In der Publikation des Westerwälder Vereins soll es um übergriffige Lehrkräfte gehen - Team sucht noch Autoren
Missbrauch an Schulen: Wäller Initiative plant Buchprojekt
Seit knapp drei Jahrzehnten kämpft die Westerwälder Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gegen Sexualstraftaten. Nun plant der gemeinnützige Verein ein Buchprojekt zu körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt an Schulen.
picture alliance / Nicolas Armer

Die bundesweit tätige Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen unter dem Vorsitz des Siershahners Johannes Heibel plant ein Buchprojekt zum Thema „Körperliche, seelische und sexuelle Gewalt durch Lehrkräfte im staatlichen Schulsystem“. Das hat der Vereinsvorsitzende jetzt im Gespräch mit unserer Zeitung angekündigt. Der Verein ermöglicht es dabei Betroffenen, sich mit eigenen Beiträgen an der Publikation zu beteiligen.

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Seit knapp drei Jahrzehnten kämpft die Westerwälder Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gegen Sexualstraftaten. Nun plant der gemeinnützige Verein ein Buchprojekt zu körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt an Schulen.
picture alliance / Nicolas Armer

„Obwohl der Initiative aus den vergangenen drei Jahrzehnten eine hohe Anzahl an Fällen bekannt wurde und sie viele Betroffene unterstützen konnte, sehen die Ministerien für Bildung weder in den Ländern noch im Bund Handlungsbedarf“, stellt Heibel fest. Dies werde unter anderem mit den zu niedrigen Fallzahlen und den jeweils angeblich ausreichenden Konsequenzen zum Nachteil der Beschuldigten begründet.

„Eine Aufarbeitung der Vergangenheit durch unabhängige Fachleute, worum sich die katholische Kirche derzeit bemüht, und eine Gesetzesverschärfung des Dienstordnungsrechts sieht man von daher als nicht notwendig an“, kritisiert Heibel. Das Buchprojekt der Initiative will hier Abhilfe schaffen und den Finger öffentlich in die Wunde legen.

„Um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt seitens des übergriffigen Lehrpersonals zu verbessern, müssen wir wissen, wo die strukturellen Mängel im System liegen und was es abzustellen gilt. Allein mit Schutzkonzepten können wir die Gefahren für Schülerinnen und Schüler nicht minimieren“, sagt der Vorsitzende der Initiative.

Der Diplom-Sozialpädagoge ist sich sicher, dass nur durch eine breit angelegte Kampagne, das heißt durch massiven öffentlichen Druck, die Politik oder die Ministerien zum Handeln bewegt werden können, wie Heibel erklärt. Mit dem geplanten Buchprojekt will die Initiative starten und den Opfern eine Stimme geben.

Erst kürzlich hatte sich der Vereinsvorsitzende Heibel in einem Interview in unserer Zeitung zu Missbrauchsfällen an staatlichen Schulen geäußert und die Arbeit der Initiative in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten dargelegt.

Der Fall eines übergriffigen Lehrers an einer Westerwälder Schule hatte 1993 zur Vereinsgründung geführt. „Da wir aufgrund des Artikels sehr viel Zuspruch bekamen, wollen wir nun mit einem Buchprojekt zur Thematik nachlegen. Wir hoffen somit, dass sich noch mehr Betroffene melden und wir damit den Druck auf die Politik verstärken können“, betont Heibel.

Johannes Heibel kämpft gegen sexuellen Missbrauch.
Frank Hugle

Den Betroffenen stehe es dabei frei, ob sie dies in anonymisierter Form oder mit ihrem vollständigen Namen tun möchten. „Auch der katholischen Kirche musste erst öffentlich vor Augen geführt werden, was jahrzehntelang unter dem Mantel des Schweigens passieren konnte und welche Folgen das für die Betroffenen hatte. Ähnlich wie bei der Kirche hatte der Ruf der Institution und der Schutz des Lehrpersonals häufig mehr Priorität als das Wohl von Schülerinnen und Schülern“, erklärt der Vorsitzende.

In der Folge sei es, wenn überhaupt, auch in Schulen häufig nur zu Versetzungen der Beschuldigten gekommen, wie das auch bei der Kirche gängige Praxis war. „Diese Lehrkräfte wurden wie ein ‚Wanderpokal‘ von einer zur anderen Schule versetzt, was teilweise sogar noch heute zu beobachten ist. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer nur dann sicher aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden kann, wenn er oder sie nicht zu mindestens einem Jahr Haft verurteilt wurde“, fordert Heibel.

„Die Ansprüche an das Lehrpersonal müssen zukünftig so hoch sein, dass übergriffiges Verhalten jeglicher Art nicht ohne spürbare Konsequenzen bleibt“, fügt er hinzu.

Auch die FDP-Landtagsabgeordnete Helga Lerch setze sich für die Initiative ein, sagt Heibel. „Bereits im Januar 2020 sprach sie im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung das Problem ganz explizit an. Das Ergebnis war, dass sie aus der FDP-Fraktion ausgeschlossen wurde, da man die Äußerungen als aus der Luft gegriffen einstufte“, erklärt Heibel.

„Wir müssen politisch Rahmenbedingungen schaffen, damit sexuelle Übergriffe im schulischen Bereich rechtlich und faktisch eine entschiedene Ahndung zur Folge haben. Wer übergriffig wird, hat die Schule zu verlassen“, zitiert der Vereinsvorsitzende Helga Lerch.

Betroffene, die an dem Projekt teilnehmen möchten oder Unterstützung benötigen, können sich mit dem gemeinnützig anerkannten Verein in Verbindung setzen: E-Mail info@initiative-gegen-gewalt.de oder Telefon 02623/6839.

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