Von Markus Kratzer und Ulf Steffenfauseweh
Manfred Fetthauer sehnt sich nach der Zeit vor dem Jahr 2000 zurück. „Damals haben wir in der Nister noch 23 Fischarten gezählt. Davon können wir heute nur träumen, so der Vorsitzende der Arge Nister/Obere Wied. “Heute stellen wir in der Nister eine deutliche Verschlechterung der Gewässergüte fest„, führt er aus. Diese zunehmende Verschlammung liegt für ihn in einer drastischen Zunahme von Kiesel- und Grünalgen begründet, die, wenn sie absterben, zu einer Verstopfung des Kieslückensystems des Gewässers führen. “Das Kieslückensystem ist aber unersetzbar für bestimmte Lebensphasen der Gewässerorganismen„, so Fetthauer weiter. “Die Selbstreinigungskraft der Fließgewässer geht immer weiter zurück„, bringt es der Naturfreund auf einen kurzen Nenner. Er sieht die Entwicklung an der Nister, aber auch an der Oberen Wied, in einer entscheidenden Phase. Gelingt es, diese Selbstreinigungskraft und einen natürlichen Artenbestand (Biodiversität) wieder herzustellen, oder geht es mit unseren heimischen Flüssen im wahrsten Sinne des Wortes immer weiter den Bach hinunter?
“Wenn wir es schaffen, Fische wie die Nase und die Barbe, den Döbel oder den Hasel wieder ins laichfähige Alter zu bekommen, und sie nicht vorher vom Kormoran gefressen werden, dann haben wir eine Chance„, so Fetthauer.
Die 1997 gegründete Arbeitsgemeinschaft Nister (2004 kam die Obere Wied hinzu) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Reinhaltung und naturnahe Entwicklung des Flusses zu fördern. Das ehrenamtliche Engagement umfasst Projekte wie die Wiederansiedlung des Lachses. So werden jährlich zwischen 80 000 und 120 000 junge Lachse im Gewässersystem der Nister an mehr als 50 Orten ausgesetzt.
Aber was passiert, wenn es nicht gelingt, das verstopfte Kieslückensystem und die Verschlammung in den Griff zu bekommen? “Dann wird es teuer„, rechnet Manfred Fetthauer vor. “Eine Renaturierung an einem vergleichbaren Fluss in Bayern hat 580 000 Euro pro Kilometer verschlungen.„ Er hat aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich die kritische Situation an und in den heimischen Flüssen auf anderem Wege entspannen lässt.
Was die Wied anbetrifft, will auch Lothar Jörgensen von der Oberen Fischereibehörde des Landes die Lage nicht schönreden. Probleme gibt es für ihn einerseits dadurch, dass die Teiche der Westerwälder Seenplatte regelmäßig abgelassen werden. Das bringe Feinsubstrate ein, die das Kiesellückensystem belasten und den Fluss somit für viele Arten als Laichgewässer unbrauchbar machten. Problem Nummer zwei sind die verschiedenen Querverbindungen im unteren Bereich der Wied, die eine Fischwanderung verhinderten. Und während das Wiedwehr bei Irlich (Kreis Neuwied) derzeit entfernt wird, gibt es vor allem bei Altwied noch eine für viele Fische unüberwindliche Hürde. “Die EU-Wasserrichtlinie verpflichtet uns, die Gewässer bis 2021 in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Dazu zählt auch die Durchgängigkeit, und da haben wir in der Wied noch ein gutes Stück Arbeit vor uns„, sagt der Fischexperte.
Positiver fällt Jörgensens Fazit für den Mittelrhein aus: Hier schwimmen mittlerweile nicht nur Lachse wieder “in ordentlichen Stückzahlen„, es tummeln sich insgesamt fast 50 verschiedene Arten im Strom: Es gibt Barben, Brassen, Aale, Zander, Barsche, Hechte, Karpfen, Rotaugen und viele mehr. Damit ist das fast wieder komplette natürliche Artenspektrum vorhanden. Lediglich der atlantische Stör fehlt noch. “Den werden wir auch nicht wieder ansiedeln können", bedauert Jörgensen.