Eine kurze Umfrage bei den Senioren, die sich in gemütlicher Gesprächsrunde im Barbarahaus in Dreikirchen zusammengefunden haben, zeigt: Auch wenn sie selbst zum Glück nicht betroffen sind, so kennt doch jeder von ihnen Menschen, die Opfer des sogenannten Enkeltricks, von Schockanrufen Krimineller, die an das Ersparte der Senioren wollten, oder gar eines Einbruchs hätten werden können.
„Nein!“, entfährt es immer wieder einer Frau während des Vortrags der geschulten Präventionskraft. Sie kann einfach nicht glauben, was zu hören ist. Kurzum: Das Kaffeekränzchen, bei dem leckerer Kuchen aufgetischt wird, mutiert zur Krimistunde. Angeboten wird sie vom Seniorenkreis in Dreikirchen in Kooperation mit der VG Wallmerod, der Polizeiinspektion Montabaur und dem Pflegestützpunkt.
Es kann jeden treffen
Nachdem Janna Egenolf die Besucher und Gäste begrüßt hat und sich die für die VG Wallmerod zuständige Bezirksbeamtin Christiane Kloy vorgestellt hat, geht Kriminologin Carolin Blum (zentrale Präventionsstelle des Polizeipräsidiums Koblenz) in die Vollen, informiert über die Tricks der Telefonbetrüger, über falsche Polizeibeamte, Enkeltrick, Einbruchschutz, Online-Betrug und Trickdiebstahl. Dabei wird sie nicht müde zu betonen: Es kann jeden treffen. Das habe nichts mit Dummheit zu tun.
Sicherheit im Alltag: Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, macht Blum deutlich. Sie rät zur Aufmerksamkeit und weist als Erstes auf die Notrufnummern 110 (Polizei), 112 (nichtpolizeilicher Notruf, Rettungsstelle) und 116.117 (ärztlicher Bereitschaftsdienst) hin. Sie empfiehlt, diese Nummern am besten am Telefon aufzubewahren.
„Mit der Nummer 110 fing der ganze Zauber vor Jahren an mit den falschen Polizeibeamten“, fährt Blum fort. Sie weiß, sie spricht zu einem Personenkreis, der – erscheint auf dem Telefondisplay diese Nummer – das Gefühl hat: Da muss ich zuhören und dann machen, was gesagt wird. Die Polizeioberkommissarin warnt eindringlich: Diese Notrufnummer ist nur dafür da, dass die Polizei erreicht werden kann. Niemals würde diese sich nach Wertsachen erkundigen oder auffordern, diese an sie zu übergeben. Da dies eine Betrugsmasche sei, solle man am besten sofort das Gespräch beenden. Denn „die sind so clever, verwickeln Sie in ein Gespräch, bis Sie denken: Das ist doch die Polizei“.
So sollte man sich verhalten
Immer dann, wenn es um Geld gehe – sei es mit dem sogenannten Enkeltrick, also Anrufen, SMS-Nachrichten oder Whatsapp-Mitteilungen –, sollten die Alarmglocken schrillen. Dann gelte: Ruhe bewahren, keine Namen verraten (auch nicht, wenn schreckliches Weinen und Wimmern am Telefon zu hören sind und Oma meint, es sei ihr Enkel, und fragt: Kevin, bist du das?), keine Telefonnummern löschen (wenn behauptet wird, die alte Handynummer gelte nicht mehr, weil das Handy blöderweise kaputt sei), damit man selbst zurückrufen kann, um sich zu vergewissern. Dabei sollte man nicht auf die Rückruftaste drücken, sondern die Nummer händisch eingeben.
Man könne auch, so die Referentin, mit der Hausbank des Vertrauens vereinbaren, dass man selbst nur Geld in einer bestimmten Höhe abheben dürfe. Wird eine höhere Summe benötigt, so solle die Tochter, der Sohn oder ein Vertrauter bestätigen, dass alles mit rechten Dingen zugeht – also die Seniorin oder der Senor nicht das eigene Ersparte im besten Glauben, einem lieben Verwandten aus einer Notlage zu helfen, in den Rachen wirft. Denn sei das Geld oder seien die Wertsachen erst einmal den Betrügern übergeben, dann seien sie schlicht und einfach weg, so die Expertin.
Im örtlichen Telefonbuch stehen die Namen
Eindringlich warnte Blum auch davor, einer Zahlungsaufforderung, die beispielsweise per Whats-app von der „Enkelin“ geschickt wurde, Folge zu leisten und dabei das Geld per Echtgeldüberweisung zu übermitteln. Denn dieses Geld könne nicht zurückgefordert werden.
„Aber woher haben die denn meinen Namen und meine Telefonnummer, wollen Sie wissen?“, fuhr Blum fort. Dazu reiche ein Blick in das örtliche Telefonbuch, wo viele Menschen noch mit Vor- und Zunamen genannt sind. Steht da Gisela oder Dieter, so sei das schon ein sicherer Hinweis, dass es sich nicht um die Generation von Kevin und Chantal handele. Ein weiterer Wink mit dem Zaunpfahl sei eine vierstellige Rufnummer. „Am besten, Sie lassen den Eintrag im Telefonbuch ganz löschen!“, riet die Kriminalistin. „Aber dann bekomme ich zum Geburtstag keine Anrufe mehr“, befürchtete eine Seniorin. Da konnte sie beruhigt werden: Die Freundinnen hätten sich in den vielen Jahren der Bekanntschaft sicher bereits die Rufnummer gemerkt.
Im Zeitalter der Digitalisierung habe man es immer mehr mit Hacking zu tun, warnte Blum. Daten – also persönliche Daten inklusive Kontonummern – würden abgegriffen. Doch auch vor dem realen Griff in die Handtasche oder zur Bankkarte im Portemonnaie warnte sie und riet eindringlich, die Pin-Nummer wirklich nicht neben der Bankkarte aufzubewahren – oder „geschickt verschlüsselt“ als Telefonnummer mit sich herumzutragen.
Vorsichtig und misstrauisch sein
Und noch einen ganz praktischen Tipp hatte die Polizistin parat: Wie ihr eine Frau bei einer anderen Präventionsveranstaltung erzählte, sei sie von Betrügern angerufen worden, die schilderten, dass ihre Tochter in einer Notlage sei und Geld bräuchte. Die Frau wurde stutzig und klingelte ihre Tochter an, um sich zu vergewissern. Aber die Tochter war berufstätig und nahm den Anruf nicht an. Zum Glück ließ sich die Frau nicht irritieren und versuchte es immer wieder, bis die Tochter auf diesen „Telefonterror“ reagierte. „Vereinbaren Sie mit ihren Kindern oder einem Menschen Ihres Vertrauens, dass er sie unbedingt zurückrufen soll, wenn sie tagsüber Sturm klingeln“, so der Tipp.
Vorsichtig und misstrauisch sein, Vereinbarungen treffen, sich etwa zur Bank begleiten lassen, Sicherheitsvorkehrungen treffen – damit könne man sich schützen. Auch eine gute Nachbarschaft trage zur Sicherheit bei. Das gelte auch, um nicht auf falsche Polizeibeamte hereinzufallen. Im Zweifel solle man selbst die Polizei bzw. die örtliche Polizeibehörde anrufen. Denn die Straftaten gegen Senioren seien sehr häufig. „Deshalb nehmen die ja die alten Leute. Wir sind so gutgläubig. In unserer Vorstellung sind die Menschen ja anständig“, meinte eine Teilnehmerin und verdeutlichte damit, warum gerade dieser Opferkreis für die Betrüger so interessant ist.
Einige Fälle
Bei der Veranstaltung in Dreikirchen nannte Carolin Blum konkrete Zahlen von Taten, die sich aktuell im Großraum Koblenz ereignet haben. Sie zeigen, dass die Täter in der Region aktiv sind.
- 11. Oktober 2022: 13.000 Euro Schaden nach Schockanruf Verkehrsunfall
- 19. Oktober 2022: 50.000 Euro Schaden nach Schockanruf Verkehrsunfall
- 16. November 2022: Versuch, mehrere Anrufe, Schockanruf im Bereich der PI Montabaur
- 16. November 2022: Versuch, Schockanruf – Vereitelung und Festnahme des Täters – Rückführung von 20.000 Euro
- 18. November 2022: Versuch, mehrere Anrufe, Schockanruf.
bau