Kreisvorsitzende macht deutlich, dass sich der Verein neben Veranstaltungen rund um Kochen und Kreativität auch politisch engagiert
Landfrauen: Überholte Werte oder am Puls der Zeit? Verein auch politisch engagiert
Auch für den Erhalt der Integrierten Leitstelle in Montabaur setzten sich die Landfrauen ein und übergaben in einer Gruppe von 30 Vertreterinnen eine Liste mit mehr als 3000 Unterschriften an Innenstaatssekretär Randolf Stich (vorne, 2. von rechts). Archivfoto: Gudrun Franz-Greis/Landfrauenverband
Landfrauenverband / Gudrun Franz

Neue Themen, andere Schwerpunkte? „Das müsste von den Jüngeren kommen“, stellt Gudrun Franz-Greis fest. Denn die Themen des Vereins orientierten sich an den Interessen und Ideen der Mitglieder, erklärt die Vorsitzende der Landfrauen im Westerwaldkreis weiter. Dass bei den aktuellen Veranstaltungen hauptsächlich traditionelle Frauenthemen wie Kochen oder Handarbeiten bedient werden, will sie so aber nicht stehen lassen.

Auch für den Erhalt der Integrierten Leitstelle in Montabaur setzten sich die Landfrauen ein und übergaben in einer Gruppe von 30 Vertreterinnen eine Liste mit mehr als 3000 Unterschriften an Innenstaatssekretär Randolf Stich (vorne, 2. von rechts). Archivfoto: Gudrun Franz-Greis/Landfrauenverband
Landfrauenverband / Gudrun Franz

Immerhin setzten sich die Landfrauen auch für aktuelle Belange wie die Digitalisierung und gleiche Bezahlung von Frauen ein, erklärt Franz-Greis entschieden. Seit 30 Jahren ist die ausgebildete Landwirtin und Hauswirtschafterin, jeweils mit Meisterbrief, aus Rossbach im Vorstand der Landfrauen im Westerwald. Seit elf Jahren lenkt sie die Geschicke des Kreisverbands als deren Vorsitzende. Über die Landjugend, in der sie bereits Rheinland-Pfalz-weit engagiert war und den Landjugendtag in Trier mitorganisiert habe, sei sie damals zu den Landfrauen gekommen, erzählt die 64-Jährige. „Schnell habe ich gemerkt, dass ich mehr will, Ideen mitentwickeln“, erinnert sie sich an ihre Anfangszeit.

Auch politisches Engagement gehöre zur Arbeit des Vereins. „Frauen sollen sich einmischen in die Politik“, macht Franz-Greis deutlich. So hätten die Landfrauen Westerwald und Rhein-Lahn 3000 Unterschriften gegen die Schließung der Integrierten Leitstelle in Montabaur gesammelt. „Die ist dann nicht geschlossen worden“, stellt sie zufrieden fest. Auch für eine wohnortnahe Versorgung mit Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie im ländlichen Raum sind die Wäller Landfrauen aktiv.

Unterstützt wird Gudrun Franz-Greis unter anderem von Vorstandskollegin Katharina Schaffrin-Gros aus Rennerod. Die 38-Jährige ist ebenfalls aus der Landwirtschaft und über die Landjugend und das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum zu den Landfrauen gekommen. Für sie steht das Netzwerken im Mittelpunkt. „Es gibt schon viele inspirierende Menschen und spannende Themen und Orte zu entdecken“, sagt sie zu ihrem Engagement bei den Landfrauen.

Eines der aktuellen Themen seien Insekten als Lebensmittel, berichtet sie. „Wichtig ist, dass der Verein ein Sprachrohr für die Frauen, für die jungen Frauen ist“, macht Katharina Schaffrin-Gros deutlich. Ein weiteres ihrer aktuellen Themen sei der Breitbandausbau, ergänzt Franz-Greis: „Es gibt noch so viele weiße Flecken auf dem Land, was den Breitbandausbau betrifft“, stellt sie fest. Auch ihr inmitten von Feldern liegender Einödhof, den sie 1993 von ihren Eltern übernommen hat, hat keinen Internetanschluss. Viele landwirtschaftliche Betriebe im Westerwald seien davon betroffen, berichtet sie. Bei diesen Themen schrieben sie Briefe und führten Gespräche mit Abgeordneten. Viel Hoffnung hat Gudrun Franz-Greis bei diesem Thema nicht. „Wir versuchen schon, was zu ändern. Das gelingt uns nicht immer, aber das ist überall so“, erklärt sie.

„Frauen sollen sich einmischen in die Politik“, macht Gudrun Franz-Greis deutlich. Deshalb bieten die Westerwälder Landfrauen nicht nur Veranstaltungen für ihre Mitglieder an, sondern setzen sich auch für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männer oder den digitalen Breitbandausbau ein. Foto: Maja Wagener
Maja Wagener

Beim Thema gleiche Bezahlung für Männer und Frauen wird Gudrun Franz-Greis resolut: „Das ist ein Thema, diese Ungerechtigkeit, die regt mich auf“, gibt sie zu. Dass der Landesverband der Landfrauen sogenannte Equal-Pay-Beraterinnen ausgebildet habe, berichtet sie und bedauert, dass die Beratungen auf so wenig Interesse bei den Frauen gestoßen seien.

All das seien Dinge, bei denen die Ortsverbände mitwirkten, die aber vom Kreisverband ausgingen, so Franz-Greis. In den Ortsverbänden gehe es vor allem um Geselligkeit und Kontakt. Die Themen hingen hier von den einzelnen Gruppen selbst ab. So gebe es Ausflüge, Kochkurse und Handarbeitsthemen, aber auch Yoga und philosophische Runden wie im Ortsverband Hillscheid. Der klimagerechte Garten sei bei der Mitgliederversammlung am heutigen Samstag ein Thema, verrät die Vorsitzende, die auch im Landesverband im Vorstand aktiv ist.

„Je höher die Ebene, desto politischer wird die Arbeit“, sagt sie. Das spiegelt sich zum Teil auch in den Angeboten wider. So bietet der Landesverband Rheinland-Nassau etwa Weiterbildungen unter anderem im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und Digitalisierung an und schult seine Ehrenamtlichen auch mal als Führungskräfte. Ist eine Frau mal Mitglied, könne sie an allen Veranstaltungen teilnehmen, nicht nur an denen ihres eigenen Ortsverbands.

„Früher hieß es ,einmal Landfrau, immer Landfrau'“, berichtet sie. Das habe sich verändert: „Heute schauen die Frauen: Was habe ich davon?“,

berichtet Gudrun Franz-Greis, Vorsitzende

„Ein besseres Leben auf dem Land“ sei das Ziel der ersten Landfrauen gewesen, die vor etwa 110 Jahren von der ostpreußischen Gutsfrau Elisabet Boehm gegründet worden seien, weiß die gebürtige Roßbacherin. „Ein gutes Leben auf dem Land, das ist auch heute noch das Motto“, betont Gudrun Franz-Greis. Dafür arbeite der gesamte Vorstand als Team – „sonst funktioniert es nicht“, betont sie – zusammen und suche immer neue Wege, die Mitglieder zu erreichen. Das ist ein Modell, das sie sich auch für ihre Nachfolge vorstellen kann, denn 2025 muss Gudrun Franz-Greis als Vorsitzende aufhören. „Eine Nachfolgerin zu finden, ist wahnsinnig schwer“, sagt sie.

„Wir haben sehr unter Corona gelitten“, erzählt die Vorsitzende. In dieser Zeit seien Onlineveranstaltungen, darunter Stuhlgymnastik, angeboten worden. Doch damit habe der Verband die Älteren nicht erreicht. „Wir müssen sehen, dass wir unsere Mitglieder im Alter zwischen Mitte 30 und 80 mit Themen ansprechen“, erklärt Gudrun Franz-Greis. Das Durchschnittsalter der um die 400 Mitglieder im Westerwald liege bei etwa 65 Jahren, schätzt die Vorstandsfrau. Etwa 30 bis 40 Prozent der Wäller Mitglieder sei jünger als 50 Jahre. „Früher hieß es ,einmal Landfrau, immer Landfrau'“, berichtet sie. Das habe sich verändert: „Heute schauen die Frauen: Was habe ich davon?“, berichtet die Westerwälderin.

Junge Landfrauen gesucht

Einiges haben sie und ihr Vorstandsteam schon probiert, um Jüngere dazuzuholen: die Veranstaltungen in den Abend und auf das Wochenende gelegt, aktuelle Themen angeboten. „Dann kommen die Jüngeren auch dazu“, schildert sie Teilerfolge.

Doch die jungen Frauen wollten sich nicht so binden. Sie sollen nun noch intensiver angesprochen werden – von den jungen Vorstandsfrauen wie Katharina Schaffrin-Gros. Einen Stammtisch schlägt sie dafür vor, an dem gemeinsam Ideen entwickelt werden: „Dann kommen auch andere Themen, die jungen Frauen eher liegen.“ Daneben plane der Landesverband ein Sommerfest in Koblenz, das sich speziell an junge Landfrauen richte, weiß Schaffrin-Gros.

Von Maja Wagener

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