Norbert Honnef ist Geburtsjahrgang 1939. Seine Eltern hatten 1938 das Hotel Frankenthal im Wissener Stadtteil Schönstein erworben. Während der Kriegsjahre erlebte die Familie einen Schrecken nach dem anderen, wie Honnef, der seit 27 Jahren in Hachenburg wohnt, im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. Doch in den letzten Kriegswochen war er, wie er selbst sagt, im Luftschutzstollen auch Teil eines Wunders. Das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren sowie der andauernde Krieg in der Ukraine verstärken seine Kindheitserinnerungen.

Im Oktober 1939 verlor der kleine Norbert zunächst seinen Bruder Gerd durch einen Autounfall direkt vor der Tür des Elternhauses (heutige B62). Der aus Linz stammende Vater der Jungen fiel als Wehrmachtssoldat – bis heute gibt es nach Auskunft Honnefs keine Informationen über den Verbleib seines Leichnams. Und auch Norberts Schwester starb während der Kriegsjahre. Die Mutter erkrankte, betrieb das Familienhotel mit Gaststätte dennoch schließlich bis etwa 1952 weiter.
„Nach dem Alarm war vor dem nächsten Alarm.“
Norbert Honnef
Prägend für Honnef, seine Mutter und seinen Bruder Theo waren kurz vor Kriegsende die ungezählten Tage und Nächte im Bunker – meist seien die Frankenthaler in den Luftschutzstollen am Walzwerk geeilt, wenn die Sirenen aufheulten, erzählt er. In den bangen Stunden, in denen sie zwischen dichten Mauern eingeschlossen waren, hätten die Menschen so gut wie nichts gesprochen, sondern einander nur verängstigt angestarrt. Das galt auch für die vielen Kinder. Sobald dann per Sirene vorübergehend Entwarnung gemeldet wurde, seien alle Frankenthaler schnell wieder nach Hause gelaufen, hätten hastig etwas gegessen (zumeist Eintopf) und sich ein bisschen frisch gemacht, um bei der nächsten Alarmierung wieder zügig zurück in den Stollen rennen zu können. „Wir sind manchmal wochenlang kaum aus unseren Klamotten rausgekommen. Nach dem Alarm war vor dem nächsten Alarm“, berichtet Honnef.
„Wer die Aufnahmen der Trümmer in der Ukraine sieht, weiß, wie es vor 80 Jahren bei uns aussah.“ Norbert Honnef
Bei einer Bombardierung der Siegstadt erlebte der heute 85-Jährige das, was er als das „Wunder von Frankenthal“ beschreibt. Der Luftschutzstollen, der in den blanken Felsen gehauen war, sei durch fünf schwere Eisentüren gesichert gewesen. Eine Bombe sei jedoch so nah detoniert, dass die gewaltige Druckwelle vier Türen aus den Angeln gerissen habe. Nur dem Umstand, dass die fünfte Tür der Explosion standgehalten habe, hätten etwa drei Dutzend Menschen, die dort zu der Zeit Schutz gesucht hätten, ihr Leben zu verdanken, schildert Honnef die dramatische Situation damals. Alle Schutzsuchenden hätten den Stollen letztlich körperlich unversehrt verlassen können.

Gelitten haben jedoch die Seelen der Menschen, so auch die des kleinen Norbert, der nach diesem Erlebnis für mehrere Tage sein Sprechvermögen verlor. Die Erinnerung daran ist in ihm auch im hohen Alter noch so lebendig, dass er Medienberichte über Kriege in anderen Teilen der Erde voller Mitgefühl für die Zivilbevölkerung verfolgt. Besonders die Bilder aus der Ukraine machen ihn betroffen und schmerzen ihn: „Wer die Aufnahmen der Trümmer in der Ukraine sieht, weiß, wie es vor 80 Jahren bei uns aussah.“
„Ich hoffe, dass so etwas in Deutschland nie wieder passiert.“
Norbert Honnef
Vor allem das Schicksal der Kinder in Kriegsgebieten macht Honnef sehr betroffen. „Ich hoffe, dass so etwas in Deutschland nie wieder passiert“, erklärt er und fügt hinzu, dass er Waffenlieferungen an die Ukraine für richtig hält. „Das Land verteidigt nicht nur sich, sondern auch unsere Demokratie.“ Ob sein Vater im Zweiten Weltkrieg tatsächlich auf dem Gebiet der Ukraine gefallen ist, wie dessen Kameraden einst berichtet hätten, kann Norbert Honnef nur vermuten. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht.
Hingegen hat sich das Kriegsende, das er als Fünfjähriger miterlebt hat, tief in sein Bewusstsein eingebrannt. In den Tagen nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen fragte er damals seine Mutter: „Mama, kommen jetzt keine Flugzeuge mehr mit Bomben?“
Die Schreie der Menschen im Lager hört er noch immer
Neben den bangen Stunden im Luftschutzstollen erinnert sich Norbert Honnef noch an weitere schreckliche Einzelheiten aus der Kriegszeit in Wissen. Unweit von seinem Haus habe das Zwangsarbeiterlager auf der Bornscheidt bestanden, wo Tausende Männer und Frauen gelebt hätten, viele von ihnen aus Osteuropa, die im Weißblechwalzwerk schuften mussten. Misshandlungen seien in dem Langer offenbar an der Tagesordnung gewesen, so Honnef. „Die Schreie der Menschen vom Lager höre ich noch heute“, sagt er. elm