Küchen-Pirat Stefan Marquard hat erfolgreich die Kita St. Antonius in Niederelbert gekapert. Die Besatzung hatte der Sternekoch mit dem charakteristischen bunten Stirnband, der schwarzen Brille und dem Kinnbart schon vorher eingenommen für sein Projekt „Sterneküche macht Schule“: Kita-Koch Oliver Hein hatte sich um die Teilnahme beworben. Die Begeisterungsfähigkeit, die die Kinder in Niederelbert beim Schnippeln, Kochen und Abschmecken an den Tag legen, macht dem TV-Starkoch Marquard großen Spaß. Sie machen es ihm leicht, sie zu „Agenten für genial einfaches, gutes Kochen“ auszubilden. Denn das ist es, was Marquard anstrebt: eine Generation zu unterstützen, die wieder (gern) zu Hause kocht.
Der Sternekoch, bekannt aus Fernsehsendungen wie „Die Kochprofis“ (2005), „Grill den Henssler“ (2014–2017) oder aktuell der „Küchenschlacht“, setzt mit dem Projekt „Sterneküche macht Schule“ in Zusammenarbeit mit der Knappschaft auf einfaches, gesundes und nachhaltiges Kochen. Seit zehn Jahren ist er mit diesem Konzept unterwegs in bislang mehr als 200 Schulen und Kitas in ganz Deutschland, der Einsatz in Niederelbert war indes erst der zweite in Rheinland-Pfalz, berichtet Alexander Quirin, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Die Knappschaft finanziert die fröhlichen und lehrreichen Aktionen als Form der Gesundheitsprävention. Der Niederelberter Kita-Koch Oliver Hein hatte während einer Zugfahrt von einem Kollegen der Bordbistros von der Initiative erfahren und sofort eine Bewerbung geschickt. „Wir bieten 25 Aktionen im Jahr an – wer dieses Jahr nicht mehr zum Zuge kommt, erhält einen Termin für nächstes Jahr“, sagt Knappschaftssprecher Quirin.
Marquard zeigt den Kindern, wie sie die Finger beim Schnippeln einrollen und das Messer schräg ansetzen, damit sie sich nicht verletzen. Er schiebt sie vorsichtig zur Seite, ehe er den Backofen öffnet, damit ihnen nicht der heiße Dampf ins Gesicht schlägt. Er zeigt ihnen – und dem Küchenteam der Kita –, dass Nudeln auch in weniger Wasser gar werden und das Nudelwasser wunderbar für eine cremige vegane Bolognesesoße verwendet werden kann. Für die wird das Gemüse angeröstet, das gibt besonders viel Geschmack.
„Das Kochwasser ist dann mit der Stärke aus den Nudeln angereichert“, erklärt Marquard. Der ebenfalls auf Basis von Nudelwasser hergestellten Würzsoße, die beispielsweise dem Kartoffelstampf besonders intensives Aroma gibt, werden für die Umami-Note angeröstete Champignons beigefügt. Hafermilch gibt sowohl dem Kartoffelstampf als auch der veganen Mayo ihre Konsistenz – uns zwar selbst gemachte Hafermilch, wie Marquard betont. Dazu brauche es zwar einen leistungsfähigen Mixer, seiner bringe es auf 28.000 Umdrehungen pro Minute.
Dafür sei seine Hafermilch nicht gesüßt – während viele als gesund angesehenen Getränke gerade für Kinder, die „Schulmilch“ etwa oder Fruchtsäfte, bis zu 100 Gramm Zucker pro Liter enthielten. Dass seine selbst gemachte Hafermilch nur wenige Cent pro Liter kostet, während die fertige aus dem Supermarkt mit rund 2,60 Euro zu Buche schlägt, ist mehr als ein positiver Nebeneffekt: Der Fernsehkoch erinnert daran, wie viel Geld Landkreise und Gemeinden zu den Essenskosten in Schul- und Kita-Mensen dazugeben. Marquard sagt, nach seinen Grundsätzen könne eine Kita oder Schule 25 Prozent beim Einkauf sparen, 30 Prozent an Energie und 40 Prozent Abwasser und Abfall.
Neben den Kindern und Erzieherinnen und natürlich dem Kita-Koch sind auch die Kita-Leitung, Pfarrer Steffen Henrich für den Träger und mehrere Mütter aus dem Elternausschuss begeistert von der Aktion in St. Antonius – oder, wie Marquard es ausdrückt: „Nach zwei Tagen sind wir alle dicke Freunde.“ Pfarrer Henrich macht keinen Hehl aus seiner hohen Meinung: „Warmes Essen wäre mir jetzt lieber als warme Worte“, scherzt er. Bärbel Wilhelmi (Leitungsteam) erzählt, ein Kind habe morgens schon gesagt: „Heute ist der beste Tag in meinem Leben.“
Die Mütter Steffi Paulus und Vanessa Berkessel berichten, während sie genüsslich kauen, die Kinder seien Oliver Hein, der sie in der Kita jeden Tag so lecker bekocht, dass sie zu Hause davon schwärmen, treu ergeben: „Unser Koch ist auch ein Star für die Kids – groß und stark und als einziger Mann in der Kita“, sagt Berkessel. „Es ist eine Erleichterung zu wissen, dass das Kind schon warm gegessen hat“, sagt Paulus und Berkessel ergänzt: „Wir wissen, die Kinder sind hier auch kulinarisch bestens versorgt“, und sie schwärmt von der regionalen, saisonalen Küche der Kita.
Die Vertreterinnen des Elternausschusses freuen sich, dass sie nicht nur zu der zweitägigen Aktion eingeladen sind, sondern auch über jeden Schritt informiert sind. „Wir hoffen, dass wir zu Hause von unseren Kindern bekocht werden“, schmunzeln sie und sind ganz ernsthaft froh, dass die Eltern zusammen mit den Kindern dafür sensibilisiert werden, mit einfachen Mitteln gesund zu kochen. Dabei könne der Starfaktor von Fernsehkoch Marquard nur nützen.
Schulen und Kitas, die sich für eine Teilnahme bewerben möchten, können dies online tun über die Internetseite www.sternekueche-macht-schule.de/startseite/jetzt-bewerben/
Garzeit verkürzen, Eiweiße aufschließen
Besonders wichtig ist Stefan Marquard die Methode des „Aktivierens“ von Gemüse, Fleisch und Fisch: Indem die Lebensmittel vor dem Garen mit einer Mischung von Salz und Zucker gewürzt werden, könne die Garzeit von Gemüse um 75 Prozent reduziert werden, wichtige Vitamine, Mineralien und Spurenelemente blieben erhalten. „Der Eigengeschmack von Fleisch und Fisch wird verstärkt. Durch das Salz werden bei tierischen Produkten Eiweiße aufgeschlossen. Das Wasser wird innen gebunden und dadurch entsteht beim anschließenden Garen kein Gewichtsverlust“, erklärt der Sternekoch in einem Rezeptbuch zur Initiative „Sterneküche macht Schule“, das die Knappschaft aufgelegt hat. In der auf der Internetseite https://www.sternekueche-macht-schule.de herunterladbaren Rezeptsammlung ist auch zu lesen, dass Marquard selbst diese Methode entwickelt habe.