Das zähe Ringen um die Zukunft des Krankenhauses Hachenburg hat ein positives Ende gefunden. Ab dem 1. Juni soll der Träger des evangelischen Krankenhauses Dierdorf/Selters die Einrichtung in der Löwenstadt übernehmen. Einen Beschluss, der grünes Licht für eine Betriebsübernahme gibt, hat der Kreistag in einer Sondersitzung am Montagnachmittag einstimmig gefasst. Ein politischer Schlagabtausch vor der Abstimmung blieb aus. Alle Redner der Fraktionen unterstrichen die Bedeutung dieser Entscheidung, die den Kreis aber auch eine Stange Geld kosten wird. Denn für eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5 Millionen Euro und einen Finanzierungszuschuss zu Investitionen und Sanierung der Klinik von einmalig 6,5 Millionen Euro musste ein Nachtragshaushalt erstellt werden. Auch der wurde ohne Gegenstimme verabschiedet.
Landrat Achim Schwickert sprach von einer wichtigen Weichenstellung für die medizinische Versorgung im oberen Westerwald. Er skizzierte noch einmal die Notwendigkeit des politischen Handelns, nachdem durch die Insolvenz der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz auch der Standort in der Löwenstadt, lange Jahre Teil des Verbundkrankenhauses Altenkirchen-Hachenburg, in Schieflage geraten war. Schwickert zitierte aus einem Schreiben des Mainzer Gesundheitsministers Clemens Hoch (SPD), der im Februar dieses Jahres den Westerwaldkreis mit einem Sicherstellungsauftrag für die Notfall- und Grundversorgung sowie auch für die Herzinfarktversorgung für den nördlichen Teil des Westerwaldkreises in die Pflicht genommen habe. Heißt: Hätte sich kein Bieter gefunden, hätte der Kreis dafür sorgen müssen, dass die Versorgung in diesen Disziplinen gewährleistet wird.
Nun kristallisierten sich im Laufe des Insolvenzverfahrens zwei Interessenten heraus – neben der Krankenhausgesellschaft Dierdorf/Selters hatte sich auch die Diakonie in Südwestfalen, unter anderem Trägerin des Jung-Stilling-Krankenhauses in Siegen, für eine Übernahme der Trägerschaft interessiert – ähnlich wie am Standort Kirchen. Doch in Hachenburg war der Favorit schnell gefunden, schlug die Waage eindeutig in Richtung Dierdorf/Selters aus. Vor der politischen Entscheidung hatten Vertreter des neuen Trägers am Montagnachmittag dem Kreistag in einem nicht-öffentlichen Teil der Sitzung Rede und Antwort gestanden und über ihre Pläne berichtet. Wie später mehrfach betont wurde, will man die Mitarbeiter in Hachenburg offenbar weiterbeschäftigen, denkt man nicht an Kündigungen. „Die Mitarbeiter haben den Ausschlag gegeben“, bettete der Landrat das Vorgehen des Kreises auch emotional ein. Er dankte dem Gesundheitsminister und auch dem Landtagspräsidenten Hendrik Hering (SPD) für dessen Vermittlung im Laufe der Verhandlungen. Auch der Insolvenzverwalter habe mitgezogen, so der Chef des Kreishauses.
Doch was sieht die Vereinbarung zwischen Kreis und neuem Träger jetzt im Einzelnen vor? Zunächst überträgt der Kreis das bestehende Erbbaurecht auf die Evangelisches Krankenhaus Dierdorf/Selters gGmbH – und zwar bis zum 31. Dezember 2075. Das Erbbaurecht eröffnet die Möglichkeit, auf einem Grundstück ein Haus bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu nutzen, ohne das Grundstück selbst kaufen zu müssen. Der neue Träger verpflichtet sich, den Krankenhausbetrieb am Standort Hachenburg fortzuführen und auch den sich daraus ergebenden Sicherstellungsauftrag des Kreises zu erfüllen. Er kann, in Übereinstimmung mit der Krankenhausbedarfsplanung des Landes, den Umfang klinischer Abteilungen ändern, im Krankenhaus selbstständige Abteilungen neu einrichten und für bisher nicht vertretene Fachrichtungen oder Teilgebiete Belegärzte zulassen. Die Trägergesellschaft wird zudem im Interesse der Versorgung der Kranken ein Krankenhauskuratorium einrichten.
„Das war eine wichtige, wahrscheinlich sogar die entscheidende Basis für die Übernahme durch einen Folgeträger, und sie werden zu Recht für ihren Einsatz belohnt.“
CDU-Fraktionschef Stephan Krempel zollt der Belegschaft des Hachenburger Krankenhauses Respekt.
Was die finanzielle Unterstützung anbelangt, gewährt der Kreis die 5 Millionen Euro Anschubfinanzierung, die zu Beginn der Betriebsübernahme auf ein eigenständiges Konto fließen, zum Ausgleich der in den kommenden fünf Jahren entstehenden Aufwendungen, etwa allgemeine Verluste, Weihnachtsgeld oder auch Tarifsteigerungen. Für notwendige Investitions- und Sanierungsmaßnahmen, soweit diese nicht vom Land bezuschusst werden, werden dem Träger die 6,5 Millionen Euro mit der Übernahme des Krankenhausbetriebs zur Verfügung gestellt. Er kann diese auch zur Vorfinanzierung von Landeszuschüssen verwenden.
In der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Krempel, dass die wirtschaftlichen Probleme der DRK-Krankenhausgesellschaft nichts mit der spezifischen Situation des Krankenhauses Hachenburg zu tun hätten. Respekt zollte er hier den Mitarbeitern, die nach der Insolvenz nicht das Weite gesucht hätten. „Das war eine wichtige, wahrscheinlich sogar die entscheidende Basis für die Übernahme durch einen Folgeträger, und sie werden zu Recht für ihren Einsatz belohnt mit der vollständigen Übernahme in das neue Krankenhaus Hachenburg“, so Krempel.
„Hier gibt es keine Parteipolitik, hier stehen wir zusammen.“
Hendrik Hering (SPD) lobt die einmütige Entscheidung aller im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen.
Hendrik Hering (SPD) sprach ein einer der „wichtigsten Entscheidungen des Kreistages seit langer Zeit“. Die Mitarbeiter hätten drei Insolvenzen zu verkraften gehabt und hätten auch unlauteren Abwerbeangeboten widerstanden. Jetzt sei in der Belegschaft ein ausgesprochener Teamgeist spürbar, man fühle sich als Teil eines neuen Verbundkrankenhauses. Der Hachenburger fand zum einen lobende Worte für die einmütige Entscheidung: „Hier gibt es keine Parteipolitik, hier stehen wir zusammen.“ Zum anderen begrüßte er, dass das gesamte vorhandene Leistungsspektrum in Hachenburg erhalten bleibe, und dass auch mit Blick auf Notfallaufnahme und Intensivstation insgesamt 20 Millionen Euro in den Standort investiert würden.
Als wichtiges Signal an die Bevölkerung bezeichnete AfD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Nugel die Entscheidung. Sie zeige, dass Kommunalpolitik gestalte und Prioritäten setze. Jetzt stehe der Träger im Wort, seine Versprechungen auch einzulösen. Kritik übte Nugel an der Landesregierung, die sich hier einen schlanken Fuß gemacht habe – für ihn „ein weiterer Mosaikstein, dass Zuständigkeiten auf die unterste Ebene geschoben werden“.
Raus aus der Krankenhauskrise im Westerwald? Oder anders gefragt: Wann kommt endlich Licht ins Dunkel? In der Klinikdebatte geht es plötzlich um eine Generalsanierung am Standort Hachenburg. Wir haben nachgefragt, was es damit auf sich hat.Wird das Krankenhaus in Hachenburg generalsaniert?
Auch Stephan Bach (FWG) richtete seinen Blick nach Mainz: „Wir warten mit großer Spannung auf die Zugeständnisse des Landes Rheinland-Pfalz“, sagte er. Trotz der finanziellen Belastung für den Kreis („In diesen sauren Apfel werden wir beißen müssen“) hat für Bach der Erhalt des Standorts Hachenburg höchste Priorität. Man sei mit einem regionalen Träger auf dem richtigen Weg.
Für Bündnis 90/Die Grünen begrüßte Sarah Schell-Hahn, dass die medizinische Ausstattung des Krankenhauses in Hachenburg verbessert werde. Sie hob aber auch einen gesellschaftspolitischen Aspekt hervor. Viele Klinikmitarbeiter hätten einen Migrationshintergrund. Dass sie trotz aller Probleme dageblieben seien, hätte auch mit den Menschen im Westerwaldkreis zu tun. FDP-Fraktionschef Rudolf Schwaderlapp strich heraus, dass es in gut zwei Monaten gelungen sei, zu einem Ergebnis zu kommen. Es sei alternativlos gewesen, die Krankenhausversorgung aufrechtzuerhalten, lobte der Liberale, wie viele seiner Vorredner, das Verhandlungsgeschick von Landrat Achim Schwickert. Auch Schwaderlapp reflektierte den geräuschlosen Weg der Entscheidungsfindung: „Wir zanken uns nicht, wir zeigen, dass es um die Sache geht.“
Die Eckpunkte des Nachtragshaushalts
Die Verlustübernahme zur Fortführung des Krankenhausbetriebes sowie eine Anschubfinanzierung zugunsten des neuen Trägers des Krankenhauses Hachenburg für den laufenden Betrieb und unterlassene Investitionen machen den Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung mit Nachtragshaushaltsplan erforderlich. Der Jahresfehlbetrag im Ergebnishaushalt wächst darin von knapp 8,5 Millionen auf rund 14,58 Millionen Euro an. Der ursprünglich mit rund 320.000 Euro positive Finanzhaushalt rutscht auf knapp 5,76 Millionen Euro ins Minus. Laut Achim Schwickert ist hierfür allerdings keine Kreditaufnahme vorgesehen. Das voraussichtliche Eigenkapital des Westerwaldkreises beläuft sich Ende 2025 auf demnach rund 262,8 Millionen Euro. kra