Regiejagd oder Verpachtung: Im Hauptausschuss sorgte Vorstoß von Stadtbürgermeister Rolf Jung für hitzige Diskussionen
Regiejagd? So will Selters seinen Wald in Balance bringen
Hohen Aufwand muss die Stadt Selters betreiben, um Baumpflanzungen in ihrem Gemeindewald vor dem Wild zu schützen. Seit Jahren schon beobachtet der zuständige Revierförster, dass bestimmte Baumarten in der Naturverjüngung durch starken Verbiss kaum aufkommen.
Katrin Maue-Klaeser/Archiv

Wald und Wild bilden von Natur aus eine Einheit, die im Gleichgewicht ist. Diese Balance kann nach menschlichen Eingriffen in das sensible System indes nur annähernd aufrechterhalten werden, wenn der Wildbestand durch Jagd reduziert wird. Weil dies in Selters nicht wunschgemäß funktioniere, hat Stadtbürgermeister Rolf Jung anlässlich der anstehenden Neuverpachtung der Jagd einen Wechsel zur sogenannten Regiejagd angeregt. Im Hauptausschuss sorgte der Vorstoß für eine kontroverse Diskussion.

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Hohen Aufwand muss die Stadt Selters betreiben, um Baumpflanzungen in ihrem Gemeindewald vor dem Wild zu schützen. Seit Jahren schon beobachtet der zuständige Revierförster, dass bestimmte Baumarten in der Naturverjüngung durch starken Verbiss kaum aufkommen.
Katrin Maue-Klaeser/Archiv

Vehement sprachen sich Jagdgenossenschaftsmitglieder gegen die Regiejagd aus, aber auch einige Ausschussmitglieder lehnten den Vorschlag des Stadtbürgermeisters ab.

„Der Wald braucht mehr Standhaftigkeit, um im Klimawandel zu bestehen“, erklärte Jung seine Intention. Da die Verbissschäden zumindest in einem der beiden Selterser Jagdreviere nachweislich nicht im nötigen Maß reduziert werden, hatte Jung die Regiejagd ins Spiel gebracht (wir berichteten). Dabei würde die Fläche nicht an einen Jäger verpachtet, sondern die Stadt würde einen Beauftragten einstellen, der für die Ausübung der Jagd verantwortlich wäre und das Erreichen der Abschusszahlen sicherstellen müsste.

Allerdings, und daran entzündete sich die Debatte insbesondere mit Vertretern der Jagdgenossenschaft, gäbe es dann auch keinen Jagdpächter, der für Wildschäden aufkommt. Wird die Jagd verpachtet, können Flächeneigentümer (die in der Jagdgenossenschaft organisiert sind) Schäden, die das Wild verursacht, beim Pächter geltend machen. Brechen beispielsweise Wildschweine auf der Suche nach Nahrung einen Acker um, erhalten die betroffenen Landwirte finanziellen Ausgleich.

Die Stadt Selters ist als Waldbesitzer Mitglied der Jagdgenossenschaft. Die Befürchtungen anderer Flächeneigentümer wurden aus den Redebeiträgen in der Ausschusssitzung deutlich: Wenn die Stadt ihre Waldflächen in Regiejagd überführt, blieben für eine Jagdverpachtung nur Feldfluren übrig. Dort ist praktisch nur Schwarzwild, unattraktiv für Jäger, wie Experte Felix Hackelbörger in Selters erläutert hatte: „Reine Feldfluren sind kaum zu verpachten.“ Findet sich kein Pächter, bleiben die Flächeneigentümer auf den Schäden sitzen.

„Die Kosten für Verbissschutz gehen zulasten der Steuerzahler, also der Bürger.“

Der Selterser Stadtbürgermeister Rolf Jung will über Regiejagd mehr Waldschutz erzielen.

Stadtbürgermeister Jung hob hervor, dass er die Regiejagd allein deshalb befürworte, weil die Verbissschäden in einem der Selterser Jagdreviere so gravierend seien – und Gespräche mit dem Jagdverantwortlichen sowie eine Anhebung der vereinbarten Abschusszahlen bislang bei Weitem nicht den erforderlichen Erfolg brachten.

„Die Jagdgenossenschaft hat bislang den körperlichen Nachweis strikt abgelehnt“, führte Jung weiter an. Dabei muss der Jagdverantwortliche die getätigten Abschüsse „körperlich“ belegen. Dies könne ihm von der Jagdgenossenschaft auferlegt werden, in Selters habe sie es stets verneint, schilderte Jung. „Beim Eigenjagdbetrieb geht jeder Abschuss durch die Bücher“, hielt er dagegen. Der Stadtchef brachte noch ein weiteres Argument vor: „Die Kosten für Verbissschutz gehen zulasten der Steuerzahler, also der Bürger. Und sie übersteigen die Einnahmen aus der Jagdpacht bei Weitem.“

Wie Revierförster Helmut Nett ausführte, bezahlt die Stadt jährlich 20.000 Euro und mehr allein für den Verbissschutz von Neupflanzungen. Der Zustand des städtischen Waldes sei in dem zur Rede stehenden Bereich aber so schlecht, dass zwischen den geschützten Pflanzungen ein natürlicher Aufwuchs von Bäumen praktisch nicht stattfinde, das bestätigte Nett. Probegatter, also eingezäunte Vergleichsflächen, hätten gezeigt, dass natürlich ausgesamte Birken, Vogelbeeren, Kirschen oder Eichen durch starken Verbiss praktisch im Keim erstickt würden. Dies füge dem gesamten Wald langfristigen Schaden zu, erläuterte der Förster.

Nach kontroverser Debatte kam der Hauptausschuss zu keinem Ergebnis, das Thema wurde vertagt. Am Montagabend gab es eine nicht-öffentliche Sitzung der Jagdgenossenschaft, deren Ergebnisse jedoch im Kreis der Betroffenen bleiben. In seiner Jahresschlusssitzung am 19. Dezember wird der Selterser Stadtrat aller Voraussicht nach nicht über das Thema befinden. Da das Vertragsende erst zum Ende des ersten Quartals 2023 ansteht, nimmt der Rat sich Zeit.

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