Hinter dem Namen Hachenburg verbirgt sich nicht nur eine Stadt im Westerwald, sondern auch eine weltweit verzweigte Familie. Beide hängen aber durchaus zusammen, wie die Geschichtswerkstatt Hachenburg (GWH) in ihrem 2023 veröffentlichten Buch über den 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten Poeten Hanuš Hachenburg ausführlich darstellt. Ein weiterer interessanter Sprössling der Familie Hachenburg, deren Anfänge auf den Stammvater Seligmann Hachenburg zurückgehen (Ururgroßvater von Hanuš) ist Walter Hachenburg.
Geschichtsinteressierten ZDF-Zuschauern ist dieser Name vielleicht schon einmal begegnet, beispielsweise in der Dokumentation „Der deutsche Abgrund: Jeder kann es sehen 1935-1938“. Auch zu der spannenden Persönlichkeit von Walter Hachenburg hat die GWH um ihren Vorsitzenden Bruno Struif bereits recherchiert und dazu interessante Details publiziert.

China-Reise brachte den Stein ins Rollen
Dass die GWH sich überhaupt mit dem Familiennamen Hachenburg beschäftigt (hat), ist einem Zufall zu verdanken, wie Bruno Struif im Vorwort zum Buch über Hanuš Hachenburg schreibt: Beata Weiler, Vorstandsmitglied der Geschichtswerkstatt, machte 2007 eine Studienreise durch China. Dabei lernte sie laut Struif eine Mitreisende namens Gisela-Renate Carageorge kennen. Die eine stammt aus der Stadt Hachenburg, die andere ist eine geborene Hachenburg.
Bruno Struif vertiefte sein Wissen über jene Familie, die auch bereits im Buch „Zachor. Ein Buch des Gedenkens. Zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde Hachenburg“ von Werner A. Güth, Johannes Kempf und Abraham Frank erwähnt wird, schließlich bei einer Reise nach Prag auf den Spuren von Seligmann Hachenburg und seiner in Tschechien lebenden Nachkommen.
Adelige und jüdische Wurzeln
Laut Überlieferung und Familiensaga haben die Hachenburgs einen adeligen Vorfahren: Johann August Burggraf von Kirchberg, letzter Regent von Sayn-Hachenburg, starb 1799 zwar unverheiratet, soll aber einen unehelichen Sohn mit der jungen Jüdin Sarah, Tochter des Hachenburger Seifenmachers Baruch Löw gehabt haben, wie Struif im Buch der GWH ausführt. Dieser Junge war der 1796 geborene Seligmann Hachenburg, der in Prag aufwuchs.
Ein Enkel von Seligmann war Walter Hachenburg, der sein Glück in Deutschland suchte und dessen Tochter wiederum Gisela-Renate Carageorge ist. Walter Hachenburg wurde am 21. April 1898 geboren und wuchs in Hannover auf, wohin sein Vater Josef vermutlich wegen eines Studiums der Elektrotechnik umgesiedelt war. Wie Bruno Struif bei seinen Recherchen herausgefunden hat, war Walter sehr begabt und hatte viele Talente. Schon früh habe er ein Logo entwickelt, das er sein ganzes Leben lang beibehielt und das heute noch die Platte einer Familiengrabanlage in Bremen ziert. Zwischen seinen Initialen W und H platzierte er eine abstrakte Darstellung eines Stadttors mit Rundbogen. Das Logo erinnert stark an das Hachenburger Stadtwappen. Der GWH-Vorsitzende vermutet, dass Walter Hachenburg damit die Herkunft seiner Familie andeuten wollte.
Leuchtreklame-Firma Hachenburg existiert noch heute in Bremen
1917, so heißt es im Buch über die Hachenburgs, habe sich Walter freiwillig zum Militärdienst gemeldet, bis Kriegsende wurde er bis zum Feldwebel befördert. 1926 heiratete er seine erste Frau Elfriede Brandt, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Vor dem Krieg hatte Walter zunächst eine Lehre als Bildermaler gemacht, nach dem Ersten Weltkrieg holte er das Abitur nach und studierte Kunst. Anschließend gründete er als Werbefachmann und Schildermaler die Firma Hachenburg in Bremen, die bis heute existiert und auf Lichtwerbung spezialisiert ist.

Neben der Herstellung von Leuchtreklame organisierte Walter Hachenburg große Veranstaltungen in der Hansestadt und galt als angesehener Geschäftsmann. Seine erste Ehe wurde Mitte der 1930er-Jahre geschieden, 1937 heiratete er Gretchen Heißenbüttel, mit der er ebenfalls zwei Kinder bekam. Eines davon ist Gisela-Renate Carageorge. Zu Walter Hachenburgs vielseitigen künstlerischen Hobbys zählten die Filmerei, das Malen und die Literatur. Er besaß eine Schmalfilmkamera und fertigte zunächst Schwarz-Weiß-Filme an. Später kamen auch Farbfilme hinzu, die damals noch sehr teuer und wenig verbreitet waren.
Vielbeachtete Filmsequenzen von Walter Hachenburg aus der NS-Zeit
Obwohl Walter Hachenburg jüdische Wurzeln hatte, hoffte er, vor den Aggressionen der Nationalsozialisten verschont zu werden, weil er evangelisch-lutherisch getauft wurde, Soldat im Ersten Weltkrieg und sein Sohn Hans-Walter Mitglied der Hitler-Jugend war. Allerdings machte er sich große Sorgen um seinen inzwischen in Berlin wohnenden Vater Josef, der nach den Novemberpogromen 1938 allen Lebensmut verlor und sich kurz darauf das Leben nahm.

Walter hatte sich zu Beginn des Krieges als Wehrmachtsreservist gemeldet und sich für die Kontrolle und Einhaltung von Luftschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt, wie Bruno Struif berichtet. In seinem Film „Der Krieg bricht aus“ ist Walter in Uniform vor einem Plakat „Verdunkelung ab sofort“ zu sehen. Eine andere Szene zeigt ihn mit seinem Sohn bei einer Schutzmasken-Übung. Tochter Gisela-Renate Carageorge hat die Filme dem Stadtarchiv Bremen übergeben. Sequenzen aus diesen viel beachteten Filmen wurden unter anderem in der genannten ZDF-Doku „Der deutsche Abgrund: Jeder kann es sehen 1935-1938“ sowie in dem Film „Bremen wird bunt“ von Regisseur Daniel Tilgner gezeigt.

Sein Weg führte ihn auch die namensgebende Stadt seiner Vorfahren
Die Hoffnung Walters auf Verschonung durch die Nazis wurde im Mai 1944 endgültig zerstört: Er wurde inhaftiert, als Halb-Jude wurde ihm eine „nicht genehmigte Eheschließung“ vorgeworfen. Er wurde zu Zwangsarbeit in einem Arbeitserziehungslager verurteilt. Er überlebte, hatte jedoch noch lange Zeit mit den physischen und psychischen Folgen des Lagers zu kämpfen. Nach dem Krieg führte er sein Werbeunternehmen weiter. In den 1950er-Jahren entwickelte er das Spiel „Wie gehen die Geschäfte?“, laut Beschreibung ein „Unternehmerspiel voll Spannung und Humor“ für Jugendliche und Erwachsene, das konzeptionell an Monopoly erinnerte und das er 1955 auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorstellte. Bei derselben Messe wurden erstmals die von einer dänischen Firma entwickelten Lego-Steine präsentiert, wie Bruno Struif im Buch der GWH informiert.

Sein Weg führte Walter Hachenburg auch in die Stadt Hachenburg, wo er ein eindrucksvolles Aquarell vom Innern der katholischen Kirche fertigte. Der Unternehmer starb 1965 im Alter von 67 Jahren. Auf dem Friedhof in Bremen, auf dem er beigesetzt wurde, erinnert eine mit vier Säulen ausgestattete Grabanlage an weitere Familienmitglieder. red

Die Informationen zu diesem Artikel stammen aus dem 200-seitigen Buch „Hanuš Hachenburg – Poet, Holocaustopfer, Spross einer weitverbreiteten Familie“ von Bruno Struif. Es ist im Hachenburger Buchhandel und über die Geschichts-Werkstatt Hachenburg (Telefon 0175/6124679 und per E-Mail an info@ geschichtswerkstatt-hachenburg.de ) erhältlich.