Höhner Bürger kritisieren Online-Verfahren der SGD Nord zum Stollen Alexandria scharf
Streit um neues Wasserschutzgebiet: Höhn sorgt sich um seine künftige Entwicklung
Der Stollen Alexandria (im Foto das Wasserwerk in Bad Marienberg-Langenbach) speichert riesige Wassermengen. Das Wasser, das nicht zur Trinkwassergewinnung benötigt wird, fließt in die Nister ab. Foto: Röder-Moldenhauer (Archiv)
Roeder-Moldenhauer. Röder-Moldenhauer

Höhn. Mehr als fünf Jahre lang war es vordergründig ruhig um das Thema „Endgültige Wasserschutzverordnung Stollen Alexandria“, das Anfang 2018 in Teilen der Verbandsgemeinden Westerburg und Bad Marienberg und vor allem in der Ortsgemeinde Höhn für intensive Diskussionen gesorgt hatte (wir berichteten mehrfach).

Der Stollen Alexandria (im Foto das Wasserwerk in Bad Marienberg-Langenbach) speichert riesige Wassermengen. Das Wasser, das nicht zur Trinkwassergewinnung benötigt wird, fließt in die Nister ab. Foto: Röder-Moldenhauer (Archiv)
Roeder-Moldenhauer. Röder-Moldenhauer

Nun aber kehrt das Thema aktuell wieder zurück in die Öffentlichkeit zurück – aber ganz anders, als die meisten Bürger wohl erwartet hätten. Auch diesmal kommt aus Höhn wieder jede Menge Kritik an der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord als zuständige Behörde.

Vor mehr als sechs Jahren lief eine für das Wasserschutzgebiet „Stollen Alexandria“ vorläufige Wasserschutzverordnung aus und hätte durch die SGD Nord durch eine endgültige Fassung ersetzt werden müssen. In einem damals veröffentlichten Entwurf dazu wurden nicht nur die Grenzen des bisherigen Schutzgebietes wesentlich erweitert, sondern auch zahlreiche Beschränkungen und Verbote kamen neu hinzu oder wurden verschärft. Daran erinnert der ehemalige Ortsbürgermeister von Höhn, Hans Dieter Kraft, im Gespräch mit unserer Zeitung. Im Wesentlichen betroffen davon seien die Grundstückseigentümer und Bewohner der Gemeinden Höhn, Stockhausen-Illfurth, Fehl-Ritzhausen und Nisterau.

Grube gilt als das bedeutendste Trinkwasservorkommen im Westerwald

Die vielen Kritiker des Entwurfs für die Neuausweisung des Wasserschutzgebietes betonen, dass die Bevölkerung nicht grundsätzlich dagegen ist. Man unterstütze die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser, unterstreicht etwa Höhns ehemaliger Bürgermeister Hans Dieter Kraft. Auflagen, Beschränkungen oder gar Verbote sollten sich jedoch in einem verträglichen und akzeptablen Rahmen bewegen und nicht an Schikanen grenzen, sagt er. „Man muss und will in Höhn und den Nachbargemeinden noch leben können. Jahrzehntelang wurde aus den Stollen Trinkwasser gefördert und die Bevölkerung damit versorgt, und die Orte konnten sich trotzdem weiterentwickeln.“

Tatsächlich gilt der Stollen Alexandria als das bedeutendste Vorkommen an Trinkwasser im Westerwald, aus dem die Verbandsgemeinden Bad Marienberg, Westerburg, Selters und Wallmerod versorgt werden. Bereits vor 50 Jahren schrieb unsere Zeitung: „In einer Zeit, in der allenthalben über Schwierigkeiten in der Wasserversorgung geklagt wird und die Deckung des in den kommenden Jahren steigenden Wasserbedarfs Sorgen bereitet, kann man es kaum glauben, dass es in unserem Heimatgebiet noch Quellströme gibt, die ungewöhnliche Wassermengen zutage fördern. Es ist ein seltenes Naturereignis, dass aus dem Stollen der ehemaligen Braunkohlegrube Alexandria in Höhn seit Jahren selbst bei lang anhaltender Trockenheit eine tägliche Wassermenge von bis zu 8000 Kubikmeter mit starker Kraft herausströmt. Man spricht schon von einem Wasserwunder Alexandria, das jetzt erhöhte Aufmerksamkeit der Kommunen nach sich zieht.“ nh

In diesen Orten erstrecke sich das neue Schutzgebiet auf fast die gesamten bebauten Ortslagen, so Kraft. Dies habe zur Folge, dass in diesen Kommunen künftig Wohnungsbau massiv erschwert oder gar verhindert werde. „Die Erschließung von Neubaugebieten oder Gewerbegebieten ist fast nicht mehr möglich. Eine Bebauung von Baulücken wird nur noch mit erheblichen Auflagen genehmigt“, so die Befürchtung des Altbürgermeisters.

Rund 1000 Einwendungen gegen Entwurf für neues Wasserschutzgebiet

Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Belastung fand im März 2018 im damals völlig überfüllten Dorfgemeinschaftshaus in Höhn-Schönberg eine Infoveranstaltung für Bürger statt. Nach diesem Termin gingen bei der SGD Nord rund 1000 Einwendungen ein. Zudem gaben zahlreiche am Verfahren beteiligte Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange Stellungnahmen zu dem Entwurf für das neue Wasserschutzgebiet ab, wie die SGD Nord auf ihrer Internetseite mitteilt.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen, so Hans Dieter Kraft, hätte damals binnen eines Jahres ein Erörterungstermin in Präsenz zu all diesen Einwendungen stattfinden müssen. Bei mehreren Rückfragen, damals noch als Ortsbürgermeister, sei er von der SGD Nord damit vertröstet worden, dass man auf der Suche nach einem entsprechend großen Versammlungsraum sei.

Nun aber kam vor wenigen Wochen laut Kraft und weiterer Höhner Bürger der Hammer: Die SGD Nord habe durch eine kleine, unauffällige öffentliche Bekanntmachung darauf aufmerksam gemacht, dass der Erörterungstermin, der schon vor Jahren in Präsenz habe stattfinden müssen, nun in Form einer Online-Konsultation durchgeführt werde, die am Montag, 11. Dezember, beginnt. Bis dahin müssen sich die Personen, die seinerzeit Einwände gegen den Schutzgebietsentwurf vorgebracht haben, dazu anmelden, um Zugang zu den erforderlichen Dokumenten zu erhalten. „Gerade für die Älteren ist das sicherlich wenig transparent“, kritisiert der Höhner Bürger Tobias Helsper in einer Nachricht an unsere Redaktion.

Altbürgermeister hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Online-Konsultation

Hans Dieter Kraft weist zudem auf die Bürger hin, die nicht in der Region wohnen und daher keine Kenntnis über die Bekanntmachung erhalten hätten. „Hier hat man den Eindruck, dass man die Teilnahme auf eine möglichst geringe Zahl reduzieren und das Verfahren bis Weihnachten noch durchpeitschen möchte“, wählt der Altbürgermeister deutliche Worte für seine Kritik.

Die SGD Nord wiederum bestätigt auf ihrer Internetseite, dass die Einwendungen grundsätzlich in bei einem zeitnahen Termin in Präsenz mit den betroffenen Einwendern, dem Begünstigten (in dem Fall die VG Bad Marienberg als Inhaberin der Wasserrechte im Stollen Alexandria) und den Fachbehörden zu erörtern seien. Allerdings habe Corona das Festsetzungsverfahren Anfang 2020 unterbrochen und die Durchführung eines Präsenztermins nicht zugelassen. „In Erwartung, den Erörterungstermin als Präsenzveranstaltung im Laufe der Jahre 2021 oder 2022 durchführen zu können, wurde das Verfahren seinerzeit nicht weiterbetrieben“, so die Behörde.

SGD Nord: Digitales Verfahren bietet Vorteile

Auf Anfrage unserer Zeitung hat die SGD Nord zu den Vorwürfen gegen sie Stellung genommen: Bis 2022 habe sich aufgrund der pandemischen Situation keine Möglichkeit ergeben, mit rund 1000 Personen einen Erörterungstermin in Präsenz durchzuführen. Eine solche Großveranstaltung hätte möglicherweise erschreckend und abschreckend gewirkt. Da die Vorbereitung eines so großen Erörterungstermins erhebliche Personalkapazitäten binde, hätte die Veranstaltung auch nicht ohne Weiteres wiederholt werden können, wenn sie wegen Corona abgesagt worden wäre.

Eine Onlinekonsultation hingegen biete Planungssicherheit für alle Beteiligten. Außerdem habe man mit dem Verfahren andernorts sehr positive Erfahrungen gemacht, so eine Sprecherin. Die Onlineform ermögliche zwar keinen unmittelbaren Diskurs, allerdings könnten so mehr Unterlagen bereitgestellt werden, und den Beteiligten bliebe mehr Zeit. Die Beantragung von Zugangsdaten sei noch bis zum Verfahrensende im März 2024 möglich. Eine persönliche Einladung der rund 1000 Einwender sei zu aufwendig und zu teuer gewesen. Von der Menge der Einwendungen sei die SGD Nord überrascht worden. Die sorgfältige Einzelfallprüfung habe sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Mit den coronabedingten Verzögerungen habe dies schließlich zu dieser langen Verfahrensdauer geführt. nh

Jedoch habe sich auch 2022 abgezeichnet, dass die Situation eine Präsenzveranstaltung mit so vielen Leuten nicht zugelassen habe. Darum sei Anfang 2022 die Entscheidung getroffen worden, „von der Ausnahmeregelung des Gesetzes zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der Covid-19-Pandemie […] Gebrauch zu machen“. Der Erörterungstermin dürfe und werde daher nun im Form der Online-Konsultation stattfinden, die den gesetzlich vorgeschriebenen Erörterungstermin ersetze.

Hans Dieter Kraft hegt nicht nur große Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Prozederes der SGD Nord (er empfiehlt daher allen betroffenen Gemeinden eine Prüfung durch einen Fachanwalt), sondern nennt die behördliche Argumentation zudem eine Zumutung, die jeder Beschreibung spotte.

Ähnlich äußert sich der Höhner Bürger Fritz Achenbach, der sich ebenfalls an die WZ gewandt hat: „Als Entschuldigung wird jetzt Corona (vor sechs Jahren?) und Personalmangel angegeben. Warum nicht auch Ahrtal, Ukraine und die Erkrankung des Papstes?“ Die Online-Konsultation sei eine Trickserei und eine Verhöhnung des Bürgers, um Einsprüche zu unterdrücken, so Achenbachs Vorwurf. „Solches Vorgehen fördert Demokratieverdrossenheit, Vertrauensverlust in die Regierung und Verwaltung“, so seine Einschätzung.

Weitere Infos der SGD Nord findet man im Internet unter: https://sgdnord.rlp.de/themen/wasserwirtschaft/laufende-verfahren/vgv-bad-marienberg-wsg-stollen-alexandria

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