Infolge der Dürresommer seit 2018 sind bundesweit bereits mehr als 500.000 Hektar Wälder verloren gegangen. Allein die ökonomischen Schäden werden auf rund 15 Milliarden Euro geschätzt.Erholung, Klimaschutz, sauberes Wasser und Holzlieferant – nur durch die erfolgreiche Wiederbewaldung kann der Wald auch in Zukunft noch seine wichtigen vielfältigen Funktionen erbringen. Dabei wird die konkrete Ausrichtung bundesweit kontrovers und mit unterschiedlichen Interessensschwerpunkten diskutiert.
150 Gäste nahmen an einer Fachtagung des Waldbildungszentrums in der Annakapelle des Klosters Marienstatt zum Thema teil. Die Veranstaltung, die Experten aus Wissenschaft und Praxis aus den Bereichen der Waldentwicklung, der Klimaforschung sowie Vertreter der Holzindustrie zusammenbrachte, bot eine Plattform für einen interdisziplinären Austausch, um nachhaltige Lösungen für den Erhalt und die Entwicklung unserer Wälder zu erörtern.
Mögliche Lösungsansätze wurden in Exkursionen veranschaulicht, die mit großem Interesse frequentiert wurden, da das Thema eines der wichtigsten für Forstleute, Waldbesitzende und Naturschutz ist. Im Kern ging es dabei um die Frage, wie Wiederbewaldung in Zusammenarbeit mit der Natur besser gelingen kann als allein mit flächiger Aufforstung: Die Natur verfügt über ein gewisses Repertoire an Selbstheilungskräften, die für die Waldentwicklung von Bedeutung sind. Heimische Baumarten wie Buche, Eiche, Hainbuche und Weißtanne, Totholzreserven auf den Schadflächen sowie die Einbeziehung der Sukzession sind wichtige Bausteine der ökologischen Wiederbewaldung. Pflanzungen erfolgen nur punktuell als Ergänzung, wo die Natur wichtige Baumarten nicht selbst beisteuert.
Die jungen und älteren Wälder im Exkursionsgebiet zeigen, wie Zusammenarbeit mit der Natur im Dreiklang von Prophylaxe, Sukzession, und ergänzender Pflanzung gelingt.
Neue Konzepte, die die Regenerationsfähigkeit der Natur mit einbeziehen
Das Ergebnis zeigt baumartenreiche Wälder, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch überzeugen. Die Besucher, die bundesweit anreisten, ermöglichten mit ihren unterschiedlichen Perspektiven wertvolle und konstruktive Diskussionen.
Auch auf der Tagung selbst referierten Experten unterschiedlicher Fachrichtungen. So verdeutlichte Georg Josef Wilhelm, ehemaliger Referent für Waldentwicklung bei Landesforsten Rheinland-Pfalz, dass nicht nur der menschengemachte Klimawandel, sondern auch der Verlust von Artenvielfalt und vielfältige menschliche Eingriffe das ökologische Gleichgewicht gefährden.
Adaptive Strategien, um dem Prozess der Klimaveränderung gerecht zu werden
Erwin Hussendörfer, Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, präsentierte wissenschaftliche Erkenntnisse, die konventionelle Praktiken infrage stellen und die dringende Notwendigkeit adaptiver Strategien betonen. Er unterstrich, wie sich ökologische Prozesse aufgrund von Klimaveränderungen drastisch veränderten, während die Reaktionen weiterhin auf veralteten Modellen basierten.
Katharina Tiebel von der Technischen Universität Dresden beleuchtete die essenzielle Rolle der Sukzession bei der Wiederbewaldung von Schadflächen. In den letzten drei Jahrzehnten hätten Schadereignisse, die zu Freiflächen im Wald führen würden, an Intensität und Ausmaß zugenommen. Sie betonte die zentrale Bedeutung der Sukzession für die ökologische Wiederbewaldung und gab wissenschaftlich fundierte Hinweise für die Praxis.
Den Wald als komplexes System betrachten
Die Leiterin des Forstamtes Hachenburg und des Waldbildungszentrums Rheinland-Pfalz, Monika Runkel, präsentierte ihre Erfahrungen mit der sukzessionsbasierten Wiederbewaldung auf Kalamitätsflächen. Das Forstamt Hachenburg betreut zu 80 Prozent Kommunalwald. Bereits 30 Prozent der Waldfläche seien seit 2018 dem Borkenkäfer und Dürre zum Opfer gefallen. Damit einher gingen erheblicher Vermögensverlust, wirtschaftliche Folgeschäden und der zumindest temporäre Verlust vieler Ökosystemleistungen des Waldes. Wald sei ein hochkomplexer Gesamtorganismus mit spezifischen Prozessen eines lebendigen Netzwerkes aus Pflanzen, Tieren, Pilzen, Flechten und Mikroorganismen.
Es sei unerlässlich, die vorhandenen ökologischen Selbstheilungsprozesse auf Störflächen wie den Käferflächen seit 2018 einzubeziehen, wenn sich gesunde und lebendige Wälder entwickeln sollen. Pflanzungen müssten gut überlegt und punktuell erfolgen. „Wir können keinen Wald pflanzen“, führte Monika Runkel aus. Die Waldflächen, auf denen ausreichend Totholz belassen, Sukzession eingebunden und Buchenvorausverjüngung in Nadelbaumreinbeständen durchgeführt wurden, überzeugten mit atemberaubender Artenvielfalt, ökologischen Prozessen und nicht zuletzt auch mit ökonomischer Überlegenheit.
Wir können keinen Wald pflanzen
Monika Runkel, Leiterin des Forstamtes Hachenburg/Waldbildungszentrum Rheinland-Pfalz plädiert für eine komplexere Betrachtungsweise
Anschließend legte Martin Greve von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft RLP den Fokus auf die tiefgreifenden Folgen von Kahllagen für den sensiblen Nährstoffkreislauf im Wald. Greve unterstrich, dass solche Eingriffe zu intensiven Nährstoffauswaschungen und Versauerungsprozessen führen könnten, die zukünftig wiederum die ökologische Stabilität beeinträchtigten könnten.
Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung deutete auf die essenzielle Bedeutung von Klimafolgen und der Resilienz von Wäldern hin. Angesichts des sich verändernden Klimas sei es von höchster Relevanz, die Anpassungsfähigkeit der Wälder zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den zunehmenden klimatischen Herausforderungen zu stärken.
Abschließend lenkte Markus Mann von der Westerwälder Holzpellets GmbH die Aufmerksamkeit auf die Zukunft der Holzverwendung. Er präsentierte konkrete Beispiele für die Demokratisierung und Dezentralisierung der Energieversorgung durch die Nutzung von Holz. Sein Unternehmen passe sich bereits an die Herausforderungen an, indem es vermehrt auf Baumarten setze, die auf den zukünftigen Freiflächen gedeihen werden. Diese strategische Anpassung verdeutliche die Möglichkeiten, die in disruptiven Veränderungen liegen, und betone die Bedeutung von Innovation und Flexibilität aktuell im Zeitalter des Klimawandels.
In Anbetracht der wachsenden Herausforderungen des Klimawandels und der damit einhergehenden Auswirkungen auf unsere Ökosysteme rückt der Wald als lebenswichtiger Bestandteil für das ökologische Gleichgewicht und das Wohlergehen unserer Gesellschaft immer stärker in den Fokus. Die Tagung verdeutliche eindringlich die Notwendigkeit, die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf unsere Wälder zu reduzieren und es als gemeinsame Priorität zu betrachten, die Ökosysteme in ihrer Selbstorganisation und Anpassungsfähigkeit zu erfassen und zu stärken. Die heute ergriffenen Maßnahmen seien nicht nur für uns, sondern vor allem für kommende Generationen von großer Bedeutung.red
Was ist Sukzession?
Sukzession ist die Veränderung der Artenzusammensetzung an einem bestimmten Ort im Laufe der Zeit.
Im Zusammenhang mit Vegetation ist in der Regel die progressive Sukzession gemeint, bei der die typischen Pflanzen-, Tier- und Pilzgesellschaften einen Standort neu besiedeln und sich verbreiten.