Angebot im Westerwald
Warum Selbsthilfe bei einer Krebserkrankung wichtig ist
Bei den regelmäßigen Gruppentreffen haben die Frauen die Möglichkeit, offen und ohne Tabus über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen. Über die Jahre haben sich hier enge Freundschaften entwickelt.
Ute Wagner

Die Diagnose Krebs kann Betroffenen sprichwörtlich den Boden unter den Füßen entreißen. Wie hilfreich in dieser Situation der Austausch mit Menschen in derselben Lage sein kann, darauf möchte ein Patiententag in Hachenburg aufmerksam machen.

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„Ein Netz, das trägt“ ist ein Patiententag überschrieben, zu dem die Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz am Samstag, 30. November, alle Interessierten nach Hachenburg einlädt. Fachleute aus Medizin und Psychoonkologie werden dabei wertvolle Tipps und Ratschläge etwa zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten, zu gesunder Ernährung und zum Thema Erwerbsminderungsrente vermitteln. Einen hohen Stellenwert im Umgang mit einer Krebsdiagnose hat für viele Betroffene jedoch auch die Selbsthilfe. Genau diese bietet beispielsweise die Selbsthilfegruppe (SHG) „Sonnenblume“, eine Gesprächsgruppe für Frauen in Altenkirchen, deren Mitglieder aus den Landkreisen Altenkirchen und Westerwald kommen.

Seit 2019 leiten Marianne Vohl und Ute Wagner die Gruppe. Im Gespräch mit unserer Zeitung macht die 68-jährige, selbstständige Augenoptikermeisterin Wagner aus Ölsen (Kreis Altenkirchen) deutlich, wie wichtig und bereichernd für sie und ihre Kolleginnen die monatlichen Treffen sind. Denn dabei gehe es längst nicht nur um die Krankheit, „sondern wir albern und lachen auch zusammen, reden über ganz alltägliche Dinge und unternehmen hin und wieder Ausflüge. Ich weiß, dass ich in der Gruppe auf Menschen treffe, die verstehen, was ich durchgemacht habe, und daher ähnlich fühlen“, bekräftigt Wagner. Inzwischen seien dadurch feste Freundschaften entstanden.

„Wir versuchen, uns zu trösten, zu informieren, Erfahrungen zu teilen und oftmals einen angenehmen Nachmittag zu verbringen.“
Ute Wagner über die Treffen der Selbsthilfegruppe „Sonnenblume“

Im Flyer der Gruppe, die aktuell aus rund 20 Frauen im Alter zwischen Mitte 30 und fast 90 besteht, wird das Hilfsangebot so formuliert: „Einmal sich fallen lassen und unter Mitbetroffenen voll Vertrauen sich öffnen; Ängste, Sorgen und Fragen äußern können; sich miteinander austauschen über Erfahrungen der Behandlung, aber auch der Krankheitsbewältigung im Alltag und Umgang mit Ängsten; die Seele baumeln lassen und Kraft schöpfen für Familie und Beruf.“ Ute Wagner hat hier gelernt, auch mit Fremden frei über ihre Erkrankung zu sprechen. Ihre Erfahrungen möchte sie zusammen mit zwei Kolleginnen am Samstag beim Patiententag an andere Betroffene weitergeben, die noch auf der Suche nach einem tragenden Netz sind.

Auch gemeinsame Ausflüge gehören für die Selbsthilfegruppe "Sonnenblume" dazu. Das Bild zeigt die Frauen bei einer Schiffstour.
Ute Wagner

Ute Wagner erkrankte 2016 an Brustkrebs. Auf die Diagnose folgte eine rund einjährige Odyssee aus Chemotherapie, Operationen und Bestrahlungen. Während dieser Zeit musste sie sich zudem zweier Blutübertragungen unterziehen und fünf Wochen künstlich ernährt werden. Die starken Medikamente bekämpften zwar glücklicherweise den Krebs, setzten ihrem Körper aber auf andere Weise stark zu. Bis heute leidet Wagner unter Spätfolgen wie Schmerzen in den Gelenken, Kribbeln und Taubheitsgefühl in den Fingern sowie Fatigue-Syndrom.

Auf die Therapie folgte das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen

So lange sich die Westerwälderin in Therapie befand, fühlte sie sich gut aufgehoben und rundum betreut. Doch danach hatte sie das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen. „Es war niemand mehr da, mit dem man reden konnte“, erklärt sie. Da war es für sie ein Glücksfall, dass sie bereits während der Chemotherapie die damalige Leiterin der SHG „Sonnenblume“, Hannelore Quarz, kennengelernt hatte. Von deren positiver Haltung sei sie so beeindruckt gewesen, dass sie Anfang 2018 erstmals an einem Gruppentreffen teilgenommen habe. Dort habe sie sich von Anfang an gut aufgehoben und verstanden gefühlt. „Ich habe auch viel Unterstützung von meiner Familie und meinen Mitarbeitern erhalten. Aber der Austausch in der Gruppe ist etwas anderes“, erläutert Ute Wagner. „Wir versuchen, uns zu trösten, zu informieren, Erfahrungen zu teilen und oftmals einen angenehmen Nachmittag zu verbringen.“

„In der Gruppe können wir über alles sprechen. Es gibt keine Tabus.“
Ute Wagner

Als Hannelore Quarz, die die SHG zusammen mit Frauenarzt Michael Blees 2014 gegründet hat, verstarb, sei es allen Mitgliedern ein Anliegen gewesen, die Gemeinschaft zu erhalten und im Sinne von Quarz fortzuführen. Marianne Vohl und Ute Wagner übernahmen daraufhin, auf Wunsch der übrigen Frauen, die Leitung. Unterstützung bei schwierigen Fragen erhält die Gruppe von ihrem Dachverband – der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz. Diese bietet zudem für jeden einzelnen betroffenen Krebspatienten psychoonkologische Hilfe an. Diese Begleitung durch Fachleute sei für sie auf dem Weg der Genesung sehr wichtig gewesen, berichtet Wagner. „Ohne dieses ganze Netzwerk ginge es mir heute psychisch sicherlich nicht so gut. Und eine positive Einstellung ist bei einer Krebserkrankung die halbe Miete“, ist sich die Ölsenerin sicher.

Die Selbsthilfegruppe „Sonnenblume“ für Frauen mit Krebserkrankung trifft sich jeden 3. Dienstag im Monat von 15 bis 17 Uhr in den Räumen der AOK in Altenkirchen (Karlstraße 18). Infos erteilen die beiden Leiterinnen Marianne Vohl (Telefon: 02680/8885) und Ute Wagner (0172/2445370).

Ein Netz, das trägt: Das Programm beim Patiententag

Der Patiententag „Medizin, Psychoonkologie, Selbsthilfe: Ein Netz, das trägt“ der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz findet am Samstag, 30. November, von 10 bis 14 Uhr im Vogtshof (Mittelstraße 2) in Hachenburg statt. Nach der Begrüßung durch Mitarbeiterinnen der Krebsgesellschaft wird der Altenkirchener Mediziner John Strehl (Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämotologie/Onkologie) über innovative Behandlungsmöglichkeiten in der Onkologie sprechen. Ökotrophologin Martina Kilian referiert über das Thema „Ernährung und Krebs“. Julia Tetzlaff, Versichertenberaterin der Deutschen Rentenversicherung RLP, informiert über die Erwerbsminderungsrente als eine Hilfe im Krankheitsfall. Nach einer Mittagspause bietet Sabine Danek einen Einführungsworkshop im Qi-Gong an. Zu den Vorträgen gibt es eine begleitende Info-Ausstellung mit vielen weiteren Tipps, insbesondere zur Selbsthilfe. Weitere Infos und Anmeldung unter: www.krebsgesellschaft-rlp.de. nh

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