Der Landrat ist zufrieden: Auch wenn der Westerwaldkreis 11,5 Millionen Euro in den Trägerwechsel am Krankenhaus Hachenburg steckt, sieht Achim Schwickert das Geld gut in die stationäre Versorgung im oberen Westerwald angelegt. Den Neubau einer Westerwaldklinik, wie er einmal in Müschenbach geplant war, sieht der CDU-Politiker, positiv formuliert, in weite Ferne gerückt. Das Interview im Wortlaut.
Wie bewerten Sie die Entwicklung mit Blick auf die medizinische Versorgung im oberen Westerwald?
Der Krankenhausstandort in Hachenburg ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Sicherstellung der stationären Gesundheitsversorgung der Menschen im nördlichen Teil des Westerwaldes. Die Erhaltung eines Krankenhausstandortes hat zudem immer auch eine Auswirkung auf die medizinische Versorgung im ambulanten Bereich bis hin zur Notarztversorgung. Insoweit ist es eine gute Nachricht, wenn der Standort in Hachenburg durch die Übernahme der Trägerschaft durch den Träger Dierdorf/Selters erhalten, gesichert und ausgebaut werden kann. Das rechtfertigt auch das finanzielle Engagement des gesamten Westerwaldkreises.
Warum fiel die Entscheidung zugunsten von Dierdorf/Selters – und nicht für den Mitbewerber, die Diakonie in Südwestfalen?
Die Frage lässt vermuten, als hätte der Westerwaldkreis bei der Auswahl der Träger quasi die „Qual der Wahl“ gehabt. In der heutigen Situation der gesamten Krankenhauslandschaft bin ich beiden Trägern zunächst einmal ausdrücklich dankbar dafür, dass sie in Verantwortung der Bevölkerung in ihren Einzugsbereichen überhaupt ein Angebot abgegeben haben. Ich denke auch, dass ich sagen darf, dass beide Träger in dem laufenden Insolvenzverfahren zu keinem Zeitpunkt in einer Konkurrenz zueinandergestanden haben. Jeder der Träger hat für sich überlegt, wo er im Rahmen seiner Kapazitäten am besten helfen kann. Im Ergebnis ist es nun so, dass der Träger Dierdorf/Selters den Standort in Hachenburg übernimmt, und der Träger Diakonie Südwestfalen den Standort in Kirchen und die Jugendpsychiatrie in Altenkirchen übernehmen könnte, wobei für Letztere der Westerwaldkreis auch Mitverantwortung trägt.
„Wir freuen uns, dass das mit der Integration verbundene Konzept die uneingeschränkte Gutheißung des Landes gefunden hat.“
Achim Schwickert, Landrat des Westerwaldkreises
Wie soll das Portfolio des Krankenhauses Hachenburg verändert werden, und an welchen zeitlichen Rahmen ist hier gedacht?
In Abstimmung mit dem Träger Dierdorf/Selters möchte ich hierzu folgende Antwort geben: Wir sind der Überzeugung, dass die vor Jahren geschaffene und stetig weiterentwickelte Angebotsstruktur in den Standorten Dierdorf und Selters durch die Integration des Standortes Hachenburg ideal zur gemeinsamen Sicherung und Stabilisierung der stationären Versorgung der Bevölkerung im oberen Westerwald genutzt werden kann. Die vorhandenen medizinischen Angebote der regional benachbarten Standorte Hachenburg, Dierdorf und Selters lassen sich nachhaltig gut kombinieren. Wir freuen uns, dass das mit der Integration verbundene Konzept die uneingeschränkte Gutheißung des Landes gefunden hat.
Können Sie konkreter werden?
Hier sind die nachhaltige Sicherung sowie das Anbieten zentraler Notaufnahmen, intensivmedizinischer Versorgung wie internistischer Abteilungen, mit kardiologischem Schwerpunkt in Hachenburg, an allen dann drei Standorten Hachenburg, Dierdorf und Selters zentral wichtig. Die chirurgische beziehungsweise orthopädische wie anästhesiologische Abteilung sind für Hachenburg dabei nicht nur in der Vergangenheit und Gegenwart bedeutend gewesen, sondern sind dies gerade auch nach der Integration in den neuen Verbund. Die Schaffung einer vom Land bestätigten Abteilung für Geriatrie ist für eine wohnortnahe Anschlussversorgung älterer noch zu mobilisierender Patienten, etwa nach Gelenk-OPs, sowie für die Bevölkerung der umliegenden Region für den dann neuen Träger in der Entwicklung ein nächster Schritt.

Neuer Träger für Hachenburger Klinik ab 1. Juni
„Weißer Rauch“ über dem Krankenhaus Hachenburg. Die Klinik in der Löwenstadt bekommt einen neuen Träger – wahrscheinlich schon zum 1. Juni. Der Kreistag in Montabaur hat den Weg für den Wechsel freigemacht.
Und wenn sie nach Dierdorf und Selters blicken ...
Bei sonstigen akuten Behandlungsnotwendigen stehen zu interdisziplinären medizinischen Absprachen weiter die neurologische Klinik mit umfassender Schlaganfallversorgung in der zertifizierten Stroke Unit am Standort Selters sowie zu verschiedenen operativen Behandlungsmöglichkeiten, etwa bei urologischen, gefäßmedizinischen wie visceral-chirurgischen Fragestellungen, die jeweiligen Abteilungen am Standort Dierdorf im Verbund zur Verfügung. Um dieses Angebot zu festigen und zu entwickeln, benötigt man in Hachenburg natürlich keinen geringeren Mitarbeiterstamm als bisher, sowie eine Haus- und Medizintechnik wie auch räumliche Infrastruktur, die in Schritten am bisherigen Standort angepasst werden muss.
Was bedeutet diese Entwicklung nun für den Bau eines Großklinikums Westerwald? Ist Müschenbach damit ad acta gelegt?
Manche sprechen ja auch vom „Großklinikum für den Westerwaldkreis“. Dieser Begriff hat mich schon immer gestört. Im Westerwaldkreis gibt es neben Hachenburg die Standorte in Selters, Dernbach und Montabaur, die in schwierigen Zeiten dabei mitwirken, die stationäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Ein einzelner Standort in Müschenbach hätte niemals diese Aufgaben übernehmen können. Die aktuelle Entwicklung in der Krankenhauslandschaft, insbesondere in den ländlichen Regionen wie der unseren, zwingt zu Lösungen, die tatsächlich helfen. Die tatsächliche Hilfe in dieser Situation besteht nicht darin, dass möglicherweise in zehn Jahren einmal ein neues Krankenhausgelände errichtet ist, wofür kein Personal mehr da ist. Im Übrigen sind die nach der aktuellen Krankenhausfinanzierung gedachten Eigenanteile der Träger – bei einem Neubau bleiben es die Kommunen oder die freien Träger – so utopisch, dass sich zurecht landesweit keiner dafür interessiert.