Der Großteil aller Kinder und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz wächst zu Hause auf und wird von den Eltern liebevoll erzogen. Es kann im Leben jedoch Situationen geben, in denen Eltern aufgrund eigener Belastung, durch seelische Erkrankungen oder Sucht die Erziehung ihrer Kinder nicht mehr übernehmen können. In diesen Fällen gibt es neben der Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung auch die Möglichkeit, ein Kind für einen bestimmten Zeitraum in einer Pflegefamilie unterzubringen.
Dabei gibt es unterschiedliche Formen von Pflegestellen: die Vollzeitpflege (auf Dauer angelegtes Pflegeverhältnis), die Kurzzeitpflege (auf einen kürzeren Zeitraum angelegtes Pflegeverhältnis), die Sonderpflege (Pflegeverhältnis für Kinder mit besonderem Förderbedarf), die Bereitschaftspflege (kurzfristige Aufnahme in Pflegeverhältnis aufgrund akuter Not- oder Krisenfälle), die Verwandtschaftspflege (Pflegeverhältnis innerhalb der Familie, etwa Großeltern, Onkel, Tanten), die Gastfamilien (häufig genutzt für unbegleitete minderjährige Ausländer).

Der Pflegekinderdienst des Jugendamtes wird von Sabine Quirmbach als eigenständiger Fachdienst in der Kreisverwaltung in Montabaur geleitet. Sie und ihre Mitarbeiter prüfen und vermitteln die geeignete Pflegefamilie für das Kind. Der Pflegekinderdienst berät und unterstützt sowohl die Pflegeeltern als auch die leiblichen Eltern während der Zeit des Pflegeverhältnisses. Für die Bereitschaftspflege sucht der Westerwaldkreis weitere Familien.
Frau Quirmbach, was genau ist Bereitschaftspflege?
Bereitschaftspflege bedeutet, dass eine Familie ein Kind mit sehr kurzer Vorlaufzeit bei sich zu Hause aufnimmt, also in einer Notsituation. Grund dafür kann zum Beispiel sein, dass das Kind vom Jugendamt wegen Kindeswohlgefährdung in Obhut genommen wurde. Bereitschaftspflegeeltern werden eigens ausgewählt. Sie sind sozial kompetent, flexibel, belastbar und bieten somit dem Kind den bestmöglichen Schutz für seine Entwicklung. Die Bereitschaftspflegefamilie betreut und erzieht das Kind, bis es wieder zur eigenen Familie zurückkehrt oder in eine Vollzeitpflegefamilie kommt. Die Dauer der Bereitschaftspflege kann sich auf mehrere Wochen und Monate belaufen. In Bereitschaftspflege werden nur Kinder zwischen 0 und 13 Jahren gegeben. In Ausnahmefällen werden auch ältere Kinder aufgenommen.

Wie viele Pflegepersonen gibt es in der Bereitschaftspflege?
Wir haben derzeit zwei Bereitschaftspflegestellen in der Rufbereitschaft, die Tag und Nacht und am Wochenende kontaktiert werden können. Ansonsten stehen uns acht Pflegefamilien für die Aufnahme im Rahmen der Bereitschafts- oder Kurzzeitpflege zur Verfügung. Hierbei handelt es sich nicht nur um reine Bereitschaftspflegefamilien, sondern auch um „Mischformen“. Dies bedeutet, dass dort bereits Pflegekinder dauerhaft leben.
Wie sieht das Aufgabenfeld im Vergleich zur Pflegefamilie aus?
Die Inobhutnahme eines Kindes ist immer eine Akutsituation, und die Kinder sind in der Regel in einem psychischen Ausnahmezustand. Die Situation ist für alle Beteiligten hoch emotional; die Kinder kommen häufig ohne persönliche Gegenstände oder Kleidung. Die Bereitschaftspflegefamilie bietet erst einmal Schutz und emotionale Nähe sowie Stabilität. Die Aufgaben unterscheiden sich primär im Hinblick auf die Aufnahmesituation. Häufig müssen die Kinder auch Ärzten vorgestellt werden. Auch die Frequenz der Umgangskontakte zur leiblichen Familie ist erhöht, da man noch in der weiteren Prüfung für eine eventuelle Rückführung oder dauerhafte Unterbringung ist.
Wie oft kommt es zu Inobhutnahmen?
Man kann sagen, dass es jährlich rund 80 bis 100 Fälle gibt, in denen wir Kinder aus ihren Familien holen müssen. Rund 50 davon werden in Pflegestellen vermittelt. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren stabil, aber liegt deutlich höher als noch vor zehn Jahren. Unsere Erfahrung ist, dass mehr hingeschaut wird und Nachbarn, Schule oder Kita mehr Fälle von Vernachlässigung oder Missbrauch anzeigen.

Welche Ausbildung benötigt man?
Bereitschaftspflegeeltern nehmen an den Vorbereitungsseminaren für Pflegeeltern teil. In den weiteren Gesprächen werden die Besonderheiten der Bereitschaftspflege besprochen. Der Pflegekinderdienst unterstützt und berät die Bereitschaftspflegestellen. Notwendige Unterlagen sind ein erweitertes Führungszeugnis, ein ärztliches Attest, Fragebögen des Jugendamtes, Verdienstbescheinigung und persönliche Lebensberichte mit Fotos.
Suchen Sie weitere Bereitschaftspflegefamilien?
Wir suchen immer neue Pflegefamilien in Bereitschafts- und Dauerpflege. Wir würden insbesondere gern noch Familien für ältere Kinder (Ende Grundschule, weiterführende Schule) oder auch Jugendliche finden.
Wie viel Geld bekommt man dafür?
Die Bereitschaftspflegefamilien werden analog den Pauschalbeträgen für die Vollzeitpflege in Rheinland-Pfalz bezahlt. In den ersten sechs Wochen erhalten sie einen erhöhten Satz (plus 1,5-facher Erziehungssatz). Bei Kindern bis sechs Jahre gibt es 731 Euro monatlich für den Sachaufwand, dazu zählen Strom, Wasser, Schulsachen oder Kleidung. Zusätzlich werden 420 Euro monatlich für Pflege und Erziehung als steuerfreie Aufwandsentschädigung gezahlt. Zusätzlich können einmalig Beihilfen und Zuschüsse gewährt werden, insbesondere zur Erstausstattung oder bei wichtigen persönlichen Anlässen wie etwa der Kommunion.
Wer sich für die Aufgabe als Pflegeeltern interessiert, kann sich informieren unter Telefon 02602/124254 oder per E-Mail pflegekinderdienst@westerwaldkreis.de

Zwei Herzen auf Abruf: Wo Kinder sofort Hilfe bekommen
Als Bereitschaftspflegemütter kümmern sich zwei Frauen in einem kleinen Westerwälder Dorf um Kinder auf Zeit. Eine fordernde Aufgabe, die sie aber erfüllt. Mit Liebe, Sinn und Zufriedenheit.