Verführerisch weht der Duft von Popcorn durchs Foyer, Tickets und Getränke wandern über die Theke, und wer mit allem ausgestattet ist, den zieht es zügig in Richtung Lieblingsfilm. Eigentlich ein ganz normaler Abend im Hachenburger Kino „Cinexx“ – wenn da nicht die gut gelaunten Besucher wären, die sich vor Saal 1 versammelt haben, mit Sekt anstoßen, in Programmheften blättern und einen vielversprechend ausgestatteten Büchertisch durchstöbern. Alles deutet hier auf ein Ereignis hin, das nichts mit Blockbustern und Co. zu tun hat.
Und so ist es. Denn in Kürze werden in diesem originellen Ambiente die diesjährigen „Westerwälder Literaturtage“ unter dem Motto „Forever young?“ eröffnet und damit eine der traditionsreichsten Veranstaltungsserien, die unsere Region zu bieten hat. 24 Jahre gibt es den Lese-Marathon nun schon, was zur Folge hat, dass sich ein treues Stammpublikum entwickelt hat, das stetig um neue Bücherfans erweitert wird.

Deshalb war der Kinosaal zu Beginn des Festabends wenig überraschend auch restlos ausverkauft. Wer einen der bequemen Sitzplätze ergattert hatte, der schmiegte sich voller Vorfreude auf den literarischen Stargast Maxim Leo hinein. Und dann legte auch schon das Musiker-Trio „The Morbidels“ los, das für diesen Anlass großartige Retro-Songs mitgebracht hatte. Achim Schwickert, Landrat des Westerwaldkreises, eröffnete die Literaturtage nun ganz offiziell. In seiner Ansprache lobte er auch im Namen seiner Amtskollegen Peter Enders (Altenkirchen) und Achim Hallerbach (Neuwied) die etablierte Zusammenarbeit innerhalb der drei Landkreise. Sein besonderer Dank galt Programmleiterin Katharina Roßbach für die kräftezehrende Vorbereitung der insgesamt 30 Veranstaltungen. Teneka Beckers, Geschäftsführerin des langjährigen Kooperationspartners „Kultursommer Rheinland-Pfalz“ überbrachte die Grüße des Kulturstaatssekretärs Jürgen Hardeck und stellte die durchgängig gelungene Umsetzung des Mottos sowie die reizvolle Auswahl der Veranstaltungsstätten heraus.
Katharina Roßbach wies das Publikum in ihrer Rede auf zwei gute Omen hin. Zum einen falle der Start des Literatur-Festivals auf den „Welttag des Buches“. Zum anderen habe eine Studie der Yale Universität ergeben, dass die Lebenserwartung von Viellesern um drei Jahre steige, was die viel diskutierte Thematik „Forever young“ in den nächsten Lesungsmonaten noch einmal interessanter mache. Dann gab sie die Bühne frei für Maxim Leo, Autor des Eröffnungs-Werkes „Wir werden jung sein“, und den Literaturjournalisten Thomas Böhm – ein Dreamteam.

Während Böhm seine Rolle als spitzbübischer, fast kindlich neugieriger Moderator glänzend ausfüllte, ließ sich der Schriftsteller mit großem Vergnügen aus der Reserve locken. Die beiden stiegen auf Augenhöhe ins Kernthema des Buches ein, nämlich die verblüffende Wirkung eines Herzmedikaments, das im Rahmen einer Studie an der Berliner Charité verabreicht wird und die Teilnehmenden unterschiedlichsten Alters jünger macht – eine ungeahnte Herausforderung für alle Beteiligten. Böhm und Leo sprachen nicht nur über die vorgelagerte Recherche und den seriösen wissenschaftlichen Kontext, sondern auch über die ethischen, gesellschaftlichen und politischen Fragen, die eine solche Möglichkeit aufwirft – schließlich ist diese aus medizinischer Sicht längst nicht mehr utopisch.
Mit Leben gefüllt wurde alles durch die Lesebeiträge, die nicht nur die Sorgen, die Nöte und auch die Überforderung zweier ausgewählter Figuren verdeutlichten, sondern auch einen Einblick in Maxim Leos intelligenten, amüsanten und mit feiner Ironie durchzogenen Schreibstil gewährten. Das Publikum jedenfalls wurde so ins Thema hingezogen, als stünde die Verabreichung der „Verjüngungspille“ unmittelbar bevor. Das zeigte auch die abschließende Fragerunde. Es war eine Eröffnung, die niveauvoll, informativ und leichtfüßig zugleich war – und wer nach diesem brillanten Start noch keine Tickets für die Lesungssaison hat, der sollte das schnellstens nachholen.
