Rechsextremismus im Westerwald
Was das Aus für die Hachenburger Fassfabrik bedeutet
Die sogenannte Fassfabrik, unweit des Bahnhofs in Hachenburg, war laut Landesverfassungsschutzbericht bis zu ihrem Verkauf ein Versammlungsort Rechtsextremer. Der Treffpunkt steht Mitgliedern dieser Szene nun nicht mehr zur Verfügung.
Roeder-Moldenhauer

Eine Razzia Anfang Oktober 2024 hat die Fassfabrik in Hachenburg bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Kurze Zeit später wurde das Gebäude, zunehmend ein Treff rechtsextrem Gesinnter, verkauft. Welche Schlüsse zieht der Verfassungsschutz daraus?

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Als „wirksamen Schlag gegen die rechtsextremistische Szene im Westerwald“ hat der Mainzer Innenminister Michael Ebling das Aus für die sogenannte Fassfabrik in Hachenburg bezeichnet. Das ist eine der Kernaussagen des Verfassungsschutzberichts 2024 des Landes Rheinland-Pfalz, den der SPD-Politiker vor wenigen Tagen vorgestellt hat. „Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sind Politik und Zivilgesellschaft gefordert. Das Ende der Fassfabrik, eines rechts­extremistischen Veranstaltungs- und Vernetzungsortes in Hachenburg im Wester­wald, Ende des vergangenen Jahres zeigte, dass sich konsequentes Handeln im Einsatz gegen den Rechtsextremismus auszahlt“, heißt es in dem 268 Seiten umfassenden Werk.

Ein ganzes Brennpunktthema widmet der Bericht dem Gebäude in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs in Hachenburg, das spätestens am 5. Oktober 2024 durch eine groß angelegte Razzia bundesweite Aufmerksamkeit erlangte. Damals ging die Polizei gegen die Teilnehmer einer konspirativ bewor­benen rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltung vor, die vom regionalen Ableger der Partei „Der III. Weg“, dem „Stützpunkt Westerwald/Taunus“, organisiert wurde. Die Beamten stellten dabei laut Verfassungsschutzbericht ungefähr 130 Personen fest, die nicht nur aus Rheinland-Pfalz, sondern nahezu aus dem gesamten Bundesgebiet und dem näheren Ausland angereist waren. Unter den Teilnehmern befanden sich neben Mitgliedern der Partei „Der III. Weg“ auch Angehörige anderer rechtsextremistischer Gruppierungen, wie beispielsweise der „Rheinlandbande“ und der „Revolte Rheinland“.

Solche Szeneobjekte eher selten

„Mit diesem Kampfsportevent ist es dem ,Stützpunkt Westerwald/Taunus’ gelungen, wesentlich mehr Personen anzusprechen und zu einer Teilnahme zu bewegen als mit anders gearteten Veranstaltungen wie Vortrags- oder Lieder­abenden. Dies ist zum einen mit der Beliebtheit von Kampfsport in der rechts­extremistischen Szene insgesamt zu erklären. Zum anderen hatte der Stützpunkt Zugriff auf eine Immobilie, die eine Veranstaltung in dieser Größenordnung überhaupt erst möglich machte“, blickt der Verfassungsschutz zurück. Solche Szeneobjekte, in denen Rechtsextremisten ihre Aktivitäten entfalteten, sich vernetzten, rekrutierten und möglicherweise auch finanzielle Einnah­men generierten, seien eher selten und würden daher von den jeweiligen Akteuren als wichtig eingeschätzt.

Hintergrund: Die „Fassfabrik“ in Hachenburg ist ein größeres Anwesen, dessen Fläche von verschiedenen Mietern gewerblich und privat (Wohnraum) genutzt wurde und wird – Rechtsextremisten waren nur in einem Teil der Immobilie aktiv. Die Entwicklung des Objekts zu einem rechtsextremistischen Knotenpunkt im nördlichen Rheinland-Pfalz begann demnach 2019. Treibende Kraft dahinter, so liest man weiter, war ein ehemaliges AfD-Mitglied, das unterschiedlichen rechtsextremistischen Gruppen einige Räume der Fassfabrik zur Verfügung stellte. Gruppierungen wie der „Stützpunkt Westerwald/Taunus“ vom „III. Weg“, die „Junge Alternative“ oder der „Freundeskreis Westerwald“, eine Art Kameradschaft um eine langjährige Rechtsextremistin, hätten dort über Jahre unabhängig voneinander Veranstaltungen durchgeführt. „Der III. Weg“ habe zudem einen größeren Raum für ein regelmäßiges „Selbstverteidigungstraining“ genutzt.

Teilnehmerzahl wuchs ständig

Tatsächlich sei es dem „III. Weg“ gelungen, mit den als „Kneipenabend“ in rechtsextremis­tischen Kreisen beworbenen Kampfsportveranstaltungen, immer mehr Teilnehmer zu gewinnen. Nahmen laut Bericht am ersten Kampfsportevent in der „Fassfabrik“ im Oktober 2023 noch ungefähr 50 Personen teil, waren es sechs Monate später bereits um die 100. Schließlich stieg die Teilnehmerzahl im Oktober 2024 sogar auf rund 130. Auch stellten die Verfassungsschützer fest, dass sich das Einzugsgebiet der Teilnehmer von Mal zu Mal vergrößert und es sich nicht nur um eine exklusive Veranstaltung für Parteimitglieder gehandelt habe.

„Wäre es nicht zu einem Verkauf der ,Fassfabrik’ und somit zu einem Ende der rechtsextremistischen Nutzung gekommen, hätten ,Kampfsportevents’ dort möglicherweise für noch größeren Zulauf gesorgt,“ bilanzieren die rheinland-pfälzischen Schlapphüte. Inwieweit es den rechtsextremistischen Akteuren gelingt, ihre Aktivitäten zu verlagern und in einem ähnlichen Maße wiederaufzunehmen, werde aufmerksam verfolgt. „Es dürfte für sie jedoch schwierig sein, eine der Fassfabrik vergleichbare Immobilie zu finden“, ist der Verfassungsschutz überzeugt.

An dem Beispiel „Fassfabrik“ werd deutlich, welche Möglichkeiten Rechtsextremisten zur Verfügung stünden, wenn sie eine derartige Immobilie ungestört nutzen könnten. Sie könnten dort ihre Verfassungsfeindlichkeit entfalten und breiter in die Gesellschaft wirken. „Umso wichtiger ist es, dass ihnen der Zugriff auf solche Immobilien erschwert werde. Ein aufmerksames, kooperatives Handeln der Sicher­heits- und Kommunalbehörden, aber auch zivilgesellschaftlicher Akteure ist unerlässlich“, mahnt Minister Ebling an.

Rechtsextremismus und Kampfsport

Im Rechtsextremismus gewinnt Kampfsport laut dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2024 weiterhin an Relevanz. Unterschiedliche Gruppierungen böten Kampfsporttrainings an oder organisieren Kampfsportveranstaltungen. Sie dienen der Rekrutierung und festigen die Bindung an die Szene. „Eingebettet ist das Thema in einen rechtsextremistischen Kontext. Das heißt, es geht dabei nicht lediglich um Sport, sondern um das propagierte Ideal eines ,gesunden Volkskörpers’, der wehrhaft ist und (wenn nötig) auch Gewalt anwenden kann“, heißt es. Die größte rechtsextremistische Kampfsportveranstaltung mit deutscher Beteiligung war im Berichtsjahr der „Day of Glory“, der im Juni in Frank­reich stattfand und rund 300 Rechtsextremisten aus mehreren euro­päischen Ländern anzog. Innerhalb Deutschlands fand die publikums­stärkste Veranstaltung, wie erwähnt, im Oktober in der sogenannten Fassfabrik in Hachenburg statt. kra

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