Dieter Kaiser erinnert sich als Zeitzeuge an die Bombenangriffe 1945 auf Westerburg
Stunden, die man nie vergisst: Ausstellung kündet vom Kriegsleid in Westerburg
Auf Stellwänden wird im Pfarrer-Ninck-Haus gezeigt, wie verheerend die Bombenangriffe auf Westerburg im Februar und März 1945 waren. Zur Eröffnung kamen viele interessierte Zuhörer.
Röder-Moldenhauer

„Mit dem ersten Bombenangriff kam die Angst“, sagt Dieter Kaiser. Der 86-Jährige hat nie vergessen, wie er als Kind die Zerstörung seiner Heimatstadt Westerburg am Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt hat. Als Zeitzeuge spricht er bei der Eröffnung der Ausstellung „Stunden, die man nie vergisst“ im Pfarrer-Ninck-Haus. Der Saal ist gefüllt mit Zuhörern, viele von ihnen haben als Kind ebenfalls die Grauen des Krieges erfahren.

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Auf Stellwänden sind Fotos von der Stadt vor und nach den Bombenangriffen im Februar und März 1945 zu sehen. Texte ergänzen die Bilder, ordnen sie historisch ein. „Wir wollen einen Beitrag leisten, dass so etwas nie wieder passiert“, sagt der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Westerburg, Peter Franz, bei seiner Begrüßung. „Wir haben heute Morgen an die Opfer und Toten gedacht, an Vermisste und Verschollene, und haben uns daran erinnert, wie wichtig es ist, die Gräueltaten nicht zu vergessen“, schlägt Pfarrer Maic Zimmermann den Bogen vom Volkstrauertag zur Ausstellungseröffnung und dankt der Geschichtswerkstatt, dass sie sich dieser Aufgabe stellt.

„Ich war acht Jahre alt“, fängt Dieter Kaiser, der ehemalige Vorsitzende der Geschichtswerkstatt, an zu berichten. Bevor er persönliche Erinnerungen mit seinen Zuhörern teilt, verdeutlicht er: „Die Katastrophe begann 1933. Von da an wurde unter dem Motto ,Das Volk braucht Raum‘ auf einen Krieg hingearbeitet. Ein Krieg, der keinen Unterschied mehr machen sollte zwischen Front und Zivilisten.“

Dieter Kaiser berichtet, wie die zerstörerische Kriegsmacht den Westerwald erreicht. Er erinnert sich an den Moment, als die Sirenen über Westerburg heulten und die Menschen in die Schutzbunker und Keller trieben. Als die ersten Bomben fielen und diese „Geräusche ganz fürchterlich“ gewesen wären. Daran, wie sein Bruder ihn von der Schule abholte und sagte: Wir können nicht mehr nach Hause. Denn das Gebäude war zerstört.

Er berichtet, wie die Schutzbunker aussahen, wie Menschen bei den Bombenangriffen im Keller umkamen, in dem sie Schutz suchten. Er erzählt von Schicksalen im Familienkreis, den Verletzungen seiner Mutter, vom Tod seines Cousins. Das Grauen ist nicht vergangen, es lebt in den Herzen und Erinnerungen weiter – und berührt in diesen Tagen die Menschen umsomehr, da die Gedanken vieler in die Ukraine wandern. Diese historische Ausstellung und ihr Zeitzeugenbericht haben eine Aktualität, wie es keiner erahnen konnte, als die Geschichtswerkstatt „Stunden, die man nie vergisst“ plante und vorbereitete. Denn eigentlich sollte die Ausstellung bereits vor zwei Jahren gezeigt werden, was die Pandemie verhinderte.

Als kleiner Junge, so erzählt Dieter Kaiser weiter, habe er nach dem schweren Bombenangriff am 20. März 1945 nicht mit den Erwachsenen mitgehen dürfen, die sehen wollten, was von Westerburg übrig geblieben war. Er habe aber gesehen, wie bedrückt die Menschen wiederkamen, die dem Elend ins Gesicht geblickt hatten.

In dem Westerburger Heft „Stunden, die man nie vergisst“ (erschienen 2005) hat Karl Greiff auch Dieter Kaisers Erinnerungen aufgenommen, die der jetzt 86-Jährige nun vorliest. Sein Beitrag endet mit einer Mahnung: „Wehren wir uns mit allen demokratischen Mitteln gegen Bestrebungen bestimmter Gruppen, zu den Zeiten, wie sie zwischen 1933 und 1945 geherrscht haben, zurückzukehren.“

In der sich dem Vortrag anschließenden Gesprächsrunde wird deutlich, wie sich die grauenhaften Kriegsereignisse in die Seelen vieler Westerwälder eingebrannt haben. Ganz klar wird aber auch gesagt: Schuld, dass es dieses Leid und diese Verbrechen gab, sind die Deutschen, die den Krieg angezettelt haben.

Von Angela Baumeier

Öffnungszeiten und Lesung

Die Ausstellung im Pfarrer-Ninck-Haus in Westerburg (Danziger Straße) ist an den folgenden Tagen jeweils von 15 bis 18 Uhr geöffnet: Mittwoch, 16. November, Samstag, 19. November, Sonntag, 20. November (Totensonntag), und Donnerstag, 24. November. An diesen Tagen sind auch Mitglieder der Geschichtswerkstatt präsent, um durch die Ausstellung zu führen und Fragen zu beantworten. Der Eintritt ist frei.

Am Freitag, 18. November, wird um 19 Uhr das Buch „Die geliehene Zeit“ von Barbara Bathe und Martin Fandler vorgestellt. Die Fotografien werden in Großformat mittels Beamer gezeigt, dazu rezitiert Edda Sevenich (Westerburg-Wengenroth) die Texte. Sie wird zudem eine passende Musikauswahl auf dem E-Klavier vortragen. An dem Abend wird auch Nicole Wolf (Kölbingen) aus ihrem Buch lesen, in dem sie die Kriegserlebnisse ihrer Schwiegermutter erzählt. bau

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