Die Zwischenbilanz vor neun Monaten klang noch euphorisch: Zum Jahresbeginn 2024 hatte Bernhard Münz in seinem Montabaurer Unternehmen die Viertagewoche eingeführt. An seinen ersten Erkenntnissen ließ er die Unternehmergemeinschaft Mittelrheintal im Mai teilhaben – und zeigte sich von dem Experiment durchaus überzeugt. Beim jüngsten Februartreffen der Gemeinschaft machte er ebenso plausibel, weshalb das Experiment beendet ist und in seinem Betrieb jetzt wöchentlich wieder fünf Tage gearbeitet wird.
Die Veranstaltung war noch besser besucht als die zur Einführung der Viertagewoche, unter anderem sei ein Aufsichtsratsmitglied von Haribo zu Gast, verriet Münz. In der Schlange, die sich am Eingang bildete, hatte ein Teilnehmer schon gewitzelt: „Wahrscheinlich haben die alle auf die Viertagewoche umgestellt und fragen sich jetzt, wie sie aus der Scheiße wieder rauskommen.“

Obwohl Münz den Umstieg wohldurchdacht und mit seinem Team intensiv vorbereitet hatte, überwogen letztlich die Nachteile, wie er schilderte. Zunächst zeigte Münz die Ausgangslage und die Änderungen: 2023 wurde in dem Betrieb für Berufskleidung und Textilveredelung von Montag bis Freitag jeweils acht Stunden gearbeitet. 2024 waren es von Montag bis Donnerstag jeweils 8,5 Stunden – die Wochenarbeitszeit reduzierte sich so von 40 auf 34 Stunden, bei vollem Lohnausgleich. Mit dem Jahreswechsel 24/25 ist der Betrieb auf eine Variante der Fünftagewoche umgestiegen: Es bleibt bei 8,5 Stunden von montags bis donnerstags. So können die Mitarbeiter am Freitag nach sechs Stunden Feierabend machen.
Mit dieser neuen Arbeitszeitverteilung reagiert Münz auf Gepflogenheiten, die sich nach seiner Beobachtung bei seinen Mitarbeitern während des „Vier-Tage-Experiments“ eingestellt haben. „An den freien Freitag hatten sich alle schnell gewöhnt“, konstatiert er und bedauert, dass echte Freude über den „geschenkten Tag“ nicht allzu lang angehalten habe. Stattdessen habe er beobachtet, dass sich nach und nach immer mehr Mitarbeiter für freitags einen Nebenjob gesucht hätten.

Das habe sich vor allem dann negativ ausgewirkt, wenn wegen Arbeitsspitzen ausnahmsweise freitags Überstunden anfielen: „Dann hat manch einer gesagt: Ich kann nicht kommen, da muss ich zu meinem anderen Job“, lässt Münz keinen Zweifel daran, dass dies nicht im Sinne des Erfinders war. Durch die neue Stundenverteilung eröffnet er seinen Mitarbeitern aber immerhin, dass sie ihren Nebenjobs weiterhin nachgehen können. Grundsätzlich seien Nebentätigkeiten in seinem Unternehmen aber genehmigungspflichtig.
Während der Unternehmer beobachtete, dass die Angestellten wie erhofft Arzt- oder Behördentermine auf den freien Freitag legten, stellte sich kein Rückgang der Krankheitstage ein, berichtete er. Dies hatte Münz sich von dem größeren Erholungsfaktor der auf drei Tage verlängerten Wochenenden versprochen und zeigte sich einigermaßen enttäuscht, dass der Krankenstand gleichgeblieben sei. Dazu kam später allerdings die Anmerkung aus der Zuhörerschaft, dass im bundesweiten Durchschnitt die Krankheitstage 2024 gestiegen seien – vor diesem Hintergrund könne ein gleichbleibender Krankenstand bereits als Verbesserung betrachtet werden.
„Die Stille Stunde hat sich so gut bewährt, dass wir sie beibehalten.“
Manche Innovationen bleiben laut Bernhard Münz auch nach der Rückkehr zur Fünftagewoche erhalten.
Das Handyverbot, das mit der Einführung der Viertagewoche einherging (und weiterhin gilt), sei nicht so strikt befolgt worden, wie er es sich vorgestellt hatte, zählte Münz weiter auf. Positiv indes bewertete er die „Stille Stunde“ zwischen 14 und 15 Uhr: In diesem Zeitraum werden möglichst keine internen Besprechungen oder Telefonate terminiert, auch externe Termine werden vermieden, um den Mitarbeitern Gelegenheit zu geben, ohne Störung konzentriert zu arbeiten. „Das hat sich so gut bewährt, dass wir es beibehalten“, sagte Münz. Auch die Anwendung des „Pareto-Prinzips“ habe Bestand: Nach dem 80/20-Prinzip wird weiterhin den 20 Prozent der umsatzstärksten Kunden 80 Prozent der Aufmerksamkeit gewidmet.

Viertagewoche war Stressfaktor für Mitarbeiter
Optimierungen der Betriebsabläufe genügten in vielen Abteilungen nicht, um die fehlenden Stunden zu kompensieren: Drei leitende Mitarbeiter der Montabaurer Firma Münz schildern ihre Erfahrungen mit der Viertagewoche.
Mehrfach nannte der Unternehmer zufrieden die Zahl von 400 Verbesserungsvorschlägen, die im Zuge des Prozesses „anders, besser, schneller“ (ABS) aus der Mitarbeiterschaft kamen. Allerdings habe durch die verkürzte Arbeitszeit und damit höhere Arbeitsdichte vielfach die Zeit gefehlt, bestehende Ideen weiter auszuarbeiten und umzusetzen und neue zu entwickeln. „Da hat uns letztlich die Einführung der neuen Unternehmenssoftware das Genick gebrochen“, sagte Münz.
„Wir wollen als innovativer Arbeitgeber interessant sein – auch ohne Homeoffice.“
Unternehmer Bernhard Münz
Diese Umstellung habe sämtliche Ressourcen derart beansprucht, dass die wöchentlichen ABS-Workshops zur Weiterentwicklung auf der Strecke blieben. Dennoch, betonte Münz, seien es die genannten Argumente gewesen, die ihn bewogen, im Oktober „die Reißleine zu ziehen“. Ein wichtiger Kritikpunkt: die Tendenz, Defizite bei anderen zu sehen, statt mit Vorschlägen in der eigenen Abteilung anzusetzen.
Die Viertagewoche sollte die Firma Münz nicht zuletzt attraktiver für Bewerber machen. „Wir bieten kein Homeoffice, das ist ein großer Geldvernichter – und außerdem unsozial, denn nicht alle können aus dem Homeoffice arbeiten“, machte Münz seine Sicht deutlich. Dennoch wolle er „als innovativer Arbeitgeber interessant sein“, und junge Leute wünschten sich die Viertagewoche. Die Rückkehr zur Fünftagewoche habe dennoch kein Problem dargestellt, denn in den Verträgen, selbst in denen der zwei im vergangenen Jahr neu gewonnenen Mitarbeiter, war sie mit einer Vorlaufzeit von drei Monaten verankert.