Bundesgesetz im Westerwald
Kreis und VGn wollen Ganztagsbetreuung zusammen stemmen
Schon heute haben die meisten Grundschulkinder im Westerwald (hier die Klasse 2a, die "Pandas" der Pfarrer-Toni-Schule Nentershausen, an einem ihrer letzten Schultage vor den Sommerferien), die Möglichkeit zur Ganztagsbetreuung. Lücken gibt es oft nur noch in der Ferienzeiten.
Markus Müller

Im nächsten Jahr tritt das bundesweit gültige Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter in Kraft. Der Westerwaldkreis will gemeinsam mit den Verbandsgemeinden für eine Ganztagsbetreuung an 48 Wochen im Jahr gewährleisten.

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Schon vom Schuljahr 2026/2027 an tritt das bundesweit gültige Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter, kurz Gafög, in Kraft. Von da an stehen alle deutschen Grundschulen, anfangs beginnend mit den Erstklässlern vor einer enormen Herausforderung. Denn das Gesetz beinhaltet für jedes Kind einen Anspruch auf ganztägige Förderung in einem zeitlichen Umfang von acht Stunden ab dem Schuleintritt bis zum Beginn der Klassenstufe fünf. Und das – bis auf eine Ausnahme von vier Wochen im Jahr – auch in den Ferien.

Die Umsetzung stellt auch den Westerwaldkreis und seine zehn Verbandsgemeinden vor nicht eben einfach zu bewältigende Herausforderung, geht es doch da um Kosten, Personal, Räume, Elternbeiträge und vieles mehr. Denn der Anspruch soll in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, damit ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat – und das mit der Ausnahme der oben genannten vier Wochen, die das Land noch bestimmen muss – das ganze Jahr über. Also auch in zehn Ferienwochen.

Die Grundschulkinder sollen vom übernächsten Schuljahr an auch in den Ferien die Möglichkeit zur Ganztagsbetreuung haben.
Markus Müller

„Die Erfüllung des Rechtsanspruchs richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe – Gesamtverantwortung, Planung, Finanzierung – und damit gegen den Westerwaldkreis“, erläuterte jetzt im Kreistag Landrat Achim Schwickert. Dem gesetzlichen Anspruch, der im schulischen Kontext steht und damit nur an den Wochentagen gilt, werde im Rahmen der schon bestehenden Angebote in den Verbandsgemeinden – der Ganztagsschule in Angebotsform (GTSA) sowie der betreuenden Grundschule (BGS) – bereits jetzt schon Rechnung getragen. „Rund 60 Prozent der Grundschulplätze (rund 4900 von 8400) sind bereits Ganztagsplätze. Ein bedarfsgerechtes Angebot, durch Bedarfsabfragen vor Ort in den Verbandsgemeinden ermittelt, erfüllt den Rechtsanspruch“, so Schwickert.

Regelungen für die Umsetzung der Ganztagsbetreuung und der Ferienbetreuung seien notwendig. Kreisjugendamt und Verbandsgemeinden hätten eine Richtlinie zur Umsetzung des Gafög) ausgearbeitet, in der die Planung, Umsetzung und Abwicklung aus verwaltungstechnischer Sicht sowie die Bedingungen für die Inanspruchnahme durch die Anspruchsberechtigten geregelt werden. Was das Ganze ziemlich kompliziert und offensichtlich unwägbar macht: Aus dem Rechtsanspruch ergibt sich keine Pflicht, das Angebot wahrzunehmen.

150 Euro Elternanteil pro Woche vorgesehen

Das könnte vor allem auch mit den noch festzulegenden Elternanteilen zusammenhängen: Die hatte man ursprünglich auf 250 Euro pro Woche kalkuliert. Nach einem umfassenden Austausch der vielfältigen Argumente in einer kürzlich stattgefundenen Bürgermeisterbesprechung mit dem Landrat sahen die VG-Chefs einen Elternbeitrag einschließlich Verpflegungskosten in Höhe von 150 Euro als einen ausgewogenen Betrag, um die Familien an der Kostenlast angemessen zu beteiligen.

Denn die könnte für den Kreis ganz schön hoch ausfallen, da sich Bund und Land nicht an der Finanzierung beteiligen. Der Westerwaldkreis muss die gesamten Kosten für die Ferienbetreuung einschließlich Verpflegung aus eigenen Mitteln aufbringen. „Beiträge in einer angemessenen Höhe können und müssen von den Eltern erhoben werden“, so der Landrat. Die möglichen Einnahmen, bei unterschiedlich hohen Elternbeiträgen je Woche, differierten, wenn man eine Mindereinnahme von rund 30 Prozent durch Erlass- und Teilerlassfälle und eine Geschwistermäßigung berücksichtigt, in der Höhe sehr stark. „Die beim Kreis verbleibende Kostenlast wird unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Annahmen zwischen 1,8 und 6,2 Millionen Euro betragen“, stellte der Kreischef fest.

„„Bund und Land haben den Kommunen mit dem Ganztagsförderungsgesetz Aufgaben übertragen, jedoch das Konnexitätsprinzip „Wer bestellt – bezahlt“, wieder einmal umgangen.“
Karl-Heinz Boll, Kreistagsfraktion der CDU

„Wir müssen das Projekt nun Schritt für Schritt angehen: Personalgewinnung, bisherige Vereine und Träger einbinden, Verbindung bzw. Einbindung in bisherige Ferienprogramme“, meinte der Christdemokrat Karl-Heinz Boll. „Es entstehen und bestehen noch viele Fragen, die zu lösen sind. Wir müssen uns herantasten, Erfahrungen sammeln. Der Kreis lädt mit der heutigen Beschlussfassung VGn, Vereine, Ehrenamtler dazu ein, gemeinsam ein umsetzbares Konzept zu erarbeiten und zu gestalten.“ Die CDU halte den gemeinsam vereinbarten Elternanteil von 150 Euro für zumutbar.

Für die Sozialdemokraten seien 150 Euro Elternbeitrag schon die absolute Grenze, machte Thomas Mockenhaupt für seine Fraktion deutlich. Er bedauerte, dass sich nur neun von den zehn Wäller Verbandsgemeinden an dem gemeinsamen Projekt beteiligen und eine ausschert. „So müssen wir andere über die Kreisumlage mitbezahlen.“

Da führt der Weg hin: Bis 2029 sollen alle Grundschulkinder an 48 Wochen im Jahr die Möglichkeit zur Ganztagsbetreuung haben.
Markus Müller

Für die FWG ginge auch ein Elternbeitrag von 180 Euro, erklärte Stephan Bach. Er befürchtet allerdings, dass es schwierig wird, passende Fachkräfte zu finden und sprach sich dafür aus, die über den Kreis zentral zu finden. Problematisch findet Bach, dass die Eltern schon zum 1. Dezember des Vorjahres ihren Anspruch anmelden müssen. Sarah Schell-Hahn (Grüne) kritisierte, dass man die guten Betreuungsangebote, die es in einigen VGn schon gibt, besser hätte darstellen können. Zudem frage sie sich, warum es keine Betreuung geben soll, wenn keine 16 Kinder zusammenkommen.

„Der Bund beschließt, wir bezahlen“, machte Andreas Puderbach (AfD) deutlich. Da der Elternanteil unter anderem auch eine Steuerungsfunktion habe, sehe seine Fraktion den Elternanteil von 150 Euro als zu niedrig an. Er beantragte deshalb, diesen auf 180 Euro zu erhöhen. Dafür stimmten aber nur sechs der sieben AfD-Kreistagsmitglieder. Abschließend beschloss der Kreistag mit großer Mehrheit bei sieben Gegenstimmen der AfD die Richtlinie zur Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes und die Vereinbarung mit den Verbandsgemeinden zur Umsetzung, verbunden mit einem Elternanteil von 150 Euro pro Woche. Aus dem System ausgeschert ist schon gemäß Ratsbeschluss die VG Höhr-Grenzhausen. Dort sei die geforderte Ganztagsbetreuung schon jetzt gewährleistet.

Wie der VG-Rat Wallmerod zum Gafög entschieden hat, lesen Sie in unserer Wochenendausgabe.

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