Christentum trifft Buddhismus
Marienstatt: Japanische Blumenkunst läutet Advent ein
Zisterziensermönch und Ikebana-Lehrer Frater Gregor Brandt gestaltet die Adventsskulptur in der Marienstatter Basilika nach den Regeln der alten japanischen Blumenkunst.
Röder-Moldenhauer

Die Adventszeit steht kurz bevor. Auch in der Abtei Marienstatt bereitet man sich darauf vor – unter anderem mit besonderem Blumenschmuck und Musik.

An den Vormittagen vorm ersten Advent herrscht in der Marienstatter Basilika Betriebsamkeit: Denn für die Zeit vor Weihnachten muss einiges hergerichtet werden. Während im hinteren Bereich der Kirche die Männer der „5. Kolonne“ (eine Gruppe ehrenamtlicher Helfer) dabei sind, die imposante Adventskrippe aufzubauen, ist Frater Gregor Brandt damit beschäftigt, das große Blumenarrangement neben dem Altar zu gestalten, das in den nächsten Wochen zudem als Adventsgesteck dient. Dazu nutzt der Mönche eine jahrhundertealte japanische Tradition: Ikebana.

Der Ordensbruder ist schon lange fasziniert von dieser Kunst und hat dazu in den 1980er- und 1990er-Jahren regelmäßig Kurse besucht, die er mit mehreren Diplomen abgeschlossen hat. Frater Gregors Begeisterung für die Blumensteckkunst aus Fernost resultiert daraus, dass sie ihre Wurzeln im Religiösen hat. Ikebana (Bedeutung: Anordnen lebenden Materials in Wasser) sei mit dem Buddhismus nach Japan gekommen und dort zunächst überwiegend von Mönchen ausgeübt worden. Diese hätten die Blumen der Pilger im Tempel als Ausdruck der Verehrung und Anbetung arrangiert. Damit seien die Gebilde weit mehr als nur dekorative Kompositionen, erläutert Frater Gregor.

Arrangements und Skulpturen sind Ausdruck der Ehrfurcht vor der Schöpfung

Weil die Japaner auch trockenes Material wie Holz, Metall oder Steine zur lebenden Natur zählen, würden Ikebana-Arrangements in Fachkreisen Blumenskulpturen genannt – ebenfalls als Zeichen der Ehrfurcht vor der Schöpfung, die den Menschen als Lebensraum geschenkt worden sei, berichtet der Marienstatter Zisterziensermönch weiter. Zudem betont er, dass diese Kunst klare Regeln und Disziplin – zum Beispiel hinsichtlich Formen und Farben – erfordere, wie man sie ebenso in der Architektur, der Bildhauerei oder Malerei finde.

Aufgrund seiner intensiven Ausbildung darf Frater Gregor sogar den Titel Ikebana-Lehrer tragen. Sein Spezialgebiet ist das Arrangieren in großen Vasen. Eine solche steht ihm auch in Marienstatt zur Verfügung: Es handelt sich um eine typische Ikebana-Röhrenvase, die in ihrer Form an Orgelpfeifen erinnert und die Frater Gregor nun für den Advent gestaltet hat. Aktuell besteht die Skulptur aus rund 40 Jahre alten Wurzeln, die Frater Gregor im Tal der Nister gesammelt hat, einem frischen, geschwungenen Kiefernast und vier Kerzen aus violett-rotem Echtwachs, die ähnlich schimmern wie die Wurzeln.

Anordnung soll dem Gehirn Denkanstöße liefern

Wichtig sei beim Ikebana, dass dem Auge nicht langweilig werde, sondern die Materialien müssten so angeordnet sein, dass das Gehirn Denkanstöße bekomme. Durch seine Arbeit mit den Blumenskulpturen könne er sich ausdrücken, sein Innerstes visualisieren und die Arrangements an die jeweilige Liturgie im Kirchenjahr anpassen, erläutert Frater Gregor. Dabei erschließt sich dem Betrachter manche Symbolik relativ schnell, andere Botschaften sind verdeckt und bedürfen möglicherweise einer Erläuterung.

Die Adventszeit ist die Vorbereitung auf Weihnachten, die vier Kerzen symbolisieren laut Frater Gregor die 4000 Jahre, die das Volk Israel auf den Messias gewartet habe. Diese Zeit sei eine Zeit der Dunkelheit und der sehnsuchtsvollen Hoffnung gewesen, die sich ausdrucksstark in alten Adventsliedern widerspiegele. „Diese Dunkelheit verdeutliche ich mit dem toten Holz der Wurzeln, sie tragen dann später durch die Geburt unseres Erlösers an Weihnachten Blüten und werden damit zum Leben erweckt“, erklärt der Mönch. Musikalisch finde man dieses Bild etwa in dem Titel „Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart“ wieder.

„Im Advent achte ich, ähnlich wie in der Fastenzeit, auf einen sparsamen und zurückhaltenden Einsatz der Materialien.“
Frater Gregor Brand

An der Stelle wird Frater Gregor plötzlich nachdenklich: Teile der Bevölkerung weichten die Zeit des Wartens, den Advent, regelrecht auf und machten daraus bereits die Weihnachtszeit. Er hingegen gehe in seinen Ikebana-Adventsskulpturen schlicht und zurückhaltend mit den Materialien um: Zwar werde der Blick stets gen Himmel gerichtet und der Mensch als Teil der Schöpfung dargestellt. Doch die Freude über die Geburt des Messias drücke er erst an Weihnachten durch das Einfügen einer Blüte, als Zeichen des neuen Lebens, in eine Wurzel im Arrangement aus. Die Weihnachtszeit sei keineswegs am 26. Dezember zu Ende, sondern dauere bis zum Fest der Taufe des Herrn.

Als Organist der Abtei und Leiter des Marienstatter Musikkreises bereitet sich Frater Gregor Brandt mit besonderen Liedern auf den Advent und das kommende Weihnachtsfest vor. Ein traditioneller Titel, der ein Bindeglied zwischen seiner Begeisterung zur Ikebana-Blumenkunst und seiner Liebe zur Musik darstellt, ist "Es ist ein Ros' entsprungen".
Röder-Moldenhauer

Der Advent als Zeit der Einkehr, der Buße und der inneren Vorbereitung im Unterschied zur großen Freude an Weihnachten kommt auch in der Musik, Frater Gregors weiterer Leidenschaft, zum Ausdruck. Als Organist der Abtei und Leiter des Marienstatter Musikkreises achtet er auch in diesen Wochen, ähnlich wie in der Fastenzeit, auf einen sparsamen und zurückhaltenden Einsatz. „Erst durch Verzicht und Entbehrung merkt man wieder, was man vorher hatte“, gibt er zu bedenken. So entfällt im Advent etwa die Orgelbegleitung beim Ein- und Auszug der Mönchsgemeinschaft zum beziehungsweise vom Chorgebet.

„Erst durch Verzicht und Entbehrung merkt man wieder, was man vorher hatte.“
Frater Gregor Brand

„Erst mit der ersten Vesper der Weihnachtszeit geht’s dann wieder richtig los“, sagt Frater Gregor augenzwinkernd. Bei der Auswahl der Lieder für die Gemeindegottesdienste setzt er auf eine Mischung aus traditionellen Liedern und Orgelimprovisationen. „Ähnlich wie beim Ikebana setze ich mich aber nicht schon weit im Voraus hin und mache mir Gedanken, sondern ich lasse mich von der Stimmung des Moments inspirieren, wenn die Zeit da ist. Das geschieht ganz zufällig, ohne Krampf.“

„5. Kolonne“ packt beim Krippenbau an

Auch die "5. Kolonne", eine Gruppe ehrenamtlicher Helfer, ist in den Tagen vorm 1. Advent in der Basilika im Einsatz, um die große Krippe aufzubauen, die nicht nur an Weihnachten die Geburt Jesu Christi abbildet, sondern schon in den Wochen vorher die biblische Geschichte der Vorbereitung auf dieses Ereignis im Stall von Bethlehem erzählt.
Röder-Moldenhauer

Seit rund 30 Jahren sind die Männer der „5. Kolonne“, einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer für die Abtei Marienstatt im Einsatz. Gegründet wurde sie seinerzeit vom damaligen Pfarrer Pater Theobald Rosenbauer. Seither packt die 14-köpfige Gruppe rund ums Jahr an, wo sie gerade gebraucht wird. Traditioneller Bestandteil ihrer Tätigkeit ist der mehrtägige Aufbau der großen Adventskrippe in der Basilika. „Dafür werden viele Hände benötigt“, sagen die Helfer. Die größte Herausforderung dabei sei, sich immer zu merken, wie sie im Vorjahr aufgebaut gewesen sei, denn etliche Bauelemente hätte feste Plätze. Für die Krippe sammelt die Gruppe schon Wochen vorher Moos und Äste, damit die Anlage möglichst naturnah wirkt. Inhaltlich startet die Krippe mit der Ankündigung der kommenden Geburt Jesu durch Johannes dem Täufer. Es sei immer wieder schön zu beobachten, wie Menschen ehrfürchtig vor der Krippe innehielten und sich alle Details genau anschauten, so die Helfergruppe. nh

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