Fast 100 Jahre lang versüßte das Café Wäller in der Bad Marienberger Bismarckstraße vielen Gästen das Leben mit Backwaren aller Art sowie Schokoladen und Pralinen aus eigener Manufaktur. Doch diese Tradition endet in wenigen Tagen: Denn die Inhaber Ute und Erich Buchner haben sich schweren Herzens zur Schließung des Betriebs zum 28. Juni entschlossen.
Gegründet wurde das Café Wäller mit seinen heute 110 Sitzplätzen am 1. Dezember 1928 von Erich Buchners Urgroßeltern Otto und Hermine Molzberger. Deren Sohn Erich lernte zwar ebenfalls das Bäckerhandwerk, fiel aber im Zweiten Weltkrieg, noch bevor er den Betrieb übernehmen konnte.
So war es 1957 der Enkel der Gründer, Werner Buchner, der die Leitung der Bäckerei übernahm. Zugleich war er der erste Konditor im Unternehmen. Zusammen mit seiner Frau Erna führte er die Firma bis 1987. 1967 erfolgte ein großer Umbau des Cafés, das damals seine bis heute markante Form mit dem Rundbau erhielt.
Seit 1. Januar 1988 wird der Betrieb nun von Ute und Erich Buchner geführt, die das Sortiment mit ihrer Pralinenproduktion deutlich erweiterten. 1995 verantworteten sie einen erneuten Umbau der Geschäftsräume, im Jahr 2000 stiegen sie in die Schokoladenproduktion ein.
Doch nach jahrelanger erfolgloser Suche nach einem Nachfolger und aufgrund ständig wachsender Herausforderungen fehlt den beiden 63-Jährigen inzwischen nach eigener Aussage die Kraft, weiterhin an sechs Tagen in der Woche jeweils bis zu 14 Stunden in Backstube, Küche, Ladenlokal und Büro zu meistern. „Nach langen Überlegungen, Gesprächen, vielen schlaflosen Nächten und Tränen“ hätten sie sich daher dafür entschieden, den Betrieb einzustellen. Die Geschäftsräume werden künftig an Mühlenbäcker Jung vermietet.
Im Rückblick freuen sich Erich und Ute Buchner darüber, wie viele Menschen sie mit ihren Waren ein Stück ihres Lebenswegs begleiten durften: ob mit einer Tasse Kakao beim ersten Date, in Form von Hochzeitstorten für glückliche Brautpaare, mit Schokoladen, die Seelentrost spendeten, oder mit Keksen, die noch bei denen glückliche Erinnerungen an die Kindheit wecken, die inzwischen längst mit ihrem eigenen Nachwuchs ins Café kommen.
„Ganz ohne Schokolade wird unser Leben sicherlich auch künftig nicht ablaufen.“
Erich Buchner
Buchners vier eigene Kinder sind im Betrieb groß geworden: „Wir waren eben immer ein echter Familienbetrieb“, sagen die Eltern. Regelmäßig im Café anwesend waren auch etliche Gruppen und Stammtische, die hier beispielsweise die Wochenenden einläuteten. In der Vorweihnachtszeit seien es vor allem viele Firmen aus der Region gewesen, die für ihre Mitarbeiter und Kunden reihenweise süße Geschenke bestellt hätten. Wanderern aus nah und fern ist das Café Wäller als exklusiver Produzent der Westerwald-Steig-Schokoladen ein Begriff.
Es sind zahlreiche schöne, teils lustige, teils berührende Momente mit ihren Kunden, die Buchners im Gedächtnis bleiben werden, wenn sie sich fortan im neuen Lebensabschnitt vermehrt ihrer Familie, ihren Freunden und Hobbys widmen. Wie schwer ihren Gästen der Abschied fällt, merken die Café-Betreiber daran, dass sich in den letzten Wochen vermehrt Schlangen vor der Tür bilden. „Einige wollen uns noch überreden, weiterzumachen. Andere wollen ihren Schokoladenvorrat zu Hause auffüllen und Tafeln einfrieren für die Zeit nach der Schließung. Wieder andere möchten sich einfach verabschieden und uns danken. Und manch einer fragt sogar nach unseren Rezepten“, erzählen Ute und Erich Buchner augenzwinkernd.
Über ihre Rezepte, aber auch über manche Anekdote aus dem jahrzehntelangen Cafébetrieb könnten die scheidenden Geschäftsleute Bücher schreiben. Besonders witzig seien diverse Geschichten rund um Hochzeitstorten gewesen, wenn diese den Kunden beispielsweise beim Transport verunglückt seien und schnell hätten „repariert“ werden müssen. Einmal habe ein Tischfeuerwerk in einer Hochzeitstorte die Sprinkleranlage eines Hotels ausgelöst und das fruchtig-süße Kunstwerk zerstört. Bei einem Glas Sekt werden am 28. Juni sicherlich weitere Kuriositäten aus 97 Jahren Café-Betrieb ausgetauscht.
Kaum noch klassische Konditoreien im Westerwald
Der künftige Mieter der Café-Räume in der Bad Marienberger Bismarckstraße, Mühlenbäcker Jung aus Westerburg, hätte gerne alle Mitarbeiter des Cafés Wäller – darunter etliche Teilzeitkräfte und Aushilfen – übernommen, berichten die scheidenden Geschäftsführer Ute und Erich Buchner im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch nur ein Angestellter habe das Angebot angenommen. Bei allen anderen hätten leider die neuen Arbeitszeiten nicht gepasst. Klassische Cafés mit Konditorei wie das Café Wäller gibt es nach Auskunft der Eheleute Buchner mittlerweile kaum noch im Westerwald. Wichtig sei ihnen bei der Weitervermietung ihres Lokals gewesen, dass dieses auch fortan ein Treffpunkt für Menschen bleibe. nh