Jagd war früher Geldquelle, heute ist sie Sorgenkind - Auch Wäller Kommunen plagen sich mit zu hohem Wildbestand herum
Verbissschäden: Ist Regiejagd eine Lösung?
In Selters wird über die künftige Form der Jagd diskutiert (Symbolbild). Foto: Jens Büttner/dpa-Bildfunk
Jens Büttner/dpa-Bildfunk

Westerwaldkreis. Regelmäßig müssen sich kommunale Waldbesitzer mit dem Thema Jagd auseinandersetzen. Jährlich, wenn es um den Forstwirtschaftsplan und Schutzmaßnahmen gegen Verbissschäden geht oder wenn Abschusszielsetzungen zwischen der Jagdgenossenschaft und dem Jagdpächter vereinbart werden. Und etwa alle neun Jahre, wenn der Jagdpachtvertrag ausläuft.

Die Stadt Selters nimmt diese turnusmäßige Zäsur zum Anlass, das Modell der Jagdverpachtung zu überdenken.

855 Quadratkilometer, gut 85 Prozent der Fläche des Westerwaldkreises, ist bejagbare Fläche, die in insgesamt 245 Jagdbezirke unterteilt ist, wie die Kreisverwaltung auf Anfrage mitteilt. Nur sechs der kommunalen Bezirke werden in Eigenbewirtschaftung betrieben – auch für Selters wäre diese sogenannte Regiejagd die Alternative für einen seiner beiden Bezirke.

Fachmann vom Gemeinde- und Städtebund gibt Tipps

Um sich vor dem Auslaufen des aktuellen Pachtvertrags Ende März schlauzumachen, hatte der Selterser Stadtrat mit Felix Hackelbörger einen Fachmann vom Gemeinde- und Städtebund eingeladen, der in einer Präsentation unter dem Titel „Eigenbewirtschaftung oder Verpachtung“ die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Varianten herausarbeitete. Zwei Jagdbezirke nennt die Stadt Selters ihr Eigen, und während im einen Bezirk alles zur Zufriedenheit der Kommune läuft, weist der andere laut Stadtbürgermeister Rolf Jung zu große Schäden durch Wildverbiss auf: „Er wird zu schwach bejagt. Wir haben uns gefragt: Wenn es in einem Bezirk nicht funktioniert – was sind die Alternativen?“ Dies habe den Stadtrat veranlasst, sich über seine Möglichkeiten zu informieren.

Denn während traditionell Jagd ein gesellschaftliches Ereignis oder die Pacht eines Jagdreviers gar ein Statussymbol darstellt, geht es tatsächlich im Kern darum, Schaden vom Wald abzuwenden. Felix Hackelbörger nannte die Information scherzhaft einen „alten Hut“, brachte sie aber zu Beginn auf den Punkt: „Die Jagd ist ein grundlegendes Instrument, die zukünftige Waldentwicklung aktiv zu gestalten. Denn mit sinkendem Einfluss des Schalenwildes auf die Waldvegetation steigt der waldbauliche Handlungsspielraum. Dies dient natürlich erwerbswirtschaftlichen Zielen, aber auch dem Erhalt aller weiteren Waldfunktionen für die Natur und den Menschen.“

Gerade diese vielfältigen Ansprüche an den Wald – verstärkt durch das geänderte Freizeitverhalten infolge der Pandemie – erschweren im Gegenzug die Jagdausübung, erklärt Klaus Skowronek, Vorsitzender der Kreisgruppe Westerwald im Landesjagdverband. Grundsätzlich sei es eine ganz individuelle Entscheidung des Jagdrechtinhabers, wie er die Aufgabe erfüllen lasse. Der Verband sehe jedoch größere Vorzüge für die Kommunen in der Verpachtung: „Die Pacht bringt regelmäßige Einnahmen, und die Pflichten werden komplett in die Hand des Pächters und seiner Crew gegeben“, bringt es Skowronek auf den Punkt. Von der Einrichtung des Reviers bis hin zur Entsorgung von Fallwild brauche sich der Verpächter um nichts zu kümmern.

Kreis: Eigenbewirtschaftung bietet direkte Einflussmöglichkeit

Andererseits, hält Felix Hackelbörger entgegen, sei ein hoher Wildbestand aus jagdlicher Sicht attraktiver: Wenn ein Jäger auf den Ansitz gehe, möchte er Wild sehen. Gerade Rotwild habe einen hohen „jagdlichen Stellenwert“ – bedroht aber den Wald durch Schälen und Verbiss in besonderem Maße in seinem Bestand, erläuterte der Fachmann. Aus Sicht der Gemeinde als Waldbesitzer können höhere Jagdpachterträge für wildreiche Reviere die größeren Schäden durch Verbiss nicht aufwiegen, machte Hackelbörger klar. Die Kreisverwaltung stellt fest: „Eine Eigenbewirtschaftung bietet den Vorteil einer direkten Einflussmöglichkeit auf die Bejagung.“

Als Verpächter habe die Kommune auf die Jagd als waldbauliches Instrument weniger Einfluss, räumt Klaus Skowronek ein. Jährlich zu vereinbarende Abschusszahlen indes gäben dem Pächter ein Ziel vor, bei dessen Nichteinhaltung sogar das Pachtverhältnis vorzeitig beendet werden könne. Bei der Regiejagd müsse indes ein Jagdleiter beauftragt und entlohnt werden – einige Zuständigkeiten verblieben bei der Kommune.

Der Selterser Stadtbürgermeister Rolf Jung sieht in der Regiejagd eine interessante Alternative für den Bezirk, in dem es mit den waldbaulichen Zielen hakt. Der Jagdleiter sei dann dem Stadtrat Rechenschaft schuldig, und Abschüsse ließen sich über die Bücher nachweisen, so Jung. Der Stadtrat wird in einer seiner nächsten Sitzungen eine Entscheidung treffen.

Von Katrin Maue-Klaeser

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