Es sind die Beine, die es ihn Anfang 2019 zu erst spüren lassen. Beim Laufen empfindet der damals 18-Jährige erstmals Schmerzen. An Krebs verliert der junge Niedererbacher seinerzeit noch keinen Gedanken. Vielmehr denkt Jakob Theis an typische Fußballverletzungen, schließlich ist er seinerzeit als Fußballer und Schiedsrichter aktiv. „Oberhalb des Knies hatte ich Schmerzen und habe gedacht, dass es vielleicht der Meniskus ist“, erinnert sich der junge Westerwälder.
Ein Orthopäde spricht von Knorpelmangel im Knie und verordnet dem Fußballer eine Kniebandage samt Physiotherapie. Bei den Behandlungen ertastet die Physiotherapeutin einen Knubbel im rechten Oberschenkel und bittet den Westerwälder, vorsichtshalber eine Magnetresonanztomografie (MRT) zur Abklärung der Ursache durchzuführen. Im Knochen wird dabei ein kreisrunder Fleck entdeckt. „Damals hieß es, dass es ein gutartiger Tumor sei und nichts Schlimmes. Mit einer Operation sei alles vorbei“, blickt Jakob Theis zurück.
Krebsdiagnose folgt Amputation
Eine erste Operation in Frankfurt am Main bringt nicht den gewünschten Erfolg. Es folgen neben Krücken als nahezu dauerhaftem Begleiter mehrere Bestrahlungen mit Radiowellen, die aber auch keinen endgültigen Erfolg bringen. Mitte 2020 wurde dann wohl durch eine erneute Operation, bei der der Tumor aus dem Knochen gekratzt und ein Nagel ins Bein eingesetzt wurde, der Tumor ausgebreitet und bösartig. „Warum genau das passiert ist, weiß niemand“, so Theis. Bei einem abendlichen Spaziergang im November 2020 in Würzburg, wo der Westerwälder seinerzeit noch Luft- und Raumfahrtinformatik studierte, bricht ihm urplötzlich ohne Vorwarnung einfach das Bein durch. „Das war der Horror und der Tiefpunkt gewesen“, erinnert sich der heute 21-Jährige.
Nach unzähligen weiteren Untersuchungen erhält er die Schockdiagnose: Knochenkrebs in Form eines seltenen Osteosarkoms im rechten Oberschenkel. Es folgen Monate mit Chemotherapie, die aber nicht so anschlägt, wie es die Ärzte sich wünschen. Anfang März 2021 entscheidet sich Jakob Theis zu einem radikalen Schritt: Das rechte Bein wird im Hüftgelenk amputiert. „Wir haben damals gesagt, jetzt müssen wir radikal handeln, ansonsten wird es nicht so gut laufen. Das haben wir dann auch gemacht. Und es war die richtige Entscheidung bis jetzt“, fasst der Student diesen Schritt, den er selbst mit Überzeugung gefällt hat, nüchtern zusammen.
Ich wollte einfach nur die Schmerzen weghaben.
Jakob Theis entschied sich für die Amputation
Über den Kontakt zur Deutschen Sarkom Stiftung landet Jakob Theis letztlich am Westdeutschen Tumorzentrum der Uniklinik Essen, die als Spezialisten auf dem Gebiet der Sarkomforschung und -behandlung gelten. „Sarkome sind die häufigste Krebsart unter jungen Erwachsenen. Sarkome sind unter den Krebsarten zwar sehr selten, aber unter jungen Leuten weit verbreitet“, erklärt Jakob Theis.
Letztlich lässt der heute 21-Jährige im Ruhrgebiet auch die Amputation durchführen. Schwergefallen ist ihm die Entscheidung dafür, anders als so manchem Familienmitglied und Freunden, nicht wirklich: „Ich hatte zwei Jahre davor nur Schmerzen. Ich wollte einfach nur die Schmerzen weghaben. Ich habe von Anfang an gesagt, macht das Bein ab und fertig. Ich wollte nicht noch groß mit Chemotherapien experimentieren. Bei Krebs muss man radikal sein.“
Prothese ist wie Leistungssport
Nach der Amputation folgt die dann noch notwendige Chemotherapie bis Juli 2021 und seitdem alle drei Monate regelmäßige Check-ups. Seit Oktober 2021 hat Jakob Theis außerdem ein neues Studium bei der Bundesbank begonnen, unter anderem in Hachenburg und mit Aufenthalten an weiteren Bundesbankstandorten, wie zuletzt in Hamburg. Für den Niedererbacher durchaus eine Herausforderung, doch seine Kommilitonen und das Personal helfen dem Westerwälder, wo er Hilfe benötigt.
Im alltäglichen Leben merkt der 21-Jährige, dass er immer wieder Blicke beispielsweise im Freibad erntet, wenn er dort auf Krücken unterwegs ist. „Es gibt schon viele Blicke. Das ist aber ganz normal. Manchmal ist es aber auch einfach taktlos“, so Jakob Theis. Als Beispiel nennt er zum Beispiel Eltern, die ihre Kinder wegziehen im Supermarkt, wenn sie den hochgewachsenen, jungen Mann sehen.
„Man muss das meistens ein bisschen lockerer sehen und nicht denken, dass es die Menschen böse meinen“, findet Jakob Theis und ergänzt: „Ich will nicht, dass die Leute hinter meinem Rücken stehen und etwas flüstern, wenn sie etwas wissen wollen. Dann sollen sie mich lieber direkt fragen. Die Amputation ist nicht das Einzige, was mich als Person ausmacht“, fügt er selbstbewusst hinzu.
Seit knapp zwei Monaten hat Jakob Theis nun auch eine speziell für ihn angefertigte Beckenkorbprothese aus Karbon. „Das ist Leistungssport und nicht einfach. Jeder Schritt ist doppelt oder drei Mal so schwer wie ein normaler Schritt. Der Rumpf muss sehr stark sein.“ Bisher trägt Theis die Prothese maximal zwei Stunden am Tag. „Danach muss ich sie ausziehen, weil es ziemlich anstrengend ist. Aber mit der Zeit soll man sich auch daran gewöhnen, haben mir die Experten gesagt“, so der junge Westerwälder. Eine Gehschule soll ihm einmal in der Woche dabei helfen, sich an die Prothese zu gewöhnen. Auch hier ist Jakob Theis optimistisch: „Das ist eine Gewöhnungssache. Da muss man einfach geduldig sein.“
21-Jähriger hat viele Hobbys
Generell blickt der Niedererbacher nicht mit Groll auf seine Erkrankung und die Folgen zurück: „Ich sehe einfach keinen Grund, negativ oder schlecht gelaunt zu sein. Ich habe Leute im Krankenhaus kennengelernt, denen ging es tausendmal schlimmer und sie leben teilweise gar nicht mehr. Dadurch ist man auch etwas abgehärtet.“
Insgesamt hat Jakob Theis aber auch eine neue Leidenschaft gewonnen: Er spielt mittlerweile Rollstuhlbasketball in Wetzlar. Und auch Besuche im Fitnessstudio, Spaziergänge mit Labrador-Retrevier Apollo und Fahrten mit dem von einer anonymen Spenderin zur Verfügung gestellten, dreirädrigen Liegefahrrad gehören zu seinen Hobbys. Und gerade das Radfahren hat den jungen Westerwälder auf eine Idee gebracht.
In Essen gibt es in diesem Jahr bereits zum 17. Mal die sogenannte Sarkomtour, bei der Fahrradfahrer jährlich Spenden für die Krebsforschung im Bereich der Sarkome am Westdeutschen Tumorzentrum der Uniklinik Essen sammeln. „Das wäre für uns aber zu weit gewesen“, sagt Jakob Theis. Es gibt aber die Möglichkeit von Satellitentouren, die man veranstalten kann. Daher hat sich der 21-Jährige gemeinsam mit Familie und Freunden dazu entschlossen, eine solche Tour am Sonntag, 7. August, in Niedererbach mit einem rund 10,5 Kilometer langen Rundkurs samt Feier am Pfarrheim zu veranstalten, an der jedermann teilnehmen und Spenden sammeln kann.
„Wir wollen einfach etwas zurückgeben, weil sie uns so toll unterstützt haben“, verrät Jakob Theis mit Blick auf die Stiftung der Universitätsmedizin Essen, die, genauso wie die Deutsche Sarkom Stiftung, ihn in der schwierigen Phase seiner Behandlung unterstützt hat. „Wir hoffen, dass so viel Leute wie möglich mitradeln und Spenden sammeln“, so der 21-Jährige. Aber auch alle anderen Besucherinnen und Besucher seien am 7. August willkommen. Jakob Theis will an diesem Tag auch selbst in die Pedale treten: „Eine Runde ist mindestens drin.“