Naturschützer kritisieren SGD Nord für Absenken des Wasserspiegels am Dreifelder Weiher
Öko-Desaster: 2023 gab's am Dreifelder Weiher kaum Vogelbruten
Dreifelder Weiher
Nach Recherchen der Naturschutzinitiative (NI) hat sich in diesem Jahr am Dreifelder Weiher ein ökologisches Desaster ereignet. Foto: Harry Neumann
Hoffmann-Heidrich Nadja. Harry Neumann

Am Dreifelder Weiher hat sich nach Auskunft der Naturschutzinitiative (NI) in diesem Frühling und Sommer ein ökologisches Desaster ereignet: Es gab kaum Vogelbruten.

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Dreifelder Weiher
Nach Recherchen der Naturschutzinitiative (NI) hat sich in diesem Jahr am Dreifelder Weiher ein ökologisches Desaster ereignet. Foto: Harry Neumann
Hoffmann-Heidrich Nadja. Harry Neumann

Das von der Oberen Wasserbehörde bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord Anfang Mai angeordnete Absenken des Gewässers aus Gründen des Hochwasserschutzes in der für wassergebundene Vogelarten sensibelsten Zeit hat laut NI dazu geführt, dass sich die zuletzt ohnehin schwierige Situation für Zielarten des Europäischen Vogelschutzgebietes Westerwälder Seenplatte weiter verschärft habe.

Nach Erkundungen der beiden Vogelbeobachter und jahrzehntelangen Gebietskenner Wolfgang Burens (NI) und Antonius Kunz (Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie, Gnor) haben in diesem Jahr weder am Dreifelder Weiher noch an einem anderen Weiher der Seengruppe Rothalstaucher oder Schwarzhalstaucher gebrütet.

Es hätte völlig ausgereicht, mit dem Absenken bis zum Herbst zu warten oder mildere Vorsichtsmaßnahmen zu wählen.

Harry Neumann, Vorsitzender der Naturschutzinitiative

Wie der NI-Vorsitzende Harry Neumann in einer Pressemitteilung nach Ende der Brutzeit erklärt, seien zunächst zwar mindestens zwei Rothalstaucherpaare und vier Schwarzhalstaucherpaare anwesend gewesen, doch habe das Absenken des Wasserspiegels im Weiher den (potenziellen) Bruten den Garaus gemacht. Die behördlich geäußerte Möglichkeit, dass diese Arten an die anderen Gewässer ausweichen könnten, sei nicht erfolgt.

Damit hätten sich die Befürchtungen der NI und der beiden Experten Burens und Kunz aus dem Frühjahr bestätigt. Schon im Mai hatten die Naturschützer öffentlich gefordert, das Absenken des Wasserspiegels am Dreifelder Weiher unverzüglich zu stoppen. Der Umweltverband hielt die Anordnung durch die SGD Nord für völlig unverständlich und überzogen. „Hochwasserschutz ist selbstverständlich wichtig. Wir konnten aber keine Gefahr für Leib und Leben oder für Sachgüter erkennen. Es hätte völlig ausgereicht, mit dem Absenken bis zum Herbst zu warten oder mildere Vorsichtsmaßnahmen zu wählen“, so Harry Neumann weiter.

Auch bei häufigeren Arten blieb der Bruterfolg aus.

Wolfgang Burens, jahrzehntelanger Vogelbeobachter und Gebietskenner

Doch dieser Appell damals blieb ebenso erfolglos wie zwei Eilverfahren der NI vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Koblenz, die eine Verhinderung des Absenkens des Wasserspiegels während der Brutzeit aus artenschutzrechtlichen Gründen zum Ziel hatten. Daraufhin habe die Behörde die geplante Maßnahme umgesetzt, „um dadurch den angeblichen Gefahren eines Jahrhunderthochwassers zu begegnen“, kritisiert die NI. Für diesen Schritt hätten die Naturschützer weder einen Anlass noch eine Notwendigkeit gesehen.

Die NI macht ferner darauf aufmerksam, dass die Seenplatte ein wichtiges Brutgebiet für alle vier heimischen Lappentaucherarten ist, zu denen als heimische Brutvogelarten die sehr seltenen Schwarz- und Rothalstaucher sowie die häufigeren Arten Zwerg- und Haubentaucher gehören. Letztgenannte hätten hier früher hohe Brutbestände gehabt. Der Rothalstaucher habe an der Seenplatte mit zeitweise sechs Brutpaaren das einzige Brutvorkommen in Rheinland-Pfalz gehabt, und der Schwarzhalstaucher habe in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls nur noch an der Seenplatte gebrütet.

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Anfang 2023 waren laut Naturschutzinitiative zwar mindestens zwei Rothalstaucherpaare am Dreifelder Weiher anwesend. Doch das Absenken des Wasserspielgels habe den Bruten den Garaus gemacht. Foto: Wolfgang Burens
Hoffmann-Heidrich Nadja. Wolfgang Burens

Trotz der raschen Umsetzung erster wirksamer Schutzmaßnahmen in den zurückliegenden Jahren im Rahmen der Gebietsbetreuung durch die Nabu-Stiftung hätten die Brutbestände der Lappentaucher zuletzt zunehmend schon unter Druck gestanden. Das Absinken des Wasserspiegels in diesem Frühjahr habe die Situation für einige Arten verschärft.

Die von der Oberen Naturschutzbehörde erteilte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für dieses Vorgehen enthalte Auflagen, deren Sinn sich den Umweltschützern bis heute nicht erschlossen habe, teilt Biologe Immo Vollmer (NI) mit. „So sollte zur Vermeidung der Tötung von Nestlingen und Jungvögeln der Uferbereich mindestens zweimal täglich abgegangen werden, um diese umgehend zu bergen und einer geeigneten Auffangstation zu übergeben. Das gleiche sollte mit Eiern geschehen“, so Vollmer. All dies hätte jedoch nur unter erheblicher Störung der Bruthabitate stattfinden können. Nach Kenntnis von Vogelkenner Wolfgang Burens seien diese Maßnahmen wegen ihrer „Praxisferne“ auch gar nicht realisiert worden.

Die Gründe in Bezug auf den Dreifelder Weiher sind eindeutig mit der durchgeführten Absenkung verbunden.

Heißt es in einer Pressemitteilung der Naturschutzinitiative.

„Auch die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, verlassene Vogelnester durch eine fachkundige Person an eine geeignete Stelle (zum Beispiel ein Brutfloß) zu versetzen, haben wir bis heute nicht verstanden“, so die NI, die noch ergänzt, dass dieses Prozedere auch nicht erfolgreich gewesen sei. „Die Ausbringung künstlicher Bruthabitate, wie zum Beispiel Baumkronen an der neuen Wasserlinie, war erwartungsgemäß nicht nur erfolglos, sondern auch kontraproduktiv und verursachte – zusammen mit den zuvor genannten Maßnahmen – mit Sicherheit erhebliche Störungen im Randbereich des Dreifelder Weihers [...]“, erläutert Immo Vollmer.

Auch bei häufigen Arten blieb der Bruterfolg in diesem Jahr aus (siehe Übersicht dazu im Infokasten). Die Gründe in Bezug auf den Dreifelder Weiher seien eindeutig mit der durchgeführten Absenkung des Wasserspiegels verbunden, konstatiert die NI. In der Bilanz treffe der weitgehend völlige Ausfall der Bruten am Dreifelder Weiher auf eine auch ansonsten schlecht verlaufende Brutsaison an den anderen Weihern. Überzogene Maßnahmen aufgrund unwahrscheinlicher Hochwasserszenarien hätten einen herben Rückschlag für die Brutvogelfauna in dem europäischen Schutzgebiet zur Folge.

Dass man aufseiten der SGD nicht gezögert habe, vormals sehr hoch gehaltene Schutzgüter der Natur weitgehend und kompromisslos aufzugeben, sei ein schlechtes Zeichen, dass sich in den aktuell zu beobachtenden Abbau gesetzlicher Standards zu Lasten der Natur einreihe, so die deutliche Kritik der NI.

„Dennoch ist es uns unverständlich, dass die Obere Wasser- und die Obere Naturschutzbehörde bei der SGD Nord ihren Verpflichtungen gegenüber dem Natur- und Artenschutz, zumal in einem Naturschutzgebiet und einem europäischen Vogelschutzgebiet, nicht nachgekommen sind und stattdessen einen echten Umweltschaden erzeugt haben. Im Zeitalter des Artensterbens und dem fortschreitenden Verlust an Biodiversität halten wir dies für unverantwortlich“, so Burens, Kunz, Neumann und Vollmer. nh

Auch um häufigere Arten ist es an der Seenplatte nicht gut bestellt

Nicht nur bei seltenen, sondern auch bei häufigen Arten blieb der Bruterfolg an der Westerwälder Seenplatte 2023 aus. Hier eine Übersicht:

Haubentaucher – keine Bruten 2023 am Dreifelder Weiher, sehr schlechter Bruterfolg an den übrigen Weihern.

Zwergtaucher – keine Bruten 2023 am Dreifelder Weiher, nur zwei brütende Paare an den anderen Weihern.

Tafelenten – keine Bruten 2023 an der Westerwälder Seenplatte; üblicherweise brüten hier sechs bis acht Paare pro Jahr. In diesem Jahr sind in Rheinland-Pfalz nur vier Bruten bekannt geworden – eine im Westerwald.

Reiherente – eine Brut 2023 am Dreifelder Weiher mit nur einem Jungvogel, der aber vermutlich nur wenige Tage alt wurde. Keine Bruten an den übrigen Weihern.

Höckerschwan – keine Brut 2023 am Dreifelder Weiher (zwei beginnende Bruten wurden durch Absenkung des Wassers zerstört). In früheren Jahren gab es hier bis zu 17 Brutpaare.

Blässhuhn – zwei erfolgreiche Bruten 2023 am Dreifelder Weiher (eigentlich eine häufige und weniger gegen Störungen empfindliche Art); schlechte Bruterfolge an den übrigen Weihern.

Teichrohrsänger – sang 2023 an wenigen Stellen im Röhricht des Dreifelder Weihers; mangels Nachweisen von Jungtieren wird von einem fehlenden Bruterfolg ausgegangen.

Drosselrohrsänger – brütete früher jahrweise am Dreifelder Weiher. 2023 nur einmal als Durchzügler am Haidenweiher vernommen. red

Quelle: Naturschutzinitiative (NI)

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