Bürger haben im Katastrophenfall Anlaufstelle
Ob Stromausfall oder Naturkatastrophe: Im Notfalltreffpunkt von Selters bekommen Bürger Hilfe
In größerer Runde wurde der Notfalltreffpunkt in Selters nun vorgestellt.
Maja Wagener

Selters. Mit Klaus Kühl hat die Stadt Selters einen Experten, wenn es um Notversorgung in Krisenzeiten geht. Der pensionierte Oberst der Bundeswehr ist einer der maßgeblichen Verantwortlichen beim neuen Notfalltreffpunkt inmitten von Selters, der nun offiziell vorgestellt wurde. Hierher können sich Bürger ab sofort wenden, wenn der Strom ausfällt – oder Schlimmeres passiert.

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Kühl war vier Jahrzehnte Leiter eines Lagerzentrums; bis zu seiner Pensionierung im September 2022 leitete er 20 Jahre das Lagerzentrum Bonn. Von dort seien alle Hilfeleistungen ausgegangen, die in Deutschland gemacht wurden, erklärt er. Doch die Bundeswehr komme erst dann, wenn die Institutionen vor Ort überfordert seien.

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Gaben den offiziellen Startschuss für den Notfalltreffpunkt in Selters, der ab sofort im Krisenfall Anlaufstelle für Hilfe suchende Bürger sein kann (von links): Stadtchef Rolf Jung, Initiator Klaus Kühl, VG-Bürgermeister Oliver Götsch und Ralf Loppnow vom DRK Selters.
Maja Wagener

So weit soll es in Selters nicht kommen. Deshalb habe er sich für einen Notfalltreffpunkt in der Stadt eingesetzt, in der er seit zwei Jahrzehnten mit seiner Familie lebt, sagt Klaus Kühl. Bei Stadtbürgermeister Rolf Jung sei er damit auf offene Ohren gestoßen, erinnert er sich. „Das Land Rheinland-Pfalz ist dabei, sich im Katastrophenschutz weiter zu verbessern“, formuliert der Selterser diplomatisch.

„Selters hat ein Konzept. Wir hoffen, dass der Kreis das aufnimmt.“

Initiator Klaus Kühl

Um den Notfalltreffpunkt umzusetzen und das Material anzuschaffen, habe die Stadt die Kreisförderung in Anspruch genommen, berichten Jung und Kühl. Die 7500 Euro, die jede Gemeinde im Westerwaldkreis für diesen Zweck abrufen kann – auch rückwirkend, wie Oliver Götsch, Bürgermeister der Verbandsgemeinde, betont –, hätten für die Anschaffungen nicht gereicht. Allein der Generator, der das Gebäude bei Stromausfall mit der wichtigen Energie versorgt, koste um die 30.000 Euro. Deshalb habe der Stadtrat 40.000 Euro in den Haushalt eingestellt, berichtet Kühl dankbar. Die öffentliche Förderung sei mit keinem Konzept verbunden, merkt Klaus Kühl kritisch an: „Selters hat ein Konzept. Wir hoffen, dass der Kreis das aufnimmt“, sieht er die Stadt in einer Vorreiterrolle.

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Als Einsatzzentrale fungiert der Raum im Erdgeschoss des Stadthauses. Kommunikation und Lage seien das Wichtigste, wenn es um Katastrophen gehe, brachte es Klaus Kühl auf den Punkt.
Maja Wagener

Peter Brinkmann, David Krah und Johnny Schlemminger aus Kühls Team werden vom Stadtchef lobend erwähnt, ebenso wie die 22 ehrenamtlichen Mitarbeiter der „engagierten Gruppe“, die die Versorgung der Hilfesuchenden sicherstellen. Egal ob Babynahrung wärmen oder sich selbst, beraten werden oder medizinisch versorgt: Das alles sei im Notfalltreffpunkt mit Ralf Loppnow vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Selters und seinen Kollegen, der Feuerwehr Selters und den engagierten Ehrenamtlichen möglich.

Selbst eine Hebamme stehe mit Christina Jung zur Verfügung, berichtet Klaus Kühl. „Für Selters ist, das eine glückliche Fügung, so viel Kompetenz und Engagement zu besitzen“, freut sich der Stadtchef. Man sehe, dass sich da Gedanken gemacht worden seien, lobt Götsch.

Bindeglied zwischen Eigen- oder Nachbarschaftshilfe

Die Einrichtung sehe sich als Bindeglied zwischen Eigen- oder Nachbarschaftshilfe und Katastrophenschutz. Dabei gelte es in der Chaos-Phase, den kritischen ersten 72 Stunden, ein Minimum der Ersten Hilfe zu sichern. „Der Notfalltreffpunkt ist das erste Auffangbecken, die erste Brandmauer“, macht Kühl deutlich. Sie gingen davon aus, dass etwa 1 Prozent der Bevölkerung im Krisenfall Hilfe suche, also etwa 40 bis 50 Menschen, eben solche, die sich ansonsten nicht zu helfen wüssten. Es werde fälschlicherweise von Tausenden ausgegangen, weiß Klaus Kühl. „Da wären wir auf Kreisebene“, ergänzt Oliver Götsch.

Angesichts der weltpolitischen Lage könne es schnell zu einem Ausnahmezustand kommen, führt der ehemalige Bundeswehrsoldat kurz aus. Auch eine Naturkatastrophe könne zum Blackout führen – und Hackerangriffe: „Bei einer militärischen Krise ist Deutschland die Drehscheibe“, macht Kühl klar. Rolf Jung zeichnet ein näherliegendes Szenario. „Fällt ein Baum falsch, ist die Situation da.“ Wenn 24 Stunden der Strom weg wäre, würden viele Leute an ihre Grenzen kommen, weiß Götsch.

„Wir wollen die Bevölkerung resilient machen.“

Klaus Kühl

„Eine gute Vorbereitung ist die Schlüsselposition, um Krisenfälle gut bewältigen zu können“, erklärt der Oberst im Ruhestand, während seine Zuhörer auf den großen Tisch neben ihm blicken. Batterien sind dort zu sehen, Rettungswesten, ein Radio, Funkgeräte und Kabeltrommeln. In dem Raum gibt es zudem einen großen Bildschirm, auf dem eine Karte von Deutschland abgebildet ist. Im Stadthaus sei die Einsatzzentrale, so die Männer. Kommunikation und Lage seien das Wichtigste, wenn es um Katastrophen gehe, bringt es Kühl auf den Punkt.

Batterien, Rettungswesten, ein Radio, Funkgeräte, Kabeltrommeln und ein Telefon stehen in Selters bereit, wenn sie gebraucht werden. Broschüren informieren über Bevölkerungsschutz.
Maja Wagener

Weiter stehen ein paar Feldbetten bereit, im Keller lagern 180 Liter Trinkwasser. Auch einen Stromerzeuger gibt es, dessen Energie direkt ins Haus geleitet werden kann. Dazu liegen Broschüren zum Thema Bevölkerungsschutz aus, für Erwachsene und für Kinder. Zu informieren sei ein Ziel des Notfalltreffpunkts. „Wir wollen die Bevölkerung resilient machen“, erklärt Klaus Kühl. Wissen darüber, wie sich die Menschen in Notfällen am besten verhalten, soll in den kommenden Monaten und Jahren unter anderem in Angeboten wie einem Kurs „Kochen ohne Strom“ an die Selterser gebracht werden.

„Das kennen die Bürger, das ist ihr Stadthaus. Das ist in beunruhigenden Situationen psychologisch ganz wichtig.“

Klaus Kühl

Das Gebäude sei ideal, so Kühl weiter: Es liege zentral, sei barrierefrei und den Menschen vertraut. Im Flur würden die Menschen empfangen. In der Stadtbücherei, die im oberen Stock liegt und über einen langsamen, weil energiesparenden Aufzug auch im Notfall zu erreichen ist, sei kuschelig und ruhig mit ihrem roten Teppich. „Das ist der Unterschied zu den großen Hallen“, fährt Initiator Klaus Kühl fort. Hier sei es gemütlich, die Kinder hätten eine Spielecke. Die bekannte Komponente sei besonders für ältere Leute maßgeblich.

„Das kennen die Bürger, das ist ihr Stadthaus. Das ist in beunruhigenden Situationen psychologisch ganz wichtig“, weiß er. Ihnen sei es wichtig gewesen, ein Signal zu setzen, zu sagen „Wir sind so weit!“, macht der Selterser noch einmal deutlich.

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