und Naturkindergartens sehr weit verbreitet. Hier im Westerwald gab es noch keinen“, erzählt Larissa Wimmert.
Tolle Gemeinschaft entstanden
Im April 2024 gründeten die beiden deshalb den Wald- und Naturkindergarten. Trotz Erziehermangel war ein Team schnell gefunden: „Das ist ein Liebhaberprojekt“, sagt Janina Bittner. Doch auf dem Weg zum eigenen Kindergarten lernten die beiden auch viel. „Am Anfang war es schon sehr ambitioniert.“ Es brauchte Unterstützung von Behörden, amtliche Vorgaben mussten erfüllt werden und die Finanzierung musste geklärt werden. Im ersten Jahr gab es einige Herausforderungen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben viel gelernt. Allerdings hat das Team auch Meilensteine erreicht. „Der Wald- und Naturkindergarten, der sich noch am Pfadfinderheim in Eitelborn befindet, soll dieses Jahr auf einen nahe gelegenen Platz umziehen. Dafür ist ein neuer Bauwagen als Schutzort gedacht – und für diesen Wagen haben wir nun das Baurecht“, freut sich Janina Bittner.
Auch das Team und die Kinder seien zu einer tollen Gemeinschaft zusammengewachsen, merkt sie an. Erzieherin Veronika Depke erinnert sich am liebsten an unzählige gemeinsame Ausflüge, bei denen gemeinsam mit den Kindern Neues im Wald entdeckt wurde. Auch die Kooperationen mit Rettungsdienst und Feuerwehr, die den Wald- und Naturkindergarten besucht haben, waren ein Höhepunkt für Pädagogen und Kinder. Man freut sich bereits sehr auf die kommenden Besuche, etwa von einem Schmetterlingsexperten und einer Mitarbeiterin der Wildtierauffangstation, die ihr Wissen und ihre Begeisterung mit den Kindern teilen werden.

Neben dem Bauwagen haben die Wäller Waldwichtel weitere Pläne. Beispielsweise möchten sie noch mehr Waldplätze erschließen. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region soll verstärkt werden. Der Wald- und Naturkindergarten kann also auf ein ereignisreiches erstes Jahr zurückblicken. Und auch bei den Kindern kommt der Kindergarten gut an. „Am besten finde ich, dass hier kein Zaun ist und wir selbst bestimmen dürfen, was wir machen“, sagt der kleine Louis. Tino fügt hinzu: „Es ist toll, dass man sich hier auch mal ganz matschig machen darf!“