Martin Sturm reiste mit schwerem Gepäck an, denn im Zentrum seines Programms stand Arnold Schönbergs Opus 40, die „Variations on a Recitative“, ein selten zu hörendes Orgelmonumentum aus dem Jahre 1941, das aufgrund seines Anspruchs an Instrument und Interpreten als extrem herausfordernd gilt. Ganz der Zwölfton-Reihentechnik verschrieben, geht es dynamisch von pppp bis ffff im steten Wechsel, lässt sich harmonisch nicht fassen und ist zudem rhythmisch außerordentlich vertrackt. Sturm aber erwies sich an der bestens geeigneten Marienstatter Orgel als Meister – mit einem beglückenden Schuss von Klarheit, Transparenz und Struktur.
Sturms Improvisationskunst
Dies finde sich in seinem gesamten Spiel wieder: ob in Bachs berühmter Toccata und Fuge in d-Moll BWV 565 oder in Regers „Benedictus“ aus den „12 Stücke op. 59 Nr. 9“. Doch besonders lobend zu erwähnen sei Sturms Improvisationskunst. Gleich drei Stücke wurden während seines Gastspiels in der Basilika abwechselnd zur Literatur eingeflochten: zunächst eine Pastorale, den Vogelgesang imitierend, dann eine Metamorphose, die an ein tibetanisches Kloster mit Glocken und Klangschalen erinnerte und die sich zu einem monumentalen Crescendo, gleich dem Mount Everest, steigerte. Und zum Schluss die Symphonischen Skizzen, eine frei improvisierte Sinfonie im Stil eines Bruckner – klar im Aufbau und im Umgang mit dem thematischen Material.
Spezieller Klang begeisterte
Sturms Umgang mit dem Disponieren der einzelnen Register zu einem neuen, speziellen Klang sei begeisternd gewesen, heißt es weiter in der Pressemitteilung. So etwas habe die Marienstatter Orgel noch nicht gehört, das Erlebnis sei großartig und inspirierend gewesen – unkonventionell, provokativ, aber dennoch feinsinnig und emotional. Es stehe die Frage im Raum, ob hier eine neue Generation junger, deutscher Organisten heranwachse, die den Mut habe, neue Wege zu gehen. Das Publikum jedenfalls habe sich dankbar an der prompt gelieferten Zugabe mit dem Thema „Guten Abend, gute Nacht“ in der stimmungsvoll illuminierten Basilika erfreut.
Mit Romantik gepunktet
Mit Romantik punktete zum Abschluss des Triduums dann Christian Ott aus Versailles an der Rieger-Orgel. César Franck (1822-1890), einer der großen, Stil prägenden Komponisten der französischen Orgelmusik, stand dabei im Mittelpunkt. Ott wollte mit seiner Auswahl Stücke aus einer besonderen Lebensphase des Komponisten Franck nebeneinanderstellen – in diesem Fall der Letzten.
Franck gilt laut Presseinfo als der erste Komponist, der Opfer eines Verkehrsunfalls wurde: Er wurde von einer Droschke angefahren. In den folgenden Monaten bis zu seinem Tod vollendete er die drei großen Orgelchoräle und Zyklen zu je sieben kleinen Stücken für das Harmonium zum liturgischen Gebrauch.
Französisches Druckwindharmonium
Das französische Druckwindharmonium ersetzte damals in den Kirchen teilweise die Orgel. Vor dem Altarraum in der Marienstatter Basilika stand ein original Alexandre-Druckwindharmonium von 1857 aus Paris. Der Wechsel zwischen Orgel und Harmonium war für Ott kein Problem, zumal sich seit einiger Zeit die Orgel durch einen fahrbaren Spieltisch auch von unten spielen lässt, der jetzt direkt neben dem Harmonium platziert war. So war der Organist direkt vor den Augen der Zuhörer in Aktion. Seine typisch französische Registrierung hatte Ott vorher elektronisch in den Setzer der Orgel eingespeichert.
Stücke mit besonderem Reiz
Der Kontrast zwischen den drei großen Chorälen und den Stücken aus „L'Organiste“ hinterließ einen starken und nachhaltigen Eindruck, aber auch für sich genommen, versprühten die verspielten Harmoniumstücke ihren eigenen, besonderen Reiz. Die Zuhörer lauschten gespannt und ließen sich einfach von den sanften Klängen tragen. Manche waren aus anderen Bundesländern angereist, um sich diese seltene Konstellation von Instrumenten nicht entgehen zu lassen.
Musikalische Überraschung
Zudem wartete Ott noch mit einer musikalischen Überraschung auf: Einen Zyklus der genannten Harmoniumstücke interpretierte er ohne Scheu auf der Rieger-Orgel. Mit meisterhaftem Gespür für historische Klänge bediente er sich der neu erworbenen, romantischen Register aus dem 19. Jahrhundert, die seit einiger Zeit der neobarocken Orgel ein neues Gesicht verleihen. Die erstaunten Zuhörer konnten fast keinen Unterschied mehr zum Klangcharakter des gleichaltrigen Harmoniums erkennen. So öffnete sich die Marienstatter Orgel einer neuen Epoche. red
Instrument wird noch im Herbst erweitert
Die Rieger-Orgel erhält noch im Herbst mit dem Aufbau eines englischen Chorwerks ein weiteres Plus, das gerade jetzt nach den romantischen Überraschungen des Orgeltriduums die Herzen aller Liebhaber der Orgelmusik höherschlagen lässt. Auch das nächste Konzert in der Abteikirche Marienstatt steht schon fest: Am Sonntag, 6. Oktober, um 15.15 Uhr präsentiert das Rux-Trio aus Berlin (Sopran, Naturtrompete und Orgel) unter anderem Werke von Kerll, Walther, Bach, Händel, Stanley und Richter. rede. red
Die Rieger-Orgel erhält noch im Herbst mit dem Aufbau eines englischen Chorwerks ein weiteres Plus, das gerade jetzt nach den romantischen Überraschungen des Orgeltriduums die Herzen aller Liebhaber der Orgelmusik höherschlagen lässt. Auch das nächste Konzert in der Abteikirche Marienstatt steht schon fest: Am Sonntag, 6. Oktober, um 15.15 Uhr präsentiert das Rux-Trio aus Berlin (Sopran, Naturtrompete und Orgel) unter anderem Werke von Kerll, Walther, Bach, Händel, Stanley und Richter. red