Im Gepäck hat sie ihr Buch „Das Verkehrte und das Richtige“. Annegret Held lässt die Besucher an einer Geschichte teilhaben, die zwar keine komplette Autobiografie ist, aber authentische Elemente hat.„Ich entführe Sie jetzt in die 1980er-Jahre“, sagt sie zu Beginn der Lesung lächelnd. Die Autorin erzählt unter einer leuchtenden Schreibtischlampe und bei einbrechender Dämmerung von der Protagonistin Anna.
Diese ist, wie Annegret Held früher selbst, Polizistin in Darmstadt und kommt wegen eines Jubiläums der Feuerwehr zurück in die Heimat aufs Dorf. Bei der Veranstaltung ist sie Festdame und lässt sich den Wein etwas zu gut schmecken: „Die Schulterpolster hingen uns auf dem Rücken oder unter den Achseln.“ Als sie den gut aussehenden evangelischen Pfarrer aus einem anderen Ort eine Rede halten sieht, verliebt sie sich in ihn und seine „Feuerteufelaugen“. Doch dann wird Anna wieder in die Realität zurückgeholt, denn er ist verheiratet und hat Kinder. Trotzdem bleiben die beiden in Kontakt. Eines Morgens steht er in Darmstadt überraschend vor ihrer Haustür, und was danach geschieht, beschreibt die Schriftstellerin mit den Worten: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“
„Wie geht es denn weiter?“
Nach der Pause fragt eine Frau aus dem Publikum gespannt: „Wie geht es denn weiter?“ Es folgen einige teils skurrile Geschichten, die aus der Affäre mit dem Pfarrer entstehen. Er möchte beispielsweise mehr Zeit mit ihr verbringen und nimmt sie mit in eine evangelische Ausbildungsstätte. Dort verharrt Anna auf dem kargen Zimmer, während der Pfarrer auf einer Abendveranstaltung ist. Sie hat, während er weg ist, keine Unterhaltung außer der Bibel und kommt sich fehl am Platz vor: „Ich hörte die Engel schreien: Mach dich weg von hier!“
Nach einer Weile verlässt Anna die Polizei und geht zum Studieren nach Heidelberg. Dort muss sie feststellen, dass sie von dem Pfarrer schwanger ist. Dass das vor allem in ihrer dörflichen Heimat zu einem Skandal führt, steht außer Frage. Auch andere Anekdoten lassen die Besucher an Annegret Helds Lippen kleben, wenn es beispielsweise um den Polizisten „Schimanski“ geht, in den sie zeitweise verliebt ist, oder als sie mit ihrem Kollegen einen Exhibitionisten in einer gynäkologischen Abteilung festnehmen muss.
Resonanz seitens der Stadtbücherei ist positiv
Besucherin Annette Schuster kauft sich an dem Abend gleich ein Buch und sagt lächelnd: „Sie schreibt so natürlich, selbstreflektiert und mit ganz viel Humor.“ Die Resonanz seitens Tanja Wolf von der Stadtbücherei ist ebenfalls positiv: „Wir hatten Frau Held ja schon mal hier. Da weiß man, dass es läuft.“ Die Schriftstellerin selbst ist ebenfalls mit dem Abend zufrieden und dankt dem Publikum für seine Empathie. Das Buch sei so persönlich, dass sie es zuerst nicht bei Lesungen habe präsentieren wollen. Als sie es schließlich doch gemacht habe, sei das besonders emotional gewesen: „Ich habe bei der ersten Lesung geweint.“ In ihre Heimat, den Westerwald, eingeladen zu sein, sei ebenfalls besonders, und mit der Löwenstadt verbinde sie einiges: „Ich schreibe hier auch viel, dann gehe ich in die Cafés oder zum Mexikaner.“
Ihr Werk lädt nicht nur zum Lachen ein. Die Besucher bekommen an dem Abend viel Stoff zum Nachdenken, denn einige Gesprächsthemen sind emotional. Der Buchtitel „Das Verkehrte und das Richtige“ ist dafür ein Sinnbild, denn Annegret Held erklärt, dass es damals verwirrend gewesen sei herauszufinden, was richtig und was falsch ist: „Wenn ich in Heidelberg war, schwanger, in einer Frauen-WG, bei den Studenten, war alles richtig. Aber wenn ich ins Dorf ging, war das alles falsch.“
Ein humorvoller und persönlicher Abend
Bei der anschließenden Fragerunde kommt eine Besucherin zu dem Schluss: „Wir sind alle nur Menschen mit Fehlern.“ Für die Besucher ist es ein humorvoller und persönlicher Abend in der gemütlichen Atmosphäre des Vogtshofs. Ob alles an der ganzen Geschichte wahr ist, lässt die Schriftstellerin schlussendlich offen: „Es ist mehr wahr, als mir lieb ist. Aber alles andere ist ein Geheimnis.“