Sehr viele Besucher haben ihre Ausstellungseröffnung im B-05 besucht, trotz sehr wechselhaften Wetters, freut sich Hannah Westphal. Die junge Montabaurerin ist Neurowissenschaftlerin, Fotografin und Schauspielerin. Im Kulturzentrum B-05 im Stadtwald von Montabaur zeigt sie Porträts und erklärt unserer Zeitung, was ihre verschiedenen Professionen miteinander zu tun haben und wieso bei ihren Sessions ganz besondere Fotografien entstehen.
Hannah Westphal hatte die Schule vor dem Abitur verlassen und gerade ihre Lehre zur Fotografin absolviert, als die um sich greifende Handyfotografie ihren Ausbildern massive Existenzängste verursachte. „Ich habe mich gefragt: Ist das meine Zukunft?“, schildert die Westerwälderin, die derzeit in Südfrankreich lebt. Sie entschied sich, das Abitur zu machen, und fand dabei solche Freude am Lernen, dass sie sich entschied, Neurowissenschaften zu studieren.

Bei ihrem Studium in England fiel ihr rasch auf, dass die Kunst alles ausdrückt, was Körper und Geist ausmacht. „So hat sich für mich der Kreis geschlossen“, sagt Westphal. Sie bemerkte, dass die Selbstwahrnehmung vieler Freunde negativ war, was bei ihr den Gedanken auslöste: „Ich wünschte, du könntest dich sehen, wie ich dich sehe.“
Dass sich das mithilfe von Fotos realisieren lässt, wenn sie Menschen motivieren kann, sich von ihr ablichten zu lassen, obwohl sie überzeugt sind, „nicht fotogen“ zu sein, war ihr Ansporn. Und die Erkenntnis, dass während der Fotosession der Samen gelegt werden kann zu einer positiven Selbstwahrnehmung, weckte in Hannah Westphal den Wunsch, „die Fotografie zu nutzen, um zu heilen“. Im Studium habe sie gelernt, dass Mode und Trends das Hirn prägen – aber auch, dass Wahrnehmung aktiv verändert werden kann.

Ziel der 30-Jährigen ist es, dass die Menschen das Gefühl der Scham für ihren Körper oder ihr Aussehen überwinden. „Dafür reden wir erst mal viel, sprechen die Gefühle und die Scham an“, beschreibt Westphal den Prozess. Ihre Aufgabe sehe sie darin, der anderen Person Sicherheit zu geben: „Das braucht viel Energie und Zeit, aber es ist mir wichtig, das gewährleisten zu können“, sagt sie, und dass sie auch Zeit für sich selbst brauche, um dem anderen mit der nötigen Sicherheit entgegenzutreten.
Zum Fotografieren gehe sie mit ihren Modellen meist in die Natur: „Dort können wir einfach sein“, sagt Hannah Westphal, denn der Reiz und die Schönheit der Natur lägen gerade im Unperfekten. „Wenn die Scham weicht, kommen oft Tränen – und dann das Loslassen, eine spielerische Leichtigkeit: ins Wasser springen, im Sand rollen, auf einen Baum klettern, den Raum einnehmen.“
Die meisten Menschen, die sich von Hannah Westphal fotografieren lassen, sind zwischen Mitte 20 und Mitte 40, viele kommen zu mehreren. „Vor allem junge Frauen wollen mehr über ihren Körper wissen und ihre Weiblichkeit zelebrieren“, berichtet die Fotografin. Etwa 40 Prozent ihrer Modelle hat sie gefragt, ob sie Fotos von ihnen ausstellen darf, 15 bis 20 Prozent von ihnen haben zugestimmt. Meist suchten sie die Bilder gemeinsam aus.

Die Fotos für die Ausstellung „renaissance : rebirth“ im B-05 hat Hannah Westphal selbst ausgesucht, in einem künstlerischen Prozess. Das Natur- und Kulturzentrum kannte sie von Besuchen mit ihrer Familie und durch Freunde, dort findet noch bis zum 17. August ihre erste Solo-Ausstellung statt. Elf Werke, eines davon mehrteilig, sind im Kunstbunker zu sehen. Inspiriert haben sie die Körperdarstellungen der Renaissance.
Wichtig war ihr, dass es Fotografien sind, die wie Gemälde wirken, „Drucke, die man sich wie Kunst hinhängen kann“. 20 limitierte Prints gibt es von den Motiven, die Interessenten bestellen können – auf Wunsch auch gerahmt. Auch die Ausstellungsstücke sind käuflich zu erwerben, aber da die Bunker feucht sind, könnte die Qualität leiden, sagt die Künstlerin.
Öffnungszeiten: freitags ab 17 Uhr, samstags ab 14 Uhr, sonn- und feiertags ab 10 Uhr. Die Schließzeiten sind abhängig von Besuch und Wetterlage.
Scham ist ein Überlebensinstinkt
Wenn ein Kind sich von der Hand der Mutter losreißt und auf die Straße läuft, schimpft die Mutter: Das Kind schämt sich. „Das ist eine starke Emotion, die sich dem Kind einprägt, und es tut es nicht wieder“, erklärt Hannah Westphal. „Scham ist ein Überlebensinstinkt“, sagt die Neurowissenschaftlerin. Da es aber solche Überlebenssituationen nicht mehr so oft gebe, erwachse Scham heute vielfach aus anderen Situationen – etwa, wenn Jugendliche von ihren Altersgenossen ausgeschlossen würden, weil sie nicht ins Schema passen. „Die Scham bleibt, und sie dauert an, weil man ständig damit konfrontiert wird“, schildert Westphal. Sie entwickelt sich zum seelischen Trauma. Im Studium der Neurowissenschaften hat sie sich damit befasst, wie das Nervensystem Traumata im Körper speichert – und wie körperliche und mentale Übungen das Nervensystem beeinflussen können. Dazu nutze sie die Grundsätze der Neurowissenschaft.