Reichen Zahlungen des Jobcenters nicht aus? - Unvollständige Anträge sind laut Behörde oft ein Problem
Trotz Hilfen vom Staat: Flüchtlinge im Westerwald in Finanznot
Warten ist angesagt: Geflüchtete Ukrainer stehen vor der Rosenheckhalle in Ebernhahn für die Lebensmittelausgabe an. Foto: Sascha Uvira
Sascha Uvira

Woche für Woche das gleiche Bild: Eine lange Schlange bildet sich vor der Rosenheckhalle in Ebernhahn, wenn der Verein Solidarität in der Not (SIN) seine Ausgabestelle für Geflüchtete aus der Ukraine öffnet. Viele der Bedürftigen, überwiegend Frauen mit Kindern, warten Stunden vor verschlossener Tür, um Lebensmittel für sich und die Liebsten zu besorgen.

Warten ist angesagt: Geflüchtete Ukrainer stehen vor der Rosenheckhalle in Ebernhahn für die Lebensmittelausgabe an. Foto: Sascha Uvira
Sascha Uvira

Dass sie scheinbar derart auf ein solches Angebot angewiesen sind, hat nach Aussage einiger Flüchtlinge vor Ort einen bestimmten Grund: Die finanzielle Unterstützung durch den Staat reiche nicht aus, um über die Runden zu kommen.

Die Geschichten, die Ukrainerinnen im Gespräch mit unserer Zeitung vor der Rosenheckhalle in Ebernhahn schildern, wiederholen sich. Da ist eine Frau, die nach eigener Aussage nicht genug Geld für Lebensmittel oder Medizin hat, um sich und ihre Kinder zu versorgen. Schon früh am Vormittag sei sie hierher gekommen, um noch ein paar Lebensmittel abgreifen zu können. Dabei öffnet die Ausgabestelle erst um 17.30 Uhr. Das Geld, das sie vom Jobcenter bekommt, reiche einfach nicht aus. Zumal jetzt, wo die Inflation die Preise in die Höhe treibt und wenig Geld noch weniger wert sei.

Seit Juni etwa 700 Anträge

Nachdem zunächst die Ausländerbehörden für die Auszahlung von Sozialleistungen an geflüchtete Ukrainer zuständig waren, haben zum 1. Juni die Jobcenter diese Aufgabe übernommen. Erwerbsfähige Ukrainer mit gültigem Aufenthaltstitel haben seitdem unter anderem Anspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB II, der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Beim Jobcenter Westerwald sind laut Geschäftsführer Christian Reitz seit Anfang Juni etwa 700 Anträge von geflüchteten Ukrainern eingegangen. Zwischen 285 Euro und 449 Euro steuert das Amt bei einer Bewilligung pro Monat bei. Darüber hinaus werden unter anderem Kosten für die Unterkunft der Flüchtlinge, für Heizung, Bildung oder auch die Krankenversicherung berücksichtigt.

„Manche warten schon seit fast drei Monaten auf Geld, aber wissen nicht, wo es hakt.“

Sascha Uvira,Vereinsvorsitzender von SIN

Eine Ukrainerin, die in Wirges untergekommen ist, hofft nach eigener Aussage seit zwei Monaten vergeblich auf Zahlungen von der Behörde. Sascha Uvira, Vereinsvorsitzender von SIN, berichtet von ähnlichen Gesprächen: „Manche warten schon seit fast drei Monaten auf Geld, aber wissen nicht, wo es hakt.“

Im Falle des Westerwälder Jobcenters sind nach Aussage des Amtes fehlende Zahlungen nicht auf Versäumnisse der Behörde zurückzuführen. Bisher seien alle Anträge bewilligt worden, sofern Ukrainer die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt haben, macht Reitz deutlich: „Eine seit Monaten fehlende Auszahlung ist, bei vollständig vorliegenden Antragsunterlagen sowie Erfüllung der Voraussetzungen, ausgeschlossen.“ Liegen alle Unterlagen vor, werde innerhalb einer Woche über einen Antrag entschieden. Das allerdings nicht immer zugunsten des Antragstellers, wie Reitz auch betont: „In Einzelfällen müssen wir feststellen, dass die Voraussetzungen aufgrund von Einkünften oder Vermögen, die den gesetzlichen Bedarf übersteigen, nicht erfüllt sind.“

Viele Anträge sind unvollständig

Was die Bearbeitung der Anträge bisweilen erschwert, ist laut Jobcenter vor allem deren Unvollständigkeit. Bei der Ukrainerin aus Wirges beispielsweise, die seit zwei Monaten auf Geld wartete, stellte sich heraus, dass ihr Problem ein fehlendes Bankkonto gewesen ist und deshalb nicht endgültig über ihren Antrag entschieden werden konnte. Dass Fehler wie diese immer wieder gemacht werden, führt SIN-Vorsitzender Uvira auch auf eine mangelnde Aufklärung und Beratung der Geflüchteten zurück. „Und dann dauert alles noch länger“, so Uvira. Besonders Ukrainern, die noch keine Arbeit gefunden haben, könne das zum Verhängnis werden.

Das Jobcenter ist für die meisten geflüchteten Ukrainer im Westerwald die wichtigste Anlaufstelle, um Sozialleistungen zu erhalten.
Thorsten Ferdinand

Das Jobcenter äußert sich indes, Geflüchtete rechtzeitig und zudem ausreichend informiert zu haben. „Vielerorts wurden Gruppeninformationen rund um das Leistungs- und Beratungsangebot des Jobcenters durchgeführt. Darüber hinaus gibt es Informationsblätter und eine Internetseite der Bundesagentur für Arbeit mit Hilfen in ukrainischer Sprache“, so die Behörde.

Ein anderes Ereignis stellte einige Ukrainer im Kreis unlängst vor Probleme, als die Ausländerbehörde vorläufige Aufenthaltstitel an die falsche Verbandsgemeinde versendete. Manchen Flüchtlingen fehlte dadurch ein wichtiges Dokument, um einen Antrag auf Sozialleistungen beim Jobcenter stellen zu können. Laut Ausländerbehörde betraf das Problem jedoch nur wenige Ukrainer und konnte schnell behoben werden. Einfacher machen Vorkommnisse wie diese die ohnehin komplizierte Situation jedoch nicht, schon gar nicht, wenn Zeit sprichwörtlich Geld sein kann.

Die Ausgabe von Lebensmitteln an bedürftige Ukrainer wird der Verein Solidarität in der Not mit Ablauf der 33. Kalenderwoche einstellen müssen. „Uns fehlt aktuell das Geld, um Lebensmittel zu kaufen“, offenbart Vereinsvorsitzender Sascha Uvira im Gespräch mit unserer Zeitung. 8000 Euro benötige der Verein monatlich dafür. Seit Eröffnung der Ausgabestelle im März 2022 hätten mehr als 1300 Ukrainer regelmäßig das Hilfsangebot in Anspruch genommen, so Uvira. Er befürchtet, dass sich der Wegfall der Lebensmittelausgabe in der Rosenheckhalle in Ebernhahn auch auf die Auslastung der Tafeln im Kreis auswirken könnte. „Eigentlich halte ich es für unabdingbar, dass wir das hier weitermachen“, so sein Eindruck.

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