„Wir wollen gewährleisten, dass die Menschen nicht ins Leere laufen“, sagt Gundula Neukirchen aus Ellenhausen. Sie ist Vorsitzende des Vereins, in dem sich bislang etwa 15 Traumapädagoginnen zusammengetan haben. Gegründet haben sie den Verein vor gut sechs Monaten aus einer Fortbildung heraus anlässlich des enormen Hilfsbedarfs nach der Flutkatastrophe an der Ahr (wir berichteten).
Nach wie vor sind Neukirchen und ihre Vereinskolleginnen Carmen Dogen-Haberle und Melanie Hartmann an der Denntal-Grundschule in Ahrbrück engagiert und organisieren als mobiles Einsatzteam traumapädagogische Angebote für die Kinder. Die Unterstützung für Ukrainer ergab sich aus der Bitte einer hier als Pflegekraft tätigen Mutter, ob jemand sie zur polnisch-ukrainischen Grenze fahren könne, damit sie dort ihren neunjährigen Sohn im Empfang nehmen kann.
Schmerzliche Trennung
Eine Kollegin, berichtet Neukirchen, sei der Bitte spontan gefolgt. Sie brachte die Ukrainerin an die Grenze und nahm sie und den Jungen sowie seine Tante und eine Freundin mit zurück. Schmerzlich sei für die Mutter vor allem gewesen, dass sie ihren Mann, der den Sohn und die beiden Frauen an die Grenze begleitet hatte, nicht mehr antraf: Er hatte sich bereits wieder ins Kriegsgebiet aufgemacht.
Die Trennung von den Männern, Vätern, Brüdern, Söhnen und zugleich die oft schlimmen Nachrichten aus der Heimat über Soziale Medien setzen auch nach der Flucht immer wieder traumatische Impulse bei Frauen und Kindern. Die Traumapädagoginnen haben beobachtet, dass es für die Menschen, die Ukrainer hier aufnehmen oder betreuen, eine große Herausforderung ist, mit den seelisch stark belasteten Flüchtlingen umzugehen und sie zu unterstützen.
Helfer wollen mehr Geflüchtete holen
An dieser Stelle wollen sie mit ihrer Hilfe ansetzen. Mit Geflüchteten arbeiten sie ohnehin. Für Vereinsvorsitzende Neukirchen, ihre Stellvertreterin Dogen-Haberle und die Mitstreiterinnen Melanie Hartmann und Andrea Galitz war klar: „Wir wollen mehr Leute hierher holen.“ Und so haben sie in privater Initiative für weitere 42 Ukrainer Unterkünfte gefunden und sie in die Region geholt. Transportmittel war der Tourbus von Komikerin Mirja Boes: Gundula Neukirchen hatte im März einen Auftritt von Boes im Café Hahn besucht. Als diese von der Initiative des Vereins erfuhr, spendete sie spontan nicht nur die Gage des Abends, sondern bot auch ihren Tourbus an.
Warum sie so dringend Menschen retten wollen, erklärt Carmen Dogen-Haberle: „Es werden junge Frauen an den Grenzen und Bahnhöfen abgegriffen – wir wollen dem Missbrauch einen Riegel vorschieben.“ Dass die schwer belasteten Familien auch hier der Hilfe bedürfen, ist für die Traumapädagoginnen klar: „Sie schlafen nicht, und es wird viel geweint.“
Zusätzlich wollen sie mit Kommunen und Gremien in Kontakt treten: „Wir können Menschen, die Flüchtlinge unterstützen, vorbereiten und begleiten“, sagt Melanie Hartmann. Sie war von einem Neuwieder Stadtratsmitglied angesprochen worden und hat daraufhin einen Flyer „Informationen für Helfende im Umgang mit geflüchteten Personen“ entwickelt.
Was ist Systemische Traumapädagogik?
Die Systemische Arbeit widmet sich der Interaktion, in diesem Fall von Traumata betroffener Menschen, in allen Bereichen des sozialen Lebens. Die Traumapädagogik (Unterweisung im Umgang mit seelischen Verletzungen) stellt ein Konzept dar, das sich unter anderem an Erkenntnissen der Psychotraumatologie, Erziehungswissenschaften, Resilienzforschung und Traumatherapie orientiert. Ziel ist die emotionale und soziale Stabilisierung der Betroffenen.