Auch im Westerwald gibt es dieses Problem bereits. Die Allgemeinmedizinerin Laila Sider aus Langenhahn beispielsweise sucht bereits seit einem Jahr Verstärkung für ihre Praxis und hat zig Stellenausschreibungen über Zeitung und Internet geschaltet – bislang ohne Erfolg. Am 23. Dezember 1974 hatte Dr. Mohamed Sider in Langenhahn eine Praxis als Allgemeinmediziner eröffnet. Tochter Laila arbeitet seit dem Jahr 2000 als Ärztin in dieser Gemeinschaftspraxis, und zu keiner Zeit hätte sie geglaubt, dass sie einmal solche Schwierigkeiten haben würde, neues Personal zu finden. Wenn der Vater sich vor Jahrzehnten auf Personalsuche begab und eine Anzeige schalten ließ, meldeten sich bis zu 50 Interessentinnen. Als Praxisbetreiber konnte er aus dem Vollen schöpfen; der Job als Arzthelferin war begehrt. Ganz anders ist das heute. Seit Weihnachten 2020 sucht die Allgemeinmedizinerin händeringend weiteres Personal für ihre Praxis, eine Arzthelferin in Teilzeit und eine Auszubildende. Sie hat in der Tageszeitung und im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde inseriert. Auch bei der Arbeitsagentur wurde sie vorstellig, Suchanzeigen in der Jobbörse und in weiteren Internetforen waren nicht von Erfolg gekrönt. Lediglich zwei Interessentinnen meldeten sich. Sie waren jedoch nicht für den Job geeignet.
Derzeit arbeiten laut Virchowbund deutschlandweit 430.000 Medizinische Fachangestellte in circa 100.000 Arztpraxen, knapp die Hälfte davon in Teilzeit. „Von offizieller Seite wird ein Fachkräftemangel noch bestritten“, sagt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes. Erschwerend komme noch hinzu, dass gut ausgebildete Mitarbeiter immer häufiger von Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder Krankenkassenverwaltungen mit besseren Verdienstmöglichkeiten gelockt und abgeworben würden. Der Pflegemindestlohn habe diese Entwicklung noch beschleunigt. Auf der anderen Seite könnten, selbst erhebliche Tarifsteigerungen erst mit großer Verzögerung mit den Krankenkassen verhandelt werden. Die unterschiedliche Refinanzierungssystematik in Klinik und Praxis führe zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten der Praxisärzte und werde diese „personell auf lange Sicht ausbluten“, so Heinrich.
Woran liegt es also, dass diese einstmals so begehrte Tätigkeit bei jungen Frauen nicht mehr so angesagt scheint? Viele Kollegen hätten das gleiche Problem bei der Personalsuche, erläutert Laila Sider. „Es ist eigentlich ein wunderschöner Beruf, wenn man Patienten auf ihrem Lebensweg begleiten kann“, betont sie. Krisensicher sei der Job auch, und man könne sich stetig weiterbilden, was sich auch finanziell auswirke. Doch es sei wie bei anderen Berufen, überall gebe es Schwierigkeiten, geeigneten Nachwuchs zu finden. Die Situation in den Praxen sei sicherlich auch zum Teil Corona geschuldet, da viele Interessenten möglicherweise Angst hätten, sich anzustecken, meint die Allgemeinmedizinerin.
Der Langenhahner Ärztin zur Seite stehe ein junges, motiviertes und nettes Team von vier Festangestellten und einer Aushilfe. „Ich bin stolz darauf, mit ihnen zusammenarbeiten zu können“, schwärmt Laila Sider. Und sie bezahlt ihre Mitarbeiterinnen über Tarif. Das Gehalt der Arzthelferin hängt grundsätzlich davon ab, ob ein Gehalt nach Tarifvertrag gezahlt wird und ob der jeweilige Arbeitgeber einer Tarifgemeinschaft angeschlossen ist. Im Durchschnitt beträgt das Gehalt einer Arzthelferin laut Entgeltatlas der Arbeitsagentur 2346 Euro brutto pro Monat in Deutschland. Ab dem 1. Januar 2022 steht laut Tarifvereinbarung für medizinische Fachangestellte und Arzthelferinnen eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung an. Dann erhält eine Auszubildende im ersten Jahr monatlich 900 Euro, 965 Euro monatlich im zweiten Jahr und monatlich 1035 Euro im dritten Jahr. Im ersten bis zum vierten Berufsjahr verdient eine Arzthelferin in der Tätigkeitsgruppe eins ab dem 1. Januar 2022 für das Ausführen von Tätigkeiten nach allgemeinen Anweisungen, wobei Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt werden, wie sie durch eine abgeschlossene Berufsausbildung als Medizinische Fachangestellte mit der Prüfung vor der Ärztekammer erworben wurden, im Monat 2151 Euro. Je mehr Fachkenntnisse sich eine Arzthelferin zugelegt hat, etwa durch die Aneignung spezialisierter Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, desto höher sieht der Tarifvertrag ihre Tätigkeitseingruppierung vor, was sich natürlich auf den Lohn auswirkt.
In der Praxis in Langenhahn ist für das vorhandene Personal die Belastungsgrenze überschritten. Wenn jemand krank wird oder in Urlaub geht, ist man unterbesetzt. „Es wird immer mehr Bürokratie aufgebaut, und da wird nichts abgebaut“, verdeutlicht die Ärztin. Politik und Krankenkassen redeten nur und machten nichts für eine Arbeitserleichterung. Seit mehr als 20 Jahren habe sich die Situation in den Praxen zusehend verschlechtert. „Zurzeit können wir nicht noch mehr Patienten annehmen, da wir eine Ausnahmesituation haben und viel Impfungen durchführen. Die Leidtragenden sind die Patienten“, so Laila Sider.
Interessenten können sich gerne bei der Praxis bewerben (Kontakt: lsider-mladenow@web.de). Sie sollten einen vernünftigen Schulabschluss haben, bevorzugt einen ordentlichen Hauptschul- oder Realschulabschluss. Oder sie sollten das Gymnasium besucht haben. „Auch eine Arzthelferin trägt eine große Verantwortung für die Gesundheit der Patienten, und sie sollte dieser Verantwortung gerecht werden können“, betont die Medizinerin. Und stellt fest: „Die Arzthelferin ist die Visitenkarte einer Arztpraxis!“