Zum Thema „Das Verschwinden der deutschen Ordenslandschaft – Wie steht es um Marienstatt?“ sprach Pater Martin jetzt auf Einladung des Fördervereins Forum Marienstatt vor rund 80 Zuhörern. Dabei zeichnete er ein düsteres Bild für den Fortbestand seiner Abtei im Tal der Nister.
„Wenn unsere Schüler nicht an einem Gymnasium unterrichtet würden, das in der Trägerschaft eines Ordens liegt, dann hätten sie wahrscheinlich noch nie ,lebendige' Mönche gesehen. Es ist heutzutage so, als wäre unsere Spezies wie von der Bildfläche verschwunden.“ Mit diesen Worten hieß Pater Martin das interessierte Publikum willkommen.
Immer weniger Nonnen und Ordensbrüder im Westerwald
Noch vor wenigen Jahrzehnten sei die Situation im Westerwald eine ganz andere gewesen. Damals sei die Chance in vielen Orten groß gewesen, einer Nonne, einem Pater oder einem Ordensbruder zu begegnen. Doch ein Kloster nach dem anderen, unabhängig von der Ordenszugehörigkeit, haben geschlossen. Neue Versuche, bedeutende Klöster zu erhalten, seien meist schon nach kurzer Zeit wieder gescheitert. Einige Gemeinschaften seien darüber hinaus den ungewöhnlichen Weg gegangen und hätten Personen von außerhalb als Koordinatoren eingesetzt.
Im Jahr 1991, so führte Pater Martin weiter aus, hätten verschiedene Orden und selbstständige Einzelklöster das sogenannte Solidarwerk gegründet, um sich bei der Versorgung der alten und nicht mehr arbeitsfähigen Mitbrüder und Mitschwestern solidarisch zu unterstützen, falls die eigenen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen.
Administrator statt Abt
Nachdem Altabt Andreas Range 2022 wegen Erreichens der Altersgrenze sein Amt abgegeben hatte, verzichtete der Marienstatter Konvent aufgrund der schwierigen personellen Situation auf die Wahl eines neuen Abtes, sondern verständigte sich zunächst auf den zeitlich begrenzten Einsatz eines Administrators. Dazu ernannt wurde Pater Martin Pfeiffer. nh
Ein Vorstandsmitglied des Werks habe kürzlich Marienstatt besucht und von seiner Arbeit erzählt. Demnach sind in dem Verbund mehr als 200 Gemeinschaften zusammengeschlossen. 80 davon zählten weniger als zehn Mitglieder, die meist schon alt seien, sodass ein Ende der Gemeinschaften absehbar sei. Marienstatt mit seinen 14 Mitgliedern gehöre bereits in die nächste Kategorie.
Als er im Juli 2022 zum Administrator ernannt worden sei, habe zu den ersten Gratulanten eine Vermögensverwaltung aus Köln gehört, die sich auf die Betreuung von Ordensgemeinschaften sowie kirchlicher und karitativer Einrichtungen festgelegt habe. Das Unternehmen löse Klöster auf, besorge den Verkauf der Immobilien, begleite Fusionen von Ordensgemeinschaften, vermarkte Liegenschaften und Ländereien, projektiere und baue altersgerechte Neubauten für klösterliche Gemeinschaften und plane die Umzüge von Konventen. Auch der Bereich Vermögensmanagement gehöre zu den Aufgaben.
„Als Ordensgemeinschaften können wir, so merkwürdig es klingen mag, für derartige Dienstleister froh sein, ist es doch vielen Orden aufgrund der Altersstruktur und der rechtlichen Inkompetenz kaum noch möglich, zwingend notwendige Schritte ohne Hilfe von außen zu gehen beziehungsweise initiativ zu werden“, so Pater Martin.
Man befindet sich in einer existenzbedrohenden Situation
Anschließend ging er konkret auf die Situation im Zisterzienserorden in Marienstatt ein: Bis auf wenige Ausnahmen seien alle Konvente des Ordens in der gesamten westlichen Welt in einer existenzbedrohenden Situation. Die Mehrerauer Kongregation, zu der Marienstatt gehört, zählt aktuell 21 Klöster mit 228 Mitgliedern, verteilt auf sechs Länder. Zwei Klöster haben noch einen Mitgliederstand von mehr als 20 Brüdern beziehungsweise Schwestern, neun Abteien pendeln zwischen 10 und 17 Konventualen und Konventualinnen, in acht Klöstern leben zwischen zwei und neun Schwestern beziehungsweise Brüder.
Der älteste Marienstatter Mitbruder ist Pater Theobald, der mit 89 Jahren noch immer seinen Dienst als Spiritual in der Abtei Oberschönenfeld bei Augsburg versieht. Altabt Thomas, so berichtete Pater Martin, sei 87 Jahre alt und lebe seit Jahren im Haus Helena in Hachenburg. Pater Paulus, der Jahre als Spiritual im St. Josefshaus in Dernbach gewirkt habe, sei dort vor einigen Monaten übergesiedelt als zu Pflegender auf Station.
In Marienstatt selbst leben somit noch elf Mitbrüder. Altabt Andreas ist im 76. Lebensjahr, U 50 sind lediglich Frater Augustinus und Pater Hieronymus. Letztgenannter ist noch nicht durch die Feierliche Profess gebunden. Alle übrigen Mitbrüder bilden die Gruppe der über 60-Jährigen.
„Einige von uns haben schwere Krankheiten hinter sich, andere sind krank, [...] wodurch unsere Leistungsfähigkeit merklich gesunken ist. Aber auch das Alter spielt ja bekanntlich eine Rolle“, gewährte Pater Martin Einblicke in die Situation seines Klosters. Interessenten für Nachwuchs gebe es keine. Der jüngste geweihte Priester der Abtei sei Pater Dominikus, dessen Weihe vor 36 Jahren stattfand.
Zahlreiche Gründe für Mitgliederschwund
„Als ich in dieses Kloster vor 41 Jahren eintrat, lebten hier 34 Mönche. Damals gab es wundersamerweise einen guten Stamm junger Mitbrüder. Die meisten haben im Laufe der Jahre einen anderen Weg eingeschlagen. Ihr Weggang hinterließ schmerzliche Spuren, oft auch Ärger und Verdruss. Und eine ratlose Gemeinschaft“, wählte der Prior-Administrator offene Worte. Zudem seien im Laufe seines Klosterlebens 18 Marienstatter Mönche verstorben.
Geblieben seien die vielen Aufgaben wie beispielsweise Chorgebet, Feier der Eucharistie, Wallfahrt, Seelsorge, Gästebetrieb, Schulträgerschaft, Leitung der Buch- und Kunsthandlung sowie des Brauhauses, der Garten, die Klosterküche, die Verwaltung, die Instandhaltung der Gebäude, die Verantwortung für circa 150 Mitarbeiter.
Dabei werde das Wichtigste, das geistliche Leben, oftmals vom Alltag aufgefressen. Natürlich gebe es viele Helfer und Mitarbeiter, doch die letzte Verantwortung liege schließlich beim Konvent. Dringend notwendige Bau- und Renovierungsmaßnahmen verursachten zusätzliche Sorgen. Neben dieser finanziellen Belastung gehe es auch darum, Rücklagen für die Altersversorgung zu bilden, da die Mönche keine Rente beziehen. Es sei zudem völlig unklar, wer die jetzige Mönchsgeneration einmal pflege, wenn es keine Nachfolger gibt.
Zwar erreichten ihn und seine Mitbrüder täglich viele gute Ratschläge, doch träfen diese nicht die Realität. Wie sollten aus einer Gesellschaft, die über drei Generationen mehr oder weniger areligiös erzogen worden sei, neue Mönche und Nonnen hervorkommen, fragt Pater Martin.
Gründe für die sinkende Zahl von Kirchenmitgliedern nennt er unter anderem die Missbrauchsfälle, die Unglaubwürdigkeit der Kirche beziehungsweise ihrer Vertreter, eine zeitweise verheerende Geschichte der Kirche und der Orden, die kirchliche Sexuallehre sowie die Ablehnung des hierarchischen Gebarens im Vatikan. „Ob wir in diesen Sog des Niedergangs mit hineingezogen werden, das wird die nahe Zukunft zeigen“, so Prior-Administrator Pater Martin abschließend. nh