Darf eine ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin neben ihrer Aufwandsentschädigung monatlich bis zu 3000 Euro als Verdienstausfall geltend machen? Mit dieser Frage hat sich die Kommunalaufsicht des Westerwaldkreises im vergangenen Jahr auseinandergesetzt. Auf Intervention aus Montabaur musste die Ortsgemeinde Höhn daraufhin ihre Hauptsatzung ändern. Wir haben Reaktionen eingesammelt. Es gibt viel Lob, aber auch Kritik.
Doch der Reihe nach: Im März 2023 hatte der Gemeinderat von Höhn eine neue Hauptsatzung rückwirkend zum 1. Januar beschlossen. Darin war geregelt, dass Ortsbürgermeisterin Karin Mohr, freiberuflich tätige Juristin, einen Verdienstausfall für einen monatlichen Zeitaufwand von 100 Stunden – wochentags jeweils von 8 bis 20 Uhr – geltend machen konnte. Die Regelung galt demnach automatisch, sofern zuvor über drei Monate der Nachweis des zeitlichen Aufwands erbracht worden war – und sollte auch im Fall der Wiederwahl der Amtsinhaberin fortbestehen. Zudem beschloss der Rat außerhalb der Hauptsatzung, den Durchschnittssatz zur Berechnung des Verdienstausfalls auf 30 Euro pro Stunde festzusetzen. Für die Kommunalaufsicht Grund genug einzuschreiten.
„Die Vorgabe der Aufsichtsbehörde wurde von der Ortsgemeinde inhaltlich rechtskonform umgesetzt.“
Die Kommunalaufsicht des Westerwaldkreises zur neuen Hauptsatzung der Gemeinde Höhn
Zum einen stellte Montabaur klar, dass ein Verdienstausfall nur gewährleistet werden könne, wenn das Ehrenamt notwendigerweise in einer Zeit wahrgenommen werden müsse, in der sonst der Berufsausübung nachgegangen werde. Zum anderen forderte man, die Höhe des Durchschnittssatzes für die Berechnung des Verdienstausfalls in der Hauptsatzung zu regeln. Dem kam der neu gewählte Gemeinderat zügig nach, änderte in seiner Sitzung am 19. August 2024, also noch vor dem Ende der rheinland-pfälzischen Sommerferien, den umstrittenen Paragrafen 7 der Hauptsatzung, in dem die Aufwandsentschädigung für den Ortsbürgermeister geregelt ist. Dieser besagt nun unter anderem, dass ein Verdienstausfall durch Einzelnachweis über mindestens drei Monate dokumentiert und als durchschnittlicher Zeitaufwand für einen Verdienstausfall fortan verwendet werden kann. Spätestens nach zwei Jahren oder bei wesentlich veränderter Grundlage ist nun eine Überprüfung vorgesehen.
Unsere Zeitung hat im Laufe des zurückliegenden Dezembers den Beteiligten beim Kreis, sowie der Verbands- und Ortsgemeinde die Möglichkeit eingeräumt, diese Neuregelung zu bewerten – und hat auch externe Expertise eingeholt. Für die im Kreishaus Montabaur angesiedelte Kommunalaufsicht ist der Stein des Anstoßes aus dem Weg geräumt. „Die Vorgabe der Aufsichtsbehörde wurde von der Ortsgemeinde in dem neugefassten Paragrafen 7 der Hauptsatzung inhaltlich rechtskonform umgesetzt“, heißt es auf Anfrage. Die geänderte Fassung sei vor der Beschlussfassung durch den Ortsgemeinderat mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt worden. Was die Überprüfung der Regelung anbelangt, verweist Montabaur auf das Rathaus in Westerburg: „In unserer Beanstandungsverfügung haben wir klare Hinweise zur Glaubhaftmachung eines konkreten Verdienstausfalls gegeben. Der Vollzug des Paragrafen der Hauptsatzung durch Prüfung, Berechnung und Auszahlung der Aufwandsentschädigung und eines Lohnausfalles oder Verdienstausfalles oder Nachteilsausgleiches obliegt der Verbandsgemeindeverwaltung“, betont die Kommunalaufsicht.
„Der zeitliche Aufwand hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert.“
Ortsbürgermeisterin Karin Mohr zum aktuellen Einzelnachweis zur Ermittlung des Verdienstausfalls.
Im wahrsten Sinne des Wortes „einsilbig“ fielen die Reaktionen von Markus Hof, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Westerburg, in dieser Angelegenheit aus. „Nein“ antwortete der CDU-Politiker am 5. Dezember auf die Frage, ob er Erkenntnisse habe, auf welchen durchschnittlichen Stundenanteil im Monat die ehrenamtliche Tätigkeit der Ortsbürgermeisterin von Höhn laut Einzelnachweis hinauslaufe, an dem sie ihren beruflichen Verpflichtungen nicht nachkommen könne. Die Frage, ob er im Austausch mit der Gemeinde stehe, was eine künftige Überprüfung dieses Stundenanteils anbelangt, entlockt ihm ein „Ja“.
Karin Mohr, die bei den Kommunalwahlen im vergangenen Juni im Amt der Ortsbürgermeisterin von Höhn bestätigt wurde, verweist auf zeitliche Fristen, die bei der Änderung der Hauptsatzung einzuhalten waren. „Die Kommunalaufsicht hat in ihrer Verfügung vom 27. Mai 2024 den Ortsgemeinderat aufgefordert, binnen drei Monaten die Regelung zu ändern. Dieser Aufforderung ist der Ortsgemeinderat in der Sitzung vom 19. August 2024 fristgemäß nachgekommen“, betont sie. Laut Protokoll der Sitzung stimmten im vergangenen Sommer 15 Ratsmitglieder für die entsprechende Änderung der Hauptsatzung. Es gab eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Auch die Ortsbürgermeisterin bestätigt, dass die getroffene Regelung im Vorfeld mit der Kommunalaufsicht abgestimmt worden sei. Die Ermittlung des Zeitaufwandes ist laut der CDU-Frau im Zeitraum vom 20. August bis 30. November 2024 erfolgt. „Der zeitliche Aufwand hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert“, so ihr Fazit.
„Freifahrtscheine, wie sie der Ortsgemeinderat im Sinn hat, lehnen wir strikt ab.“
René Quante, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Rheinland-Pfalz
Der Bund der Steuerzahler sieht die neu gefundene Regelung in Höhn dagegen weiterhin skeptisch, vor allem den Passus, dass ein nachzuweisender Verdienstausfall als Basis für die kommende Zeit herangezogen werden kann. „Im Praxisfall heißt das, dass die Ortsbürgermeisterin nur drei Monate dokumentieren müsste und dann 21 Monate lang davon den Durchschnitt als Verdienstausfall erhalten könnte, ohne dies weiter dokumentieren zu müssen“, sagt der rheinland-pfälzische Geschäftsführer René Quante gegenüber unserer Zeitung. „Doch was sollte es für ,Anhaltspunkte’ gegen diesen Durchschnitt geben, wenn die weitere Dokumentation unterlassen wird – anonyme Hinweise aus der Verwaltung oder eine kritische Berichterstattung in der Zeitung?“, fragt er weiter. „Wer auf Kosten der Steuerzahler einen Verdienstausfall will, sollte den immer auch dokumentiert begründen können. Freifahrtscheine, wie sie der Ortsgemeinderat im Sinn hat, lehnen wir strikt ab“, so Quante abschließend.
Ein Auszug aus der neuen Hauptsatzung der Ortsgemeinde Höhn
So regelt die Ortsgemeinde Höhn den Verdienstausfall in ihrer Hauptsatzung: „In einem Dienst- und Arbeitsverhältnis stehenden Personen wird neben der Aufwandsentschädigung nach Absatz 1 der nachgewiesene Lohnausfall in voller Höhe ersetzt. Anderen Personen (insbesondere Gewerbetreibende, Landwirte und Angehörige freier Berufe) wird auf Antrag der glaubhaft gemachte Verdienstausfall in Höhe eines Durchschnittssatzes von 30,00 Euro erstattet. Erstattungsfähig ist der (...) glaubhaft gemachte Zeitaufwand (Zeit, in der (...) das Ehrenamt notwendigerweise wahrgenommen wird, in der sonst der Berufsausübung nachgegangen werden würde). Der Verdienstausfall kann durch Einzelnachweis über mindestens drei Monate dokumentiert und als durchschnittlicher Zeitaufwand für einen Verdienstausfall für darauffolgende Zeiträume verwendet werden. Spätestens nach zwei Jahren, oder wenn sich Anhaltspunkte ergeben, dass sich die Grundlagen wesentlich verändert haben, sind diese erneut glaubhaft zu machen.“